Nach Monaten melde ich mich nun wieder und habe grundsätzlich auch vor, „am Ball“ zu bleiben“. Meine Tipps beginnen ja immer mit einem Kommentar und Sachstand, bevor es dann wirklich zu den Tipps kommt. So auch jetzt.
Die vergangenen Monate waren mit endlos vielen wenig produktiven Arbeiten verbunden und dann ging es plötzlich wieder Schlag auf Schlag. Nachdem ich noch bis Ende Februar mit meiner Kollegin Melanie Kemner das sehr spannende Projekt „Ach du lieber Nachbar“ mit verschiedenen Fotogeschichten aus dem Kreativ.Quartier Ückendorf durchgeführt hatte, habe ich mich lange und letztlich erfolglos um eine Dokumentation dieses aus meiner und der Sicht vieler anderer äußerst gelungenen Projektes bemüht. Toll und sinnstiftend waren nicht nur die Fotoarbeiten sondern auch die Präsentationen in leerstehenden Ladenlokalen in Form von Ausstellungen, Projektionen oder wechselnden Fotos auf Bildschirmscreens.
Und damit bin ich auch schon fast bei des Pudels Kern aktueller Kunstproduktionen. Der Aufwand, der betrieben werden muss, um Projekte zu entwickeln und zu kalkulieren ist ähnlich wie immer und auch notwendig für das Ergebnis. Aber der Aufwand, um die Projekte dann wiederum finanziert zu bekommen und danach abzurechnen, wächst ständig. Und das mit fortlaufend höheren Ansprüchen (u.a. musste ich 2016 für Maßnahmen aus 2009 und 2010, die schon mehrfach durch verschiedene Instanzen kontrolliert worden waren) noch mal alte Unterlagen heraussuchen und schließlich gar Fragen beantworten, wie es denn sein konnte, dass ich eine Sendung an Amazon zurückgeschickt habe und das Porto von 6,90 bezahlt habe. Beim besten Willen, das weiß ich heute nicht. Aber ich weiß welcher Aufwand diese Frage für Prüfer und für mich erzeugt. Bei mir waren es mindestens drei ganze Arbeitstage. Wo ist hier eine Verhältnismäßigkeit? Brauchen die Kontrollettis dieser Erde so nötig Legitimationsbegründungen für ihre Arbeit (und ihren Lohn)? Warum fragt mich nie einer, warum ich doppelt so viele Stunden aufgewendet als ich bezahlt bekommen habe? Oder ob man das nicht nachträglich noch honorieren sollte, oder mir bezahlten Freizeitausgleich anbieten könnte?
Und dann stellt man seine Anträge, spricht mit endlos vielen Leuten und versucht sie ins Boot zu bekommen und scheitert schließlich doch. Nicht immer, aber immer wieder. Die Anzahl konkurrierender Anträge wächst ständig und auch die Anzahl guter Anträge. Gleichzeitig ist auch nicht mehr Geld da und das was da ist, ist bereits lange für festes Personal und Institutionen gebunden. Und klar, man kann ja auch nicht immer dieselben fördern. Und doch hat natürlich auch Kontinuität Bedeutung. Scheitern bedeutet immer wieder auch verlorene Zeit. Und mit jedem erfolglosen Antrag wächst der Druck, einen oder besser mehrere Anträge zum Erfolg zu bringen. Was ist eigentlich ein entspanntes Leben? Was könnte ich alles für die Kunst tun in dieser verschwendeten Zeit? Zumindest hätte ich ja auch für ruhr.spaek was schreiben können – kostet ja auch kein oder fast kein Geld. Und wenn man dann die Zeit für Akquise (erfolgreiche wie erfolglose) wiederum in seinen Tagessatz einkalkuliert, wird man von den Geldgebern als größenwahnsinnig abgestempelt. Das ärgert schon sehr.
