Der Amerikaner Robert Adams (geb. 1937) gilt seit langem als ein Klassiker der künstlerischen Fotografie der Gegenwart. Doch erst in jüngerer Zeit wurde sein Werk auch in Europa bekannt. Das Josef Albers Museum Quadrat in Bottrop zeigt zurzeit exklusiv “The Place We Live”, die erste umfassende Werkschau mit etwa 300 Originalabzüge aus mehr als fünfzig Jahren.
Robert Adams schätzt den in Bottrop geborenen Bauhaus-Künstler Josef Albers (geb. 19.03.1888; gestorben am 25.03.1976 in New Haven, Connecticut), nach dem das Museum Quadrat benannt ist, außerordentlich. “Weder ihm noch mir geht es um Selbstausdruck, sondern um die Form und um die nachhaltige Ruhe, die mit ihrer Entdeckung einhergehen kann”, schreibt Adams.
Wie wohl kein anderer Fotograf des 20. Jahrhunderts hat sich Adams als Dokumentarist mit dem Wandel der Natur und der Besiedelung des amerikanischen Westens auseinandergesetzt. Vielerorts so scheint es, als habe sich die mythische Landschaft im Land der unbegrenzten Möglichkeiten in eine Kulisse der Banalitäten verwandelt. Dennoch und trotz dieser Entwicklung, so Adams: “Die Front Range (eine in Nord-Süd-Richtung verlaufende Bergkette im Bundesstaat Colorado) ist deshalb so überwältigend, weil sie von Licht in derartiger Fülle überströmt wird, dass alle Banalität erlischt. Sogar die Parzellensiedlungen, an denen uns die obszöne Spekulantengier abstößt, nehmen zu bestimmten Tageszeiten einen nüchternen, kühlen Glanz an.“
Doch trotz der unübersehbaren Zeichen des Niedergangs lassen Adams’ Fotografien auch Momente der Hoffnung erkennen. Denn die Weite und Stille der amerikanischen Landschaften, die Majestät der Gebirge und Wälder sind heute noch gegenwärtig. Gemeinsam mit einem alles durchdringenden Licht halten sie die Erinnerung wach an das, was der Westen einst für seine frühen Siedler war: ein Reich der Freiheit.
Adams spielte als Kind gerne Baseball und wollte ursprünglich Priester werden. 1960 schenkten die Eltern dem 23jährgen Robert das Fotobuch „This is the American Earth“ von Ansel Adams. 1962 unterrichtet Robert Adams als Professor Englische Literatur in Colorado Springs. 1963 beginnt er, Natur und Architektur zu fotografieren, in schwarzweiß. Dokumentarfotograf Myron Wood weist ihn in die Technik ein, 1965 kauft Robert Adams eine Großbildkamera. Ab 1969 beginnt er, sich als Fotograf einen Namen zu machen, die literarische Lehrtätigkeit stellt er 1970 ein. Im selben Jahr erscheint sein erster Bildband „White Churches of the Plains“. Bis heute veröffentlichte Adams mehr als 40 Fotobücher. Heute lebt und arbeitet der Künstler im Nordwesten von Oregon.
Apropos Ansel Adams: das erste Foto, das Robert erwarb, war Ansels „Moonrise, Hernandez, New Mexico“ von 1941. In Ansel sah Robert keinen Antipoden, sondern einen Geistesverwandten, auch dieser eher die unberührte Kraft der Natur feiert.
Robert Adams ist heute 75 Jahre jung. “Einer der ganz wenigen lebenden Klassiker”, so Dr. Heinz Liesbrock, Museumsdirektordes Quadrat Josef Albers Museum. Er sieht Adams in einer Reihe mit den legendären Fotografen William Eggleston, Lee Friedlander und Robert Frank. Nur ganz so berühmt ist Adams (noch) nicht: Die Schau mit dem Titel “The Place We Live” ist seine erste Retrospektive seit 20 Jahren, erarbeitet vom Kunstmuseum der Universität von Yale/USA. Bottrop ist die einzige deutsche Station einer weltweiten Ausstellungs-Tournee des Hasselblad-Preisträgers von 2009.
Weitere Gewinner dieses „Nobelpreises“ für Fotografie waren u. a. Ansel Adams, Richard Avedon, Robert Frank, Nan Goldin, Cindy Sherman und Hiroshi Hamaya. Deutsche Preisträger sind Robert Häusser sowie Hilla und Bernd Becher.
Ohne Pathos und Sentimentalität, in großer Sachlichkeit, dokumentieren die etwa 300 Fotos Schönheit und Zerstörung der Landstriche. Die Geschichten, die sie erzählen, sind skeptisch und wehmütig zugleich, seine Bilder sind brillante Fotografien: tiefes Schwarz, gleißendes Weiß und Grau in all seinen Abstufungen.
Ein Geheimnis der Magie der Adams-Fotos sind seine detailstarken kleinformatigen Baryt-Abzüge, deren Negative aber von einer Großformatkamera stammen: der Betrachter wird dadurch gezwungen, sehr nahe an die Motive heranzutreten, um Details zu erkennen. Dieser Anstrengung setzen sich Adams-Aficionados gerne aus.
noch bis 29. September:
“Robert Adams: The Place We Live – Retrospektive des fotografischen Werks”
Josef Albers Museum Quadrat Bottrop
Im Stadtgarten 20
46236 Bottrop
Infos und Tipps:
Zur Ausstellung sind zwei Publikationen erschienen:
- Robert Adams, The Place We Live, 3 Bände im Schuber, 675 s/w-Abb., Leinen geb., 199 Euro
- Robert Adams, What Can We Believe Where? Photographs of the American West, 120 S. mit 110, s/w-Abb., Broschur, 19,80 Euro
Die Ausstellung wird gefördert durch die Evonik Industries AG und die Kunststiftung NRW.
