Stoffwechsel: chemische oder physikalische Umwandlung von Stoffen und Substraten in Zwischen- und Endprodukte in lebenden Organismen *. Mich als Fotografen interessieren vor allem Menschen. Was hat die Ausstellung âSTOFFWECHSEL â die Ruhrchemie in der Fotografieâ, parallel zu sehen in der Ludwiggalerie Schloss Oberhausen und im Peter-Behrens-Bau/LVR Industriemuseum, denn nun zu bieten?
Sind die so zahlreich gezeigten GebĂ€ude-, Industrieanlagen- und Produktfotos nur fĂŒr Werksangehörige und deren Familien, Ruhrgebiets-Afficionados, Industriegeschichte-Maniacs und Fans der Region Oberhausen interessant? Ich vermag das nicht zu beantworten. Aha-Momente jedenfalls stellten sich bei mir nicht ein, Transpiration oder gar erhöhter Blutdruck wurden nicht registriert. Dies widerfuhr mir nur ob der schieren Wucht der Architektur des Peter-Behrens-Baues aus dem Jahr 1921. Er war das ehemalige Hauptlagerhaus der GutehoffnungshĂŒtte.
- Ausstellungfoto: Hartmut BĂŒhler
Anstrengend fĂŒr den Betrachter sind neben der QuantitĂ€t die BildgröĂen: auĂer dem Altar groĂen Motiv ‘Oxo-Technikum 1968’ von Carl August Stachelscheid im Behrens-Bau sind nahezu alle gezeigten Aufnahmen klein im Format. Das zwingt zwar zum genauen Hinsehen, strengt aber angesichts der Vielzahl der Motive sehr an. Das Ă€lteste Foto der Sammlung Ruhrchemie zeigt das spĂ€tere WerksgelĂ€nde Holten als idealtypische vorindustrielle Bruchlandschaft. Es entstammt dem Fotoatelier Teriet, dessen GrĂŒnder Ernst Teriet es bereits seit 1898 in Sterkrade betreibt. Sohn Erich fĂŒhrte es fort, mehr als sechs Jahrzehnte bleibt das Atelier dem Unternehmen durch Auftragsarbeiten verbunden.
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AuffĂ€llig die Motive Auszubildende des Jahrgangs 2017 und Konferenz 2017 von Sebastian Mölleken (Oberhausen) und die Dreherinnen-Serie von 1990 von Beate Knappe. Knappe hat heute ein PortrĂ€tstudio in DĂŒsseldorf und fotografierte damals nicht im Auftrag des Unternehmens, sondern fĂŒr ein Ausstellungsprojekt im Zusammenarbeit mit dem Gleichstellungsministerium des Lands NRW.
- Ausstellungfoto: Hartmut BĂŒhler
AnrĂŒhrend die Motive ‘Kindererholungswerk’ (um 1950, Fotograf unbekannt) und ‘Lehrlingserholungswerk’ (um 1950, Fotograf unbekannt), Karl Euls ‘Fuhrpark’ von 1975 oder ‘Werksansicht’ von 1952 mit Pferdepflug von Rudolf Lindemann. Eul war Mitarbeiter und begeisterter Amateurfotograf. BerĂŒhrend die Motive ‘JubilĂ€umsfeier’ (1963, Fotograf unbekannt) und ‘Betriebsratssitzung’ 1975 von W. Cohrs, mitleiderregend ‘Beseitigung von BombenschĂ€den’ vermutlich unter Beteiligung von Zwangsarbeitern; um 1941. AmĂŒsant die ‘Vorstandssitzung 1928 (Fotograf unbekannt). Das winzige Abbildungsformat macht die abgelichteten Herren Wichtig zu Wichteln und damit menschlich ‘zugĂ€nglich’.
Das beinah absurde, einzig glamouröse Foto der gesamten Ausstellung verbirgt sich in einer Vitrine im Sektor AuslandsaktivitĂ€ten: das Motiv Sunbaker von Maxwell Spencer Dupain (1911-92). Dieser bedeutende Vertreter der australischen Moderne wird um 1968 beauftragt, die neue Oxo-Lizenzanlage nahe Sydney zu fotografieren. Dupain ist bekannt fĂŒr seine Darstellung des Strandlebens rund um den Biondo Beach/Sydney. Mit Sunbaker gelingt ihm um 1937 ein ikonisches Foto, weil es das australische LebensgefĂŒhl im Kern trifft.
WĂ€hrend das LVR-Museum Fotos nach Themenschwerpunkten geordnet zeigt, sind in der Panoramagalerie Ludwiggalerie Schloss Oberhausen die Geschichte der Ruhrchemie anhand von Aufnahmen bekannter Autorenfotografen in ihrem seriellen Zusammenhang chronologisch dargestellt.
- Ausstellungfoto: Hartmut BĂŒhler
Zusammengefasst:
STOFFWECHSEL zeigt erstmals einige hundert Fotos von etwa 25.000 Aufnahmen aus dem Bestand der Ruhrchemie AG. Seit der Ansiedelung des Chemieunternehmens in Oberhausen-Holten 1928, heute Hauptstandort der Firma Oxea GmbH, haben zahlreiche Fotografinnen und Fotografen das Werk, die dort arbeitenden Menschen und die entstehenden Produkte abgelichtet. Dieser Sammlungsbestand aus dokumentarischen und kĂŒnstlerischen Fotografien wurde von BetriebsrĂ€ten und Werksleitungen der Nachfolgeunternehmen der Ruhrchemie AG in die Sammlung des LVR-Industriemuseums eingebracht.
Bekannte Namen sind dabei u. a. Robert HĂ€usser, Albert Renger-Patzsch, Karl Hugo Schmölz, Carl August Stachelscheid, Ludwig Windstosser und Pixelprojekt-Fotograf Rudolph Holtappel. Im Behrens-Bau gefeiert wird der WĂŒrzburger Renger-Patzsch. Bislang kaum bekannt war, dass er um 1938 die Ruhrchemie umfangreich fotografiert hatte und zwar mit einem Schwerpunkt auf der Fischer-Tropsch-Anlage zur KohleverflĂŒssigung. Gut zwei Dutzend AbzĂŒge werden im Behrens-Bau gezeigt, hinzu kommen 33 weitere AbzĂŒge in einem reprĂ€sentativen Album. Ganz anders werden Robert HĂ€ussers Fotografien in der Ludwiggalerie prĂ€sentiert. Seine als farbige Diapositive ĂŒberlieferten Fotografien aus den 1970er und 1980er Jahren sind in Form einer raumfĂŒllenden Projektion zu erleben. HĂ€usser nahm Szenen in unterschiedlichen Farbtemperaturen auf.
Die Ausstellung wurde durch Pixelprojektfotograf Rainer Schlautmann kuratiert.
Die Ausstellung dauert bis 24. Februar in der Ludwiggalerie Schloss Oberhausen und bis 17. MĂ€rz im Peter Behrens Bau. Der gleichnamige Katalog erschien im Kettler Verlag: 290 Seiten, Hardcover, 38,00 Euro
* Quelle: Wikipedia
Text und Ausstellungsfotos: Hartmut BĂŒhler
Fotoauswahl aus den Austellungen in Oberhausen:
Albert Renger-Patzsch, Gesamtansicht, Ruhrchemie AG, um 1938.
Carl August Stachelscheid: Oxo -Technikum, Ruhrchemie AG, um 1968
Rudolf Holtappel, Destillationskolonnen, 1971 – LVR-Industriemuseum
Ernst Teriet: Brand im Tanklager, Ruhrchemie AG, um 1938