Gescheitert bin ich auch (gemeinsam mit Bettina Steinacker) mit der Galerie Hundert und somit mit dem Versuch mit dem Verkauf von Kunst den Fotografen Geld zu verschaffen und gleichzeitig den Förderbedarf von Pixelprojekt_Ruhrgebiet zu reduzieren. Die Anzahl der Fotografien, die wir in den vergangenen sieben Jahren verkauft haben, lässt sich an zwei Händen abzählen und parallel hat sich der Finanzaufwand für die Galerie im Laufe der Zeit auf viele Tausend Euro privates Geld hochsummiert. Der Verkauf hat erst Früchte getragen, nachdem wir im Abverkauf auf die Honorierung unserer Arbeit sowie die Honorierung der Fotografen verzichtet haben, um wenigstens einen Teil des eingesetzten Geldes zurück zu bekommen. Das ist kein Erfolgsmodell. Und ich kann es auch nicht mehr hören, dass sich die Kreativen selbst um die Finanzierung ihrer Arbeit mehr kümmern müssten und dass sie nicht immer nach dem Staat rufen dürften. Kultur ist Aufgabe des Staates und vor allem seiner Kommunen (auch derer unter Haushaltssicherung). NRW verabschiedet gar ein Kulturfördergesetzt, erhöht aber nicht seinen Etat, der auch so schon in lächerlicher Höhe vor sich hin dümpelt. Künstler schätzen alle sehr und die Achtung vor der freien Szene (der nicht institutionalisierten Szene) ist als Lippenbekenntnis immer wieder ausgesprochen hoch. Aber wie deren Arbeit angemessen bezahlt werden könnte, beantwortet niemand. Vielleicht sollten wir gerade jetzt, die nächste Landtagswahl und auch Bundestagswahl stehen ja vor der Tür, laut werden. Vielleicht fällt mir ja was ein, aber woher die Zeit nehmen, jetzt wo die Projekte wieder laufen?
Gescheitert bin ich übrigens auch mir der Idee einer Messe für die Dienstleistung der Fotografie, zumindest unter den gegebenen Rahmenbedingungen. Die Idee war richtig und ich bleibe dabei, Fotografie das Leitmedium der Kommunikation ist und auch, dass Fotografie ständig an Bedeutung gewonnen hat. Und ich bleibe auch dabei, dass ein Rückgriff auf Stockfotografie bei gleichzeigen Potentialen zu neuen und maßgeschneiderten Bildern einem Verbrennen von Geld und Ressourcen gleich kommt. Aber man kann auch nicht von den Fotografen erwarten, dass sie Geld und Zeit einsetzen, um das der Gesellschaft zu vermitteln und ein Anspruch eines Fördergebers, dass sich ein solches Messeformat innerhalb von 3 Jahren selbstständig finanzieren muss, bleibt absurd. Welche Messe schafft das? Und welche Messegesellschaft arbeitet wirklich privatwirtschaftlich und ohne öffentliche Förderung?
Und doch will ich mich nicht beschweren. Pixelprojekt ist auch in diesem Jahr finanziert und die Ausstellung der Neuaufnahmen gesichert. Daher
Der erste Tipp:
Pixelprojekt_Ruhrgebiet – Ausstellung der Neuaufnahmen 2015/16, Eröffnung am 16. Juni um 18:30 Uhr mit Musik des Pixelprojekt-Fotografen Arno Specht und einer Diskussionsrunde mit drei Pixelprojekt-Fotografen und einer Rechtsnachfolgerin des verstorbenen Fotografen Chargesheimer.
www.pixelprojekt-ruhrgebiet.de
Der zweite Tipp:
instaworld.ruhr ein Projekt zu einer anderen Fotografie zum Ruhrgebiet rund um die Plattform instagram als sowohl fotografisches, kommunikatives und soziales Experiment, das nach einer neuen und anderen Leichtigkeit in der Fotografie sucht. Wir brauchen noch Fotografen und Fotografien, die dabei sind. Eine Auswahl wird im Herbst am Wissenschaftspark Gelsenkirchen projiziert.
www.instaworld.ruhr
Der dritte Tipp:
In den nächsten 20 Jahren wird laut einem Artikel in der TAZ von Stefan Pangritz Industrie 4.0 die Hälfte aller heutigen Arbeitsplätze überflüssig machen. Wie geht die Gesellschaft damit um. Enno Schmidt und Daniel Häni haben vor 20 Jahren in der Schweiz die Initiative Bedingungsloses Grundeinkommen gegründet und am 5. Juni stimmt die Schweiz über die Einführung der Initiative ab. In Deutschland ist seit 2005 vor allem der Anthroposoph und dm Gründer Götz W. Werner Verfechter des BGE. Vielleicht auch eine Perspektive für Künstler, Fotografen, Denker und andere.