Öffentliche Führungen:
Sonntag, 28. Juli – 15 Uhr
Sonntag, 25. August – 15 Uhr
Sonntag, 22. September – 15 Uhr
Kurzführungen – Zeit für Kunst am Mittag: 15.08., 29.08., 12.09. und 26.09., jeweils 12.30 Uhr
www.quadrat-bottrop.de http://www.bottrop.de/mq/
Robert Adams – Zitate:
“Meine Aufgabe verstehe ich so, dass die Bilder eine Ordnung erkennen lassen und dabei die Dinge doch so weit wie möglich in einer normalen Optik erscheinen. Mein Ziel ist es, nicht die Möglichkeiten irgendeines Kameraapparats zu zeigen, sodern den Reichtum unseres Auges.”
“Ein Hinweis, den ich bei Dorothea Lange gelesen hatte, war mir besonders wichtig. Sie forderte dazu auf, ein Archiv Amerikas in den 1960er Jahren aufzubauenz, mit dem Schwerpunkt auf dem Leben in den Städten und Vororten. Es sollte sich, so sagte sie, auf das konzentrieren, was jetzt existiert und was sich durchsetzen wird.”
“Die Bilder wollen nichts beweisen. Ihre einzige Rechtfertigung ist die geklärte Form.”
“Am meisten schätze ich jenes Lob, dass Menschen beim Anblick meiner Bilder selbst Lust bekommen, zu fotografieren. Es scheint so enfach diese Bilder zu machen, und so sollte es sein.”
“Ich kehrte nach Colorado zurück und sah, daß es wie Kaliforien geworden war… All die Ort an denen ich gearbeitet, gejagt und geklettert hatte, die Flüsse, an denen entlang ich gewandert war, schienen im Begriff zerstört zu werden. Ich war verzweifelt und fragte mich, wie ich das überleben sollte. Edward Hoppers Gemälde gaben mir Hinweise darauf, die ich aber nicht wirklich verstand.”
“Zerstört werden nicht nur die Natur, sondern auch Dörfer und Städte. Doch „Gegenstand dieser Bilder sind (…) nicht Autobahnen oder Fertighäuser; vielmehr ist ihr Sujet die Quelle aller Form: das Licht“, schreibt Adams in seinem 1974 erschienenen Fotobuch „The New West“.”
“Das Geheimnis dieser Fotografien aus den Städten liegt in ihrer Nähe zum Banalen. Ein Schnappschuß muss, um gut zu sein – d. h. mehr als nur das Sichtbare zu suggerieren – in die gefährliche Nähe eines schlechten Bildes kommen, einfach der Anblick von irgendwelchem Zeug.”
“Ich weiß noch, wie öde alles hier gegenüber Wisconsin schien. Der Frühling brachte überhaupt nichts Schönes – nur noch mehr Wind. Erst langsam verstand ich den Zauber, wenn die Tauben aus Mexico zurückkehrten und die Zichorienblüte begann… tausende wunderbare Dinge.”
“Welchen Gegenwert haben wir im Austausch für den ursprünglichen Wald geerbt? Gibt es einen Zusammenhang zwichen Abholzen und Krieg? … Geht das Abholzen auf einen Mangel an Achtung zurück? Lehrt es Gewalt? Trägt es zum Nihilismus bei? Warum treffe ich nie auf Eltern, die dort mit ihren Kindern spazieren gehen?”
“Die Fotografien halten die Zerstörungen unserer Lebenswelt fest, und zugleich halten sie fest an dem, was Adams als das Ziel aller künstlerischen Arbeit sieht: die Schönheit des Lebens. „Leben heißt, eine Form verteidigen“, so äußert sich Adams mit den Worten Friedrich Hölderlins.”
Mehr über Robert Adams:
Monopol Magazin
Zeit Online
RuhrNachrichten
artnet
Kölner Stadt Anzeiger
Adams über Albers:
Als Josef Albers etwa achtzig Jahre alt war, begann ich gerade erst damit, Amerika zu dokumentieren, und obwohl wir uns nie persönlich begegnet sind, ist es mir eine Ehre, denen, die am Ort seiner Geburt leben, von den Schönheiten und einigem Scheitern in den USA zu berichten, jener Nation, der wir uns beide so verpflichtet fühlen.
Angesichts des Werks von Josef Albers, das sich ganz auf die Wirkung der Farbe konzentriert, mag es merkwürdig scheinen, dass er und ich das Gefühl einer gemeinsamen Verpflichtung haben, und dennoch ist dem so. Weder ihm noch mir geht es um Selbstausdruck, sondern um die Form undum die nachhaltige Ruhe, die mit ihrer Endtdeckung einhergehen kann.
Text: Hartmut S. Bühler, Fotograf
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GE 30. Januar 2014 at 15:22Geschmackloser als mit diesen Pinsel-Rahmen kann man die wunderbaren Arbeiten von Robert Adams meiner Meinung nach nicht präsentieren.