Katharina Mouratidi lebt und arbeitet als freischaffende Fotografin und Künstlerin in Berlin. Ihre Arbeiten wurden europaweit publiziert und waren bereits in vielen Einzel- und Gruppenausstellungen weltweit zu sehen, darunter: Willy-Brandt-Haus Berlin, Rheinisches Landesmuseum Bonn, Palau Robert (Spanien), FotoFest Houston (USA). 2013 wurde Katharina Mouratidi zum Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Photographie (DGPh) berufen. Sie lehrt an verschiedenen Einrichtungen, darunter die Ostkreuzschule sowie die Kunsthochschule Berlin, wo sie 2011 eine Gastprofessur hatte. Seit 2008 ist Katharina Mouratidi zudem Geschäftsführerin der Gesellschaft für Humanistische Fotografie (GfHF). In dieser Funktion plant, kuratiert und leitet sie fotografische Projekte in Kooperation mit renommierten Kunst- und Kulturinstitutionen im In- und Ausland.
ruhr.speak: Katharina, du hast vor 8 Jahren mit einigen Fotografinnen und Freunden der Fotografie die Gesellschaft für Humanistische Fotografie (GfHF) gegründet. Was war der Grund bzw. Anlass dafür.
Katharina Mouratidi: Der Raum für Fotografie, die sich mit gesellschaftlich relevanten Fragestellungen befasst, ist in den letzten Jahren stark zurückgegangen. Publikationen von engagiertem Bildjournalismus und fotografischen Langzeitprojekten, die früher in den Magazinen oft noch viele Seiten einnahmen, wurden auf ein Minimum gekürzt. Museen und Ausstellungsinstitutionen sind durch den Rückgang von Subventionen auf hohe Besucherzahlen angewiesen, um ihre Häuser zu finanzieren und setzen so auf populäre, leicht zu rezipierende Themen und wenige bekannte Klassiker der Fotografiegeschichte. Junge Fotografinnen und Fotografen, die in ihren Arbeiten die brennenden Fragestellungen unserer Zeit aufgreifen und davon leben wollen, sehen sich mehr und mehr dazu gezwungen andere Wege zu gehen um beruflich zu überleben.
In diesem Umfeld wollten wir eine Organisation schaffen, die sich explizit für fotografische Positionen und deren Autorinnen/Autoren einsetzt, die dieser Entwicklung etwas entgegensetzen und – trotz der schwierigen Bedingungen – fotografische Arbeiten zu sozialen, politischen und gesellschaftlich relevanten Themen aufgreifen. Diese möchten wir bei einem breiten Publikum bekannt machen und in der heutigen Bilderflut sichtbare inhaltliche Akzente setzen.
ruhr.speak: Zuletzt hat die GfHF die Ausstellung „CHANGING REALITIES“ am U Bahnhof Alexanderplatz in Berlin gezeigt. Glaubst du, dass man mit Fotografie die Welt verändern kannst. Und glaubst du, dass es andere Ausstellungsorte für politische Fotografie braucht als klassisch Museen und Galerien?
Katharina Mouratidi: Fotografie ist ein Medium mit dem man effektiv und nachdrücklich auf aktuelle gesellschaftliche und soziale Zu- oder Missstände hinweisen kann. Durch die starke visuelle Prägung, die unsere Gesellschaft in den letzten Jahrzehnten erfahren hat, nehmen wir heutzutage Informationen und Nachrichten am stärksten über das Bild – also über Fotografie oder Film wahr. Einige ikonografische Bilder der letzten Jahrzehnte, darunter natürlich Nick Úts Fotografie des Vietnamkrieges oder die Bilder des Kniefalls von Willy-Brandt im Warschauer Ghetto 1970, haben die Weltsicht ganzer Generationen beeinflusst und wesentlich zum aufbrechen gesellschaftlicher Strukturen beigetragen. Auch die wichtige Rolle, die Fotografie in den Demokratisierungsbewegungen im Nahen Osten oder in aktuellen gesellschaftlichen Konflikten überall auf der Welt spielt, untermauern ihren Stellenwert und ihr Potential bei der Meinungs- und Willensbildung.
Trotz dem aktuellen Wettstreit der visuellen Superlative, in dem scheinbar nur noch die Bilder wahrgenommen werden, die der Betrachterin/dem Betrachter das grausamste, schlimmste und sensationellste Motiv liefern, glaube ich nach wie vor an das Medium Fotografie. Wie kein anderes vermag es die Menschen im Innersten zu berühren, ihnen neue Horizonte und Perspektiven zu eröffnen und so natürlich auch die Welt jedes Mal ein ganz kleines Stück weit zu verändern.
Sozial engagierte Fotografie benötigt aus meiner Sicht wieder einen viel größeren Stellenwert in unserer Gesellschaft und somit auch in der Öffentlichkeit. Als Präsentationsorte halte ich in diesem Sinne Museen und Kulturinstitutionen für ebenso geeignet, wie Ausstellungen an öffentlichen Orten oder die Verbreitung über die digitalen Medien. Jede dieser Präsentationformen erreicht ein ganz spezifisches Publikum, eine jeweils andere Zielgruppe. In Museen sind es die kunst- und kulturinteressierten Menschen, die gezielt Ausstellungen besuchen, digitale Plattformen erreichen eher eine jüngere Zielgruppe, die Präsentation im öffentlichen Raum vermag es ganz überraschende „Kunst-Räume“ im Alltag zu schaffen.
ruhr.speak: Während der bild.sprachen – Plattform für Fotografie und Fotoprojekte in Gelsenkirchen bietest du den Workshop zu den Themen: „Das fotografische Projekt – von der Planung bis zur Durchführung“ an. Glaubst du, dass man Antragstellung (als finanzielle Grundvoraussetzung zur Durchführung von Projekten) lernen kann?
Katharina Mouratidi: Die Finanzierung freier fotografischer Arbeiten über Projektförderung und Sponsoring ist, aus oben genannten Gründen, heute eine der wenigen Möglichkeiten, mit denen sich freischaffende Fotografinnen und Fotografen Freiräume schaffen können, um an ihren eigenen Projekten arbeiten zu können. Vermitteln lasen sich sicher die Grundvoraussetzungen und Strukturen, die zu einer erfolgreichen Antragstellung führen. Die Energie, diese Projekte dann auch durchzusetzen, die Leidenschaft für die Fotografie und natürlich auch den Willen diesen schwierigen und mitunter sehr langen Weg auf sich zu nehmen, muss jede Fotografin und jeder Fotograf selbst mitbringen.
Fragen: Peter Liedtke
Redaktion: Martina Kötters
ruhr.speak befragte in seiner Interviewreihe „Drei Fragen – drei Antworten“ bisher Klaus Honnef, Andréa Holzherr, Wolfgang Volz, Florian Ebner, Kerstin Meinecke, Fritz Pleitgen und Adolf Winkelmann.