Dortmunder politisch-philosophische Diskurse: Bedingungsloses Grundeinkommen mit Vorträgen von Ute Fischer, Christian Neuhäuser und Götz W. Werner. 10. Juni 10-16 Uhr am IBZ in der TU Dortmund. www.tu-dortmund.de
Der vierte Tipp:
Die Ausstellung „Wunder der Natur“ im Gasometer Oberhausen besuchen, am besten am 9. Juni wo man um 19:30 Uhr dem Lichtbildvortrag von Geo-Fotograf Klaus Nigge zusehen kann. (siehe auch den Sondertipp bei ruhr.speak Wilde Geschichten). www.gasometer.de
Der fünfte Tipp:
Sommerzeit ist Festivalzeit und somit auch Fotofestivalzeit.
Der Recontres Arles – die Mutter aller Fotofestivals – beginnt am 4. Juli und endet am 25. September Empfehlenswert ist der Besuch des Festivals insbesondere in der ersten Woche, der Eröffnungswoche. Dann trifft sich die Szene, dann gibt es die „Nuit de la Photographie“ und Veranstaltungen im Amphitheater. Ich werde endlich wieder einmal „vor Ort“ sein. Vielleicht treffe ich ja auch die eine oder den anderen LeserIn dieses Blogs. Zuvor ist auch noch das LUMIX Festival in Hannover vom 15. – 19. Juni. Beim Festival erfährt man immer wieder wohltuend, das der klassische Bildjournalismus noch lange nicht tot ist und sich auch gegen den immer weiter verschwindenden Markt weiterentwickelt. Vater des Festivals ist Rolf Nobel, der während des Festivals am 17. Juni den Erich-Salomon-Preis 2016 der DGph verliehen bekommt. Und auch das f/stop Festival in Leipzig vom 25.6. -3.7. widmet sich historischen und aktuellen Formen der berichtenden Fotografie. Weitere Fotofestivals im Juni sind u.a. in Wien, Madrid, Lodz, Kopenhagen, Athens, Bristol. Im Ruhrgebiet findet außerdem nicht nur im Juni kein Fotofestival statt.
Der sechste Tipp:
Die DEW21 (Dortmunder Energie- und Wasserversorgung GmbH) schreibt erneut den gleichnamigen Kunstpreis 2016 für Ruhrgebietskünstler aus. Obwohl Fotografie immer gerne gesehen ist, hat diese bisher noch nie den Preis erhalten. Eigentlich wäre es an der Zeit. Aber die bestehende Jury hat doch eher andere Vorlieben bzw. ein anderes Kunstverständnis. Nicht aufgeben. Einsendeschluss ist der 24. Juni. www.dew21.de
Der siebte Tipp:
Wer die neue alte Arbeit von Rudi Meisel „Landsleute 1977-1987 – Two Germanys” weder bei c/o Berlin noch im Museum Kunst- und Kulturgeschichte Dortmund gesehen hat, kann natürlich die Arbeiten auch im gleichnamigen Katalog betrachten. Pixelprojektfotograf Rudi Meisel hat über viele Jahre im Ruhrgebiet (hier hat er studiert) und in Berlin (hier lebt der Fotograf heute) Menschen in ihrem Alltag fotografiert. Viele dieser Bilder sind gut bekannt und gehören zu den Bildikonen der deutschen und der Ruhrgebietsfotografie. Scantechnik und digitale Bildbearbeitung machen es aber möglich Bilder neu auszuarbeiten und so neu zu sehen. In den Schwärzen können verschwundene Details genauso sichtbar gemacht werden wie in den Lichtern. Trotz der Begeisterung des Fotografen möchte ich doch gerne einen klassischen Barytabzug neben der Neuinterpretation sehen, bevor ich mein Urteil fälle. Aber auch jenseits dieser technischen Fragen ist es ein Buch, das ich nur empfehlen kann.
Das Buch gibt es u.a. im Pixelprojekt-Bookshop: www.pixelprojekt-ruhrgebiet.de/de_DE/bookshop
Peter Liedtke ist Fotograf sowie Initiator und Organisator von Pixelprojekt_Ruhrgebiet und bild.sprachen. Er gibt für ruhr.speak regelmäßig persönliche Tipps zur Fotowelt (an der Schnittstelle zur Urbanität) im Ruhrgebiet, aber auch anderswo.