Zu viele schlechte Erfahrungen und zu viel schlechte Neuigkeiten über das Copyright, über unsere Rechte am Bild und ihre Verwertung lassen diesen Beitrag nötig werden. Besonderer Anlass ist aber ein Artikel von wilder Polemik, den Tobias Kniebe, (Autor & Filmemacher) am 15.11. 2012 in der Süddeutschen Zeitung veröffentlichen durfte.
Hier wird in einem standardisiertem Neidreflex der finanzielle Erfolg derer aufs heftigste kritisiert, die es durch ihre kreative Arbeit in Wort, Bild oder Musik zu besonderem Reichtum gebracht haben. Nach T.K. haben es diese Menschen nur “geschafft”, weil ihnen das Copyright den rechtlichen Rahmen gab, ihr Produkt massiv zu vermarkten, ohne das eine spezielle Leistung, ein besonderer Einsatz oder ein übernatürliches Talent ihren Erfolg begründe. Er hebt den moralischen Zeigefinger, so dass man vor allem seine Frustration miterlebt. Ist sie darauf zurückzuführen, dass seine eigenen Werke nicht ausreichend entlohnt werden? Dann ist er einer von uns. Heißt ihn willkommen!
Copyright ist Patentschutz
Wie auch die Piraten, schießt sich T.K. auf Künstler wie J. K. Rowling ein und missachtet dabei sämtliche anderen Leistungsbereiche der industriellen Technologie, der Patente, des CI und CD. Sind etwa Betriebe, die Steuern zahlen, im Urheberrecht besser geschützt, als der arme Poet, der den wasserdichten Regenschirm erfindet? Nein. Eine Mülheimer Leuchtenfirma wurde in China komplett imitiert. Produkte, Verpackung, Design. Selbst Internet- und Messeauftritt stahlen die Produktpiraten. Es gibt nur wenig Möglichkeiten diesen Überfällen entgegen zu treten. Und das ist nur ein Beispiel.
Ganz gewiss zahlt J. K. Rowling enorme Summen an Steuern, vorausgesetzt, sie hat ihren Wohnsitz den in England. Dem Copyright ist es zu verdanken, dass eine Menge Menschen in kreative Arbeit und Brot gekommen sind, um Rowlings Potter-Romane in Filme und Hörbücher umzusetzen. Natürlich wurde sie Milliardärin, weil sie von der Arbeit Anderer profitiert hat. Den Kapitalismus aber hat sie nicht erfunden, nur ein paar harmlose Gutenachtgeschichten für Kinder aus aller Welt. Gerettet hat sie übrigens das Schreiben, und nicht die Millionen. Und es wird sie wieder retten aus der Misere einer Milliardärin. Auf ihr neues Buch bin ich gespannt.
Spielerische Leichtigkeit im Forschungslabor
Ist etwa der Bastler in der Garage, der gerade die Hammeridee hat und umsetzt, kein Künstler? Vor einiger Zeit war ich im Forschungslabor der IBM nahe Zürich. Auffällig war die spielerische Leichtigkeit mit der gestandene Nobelpreisträger an Ihren Projekten basteln. In einer experimentellen Situation, aus der etwas Neues und noch Unbekanntes, also noch nie da Gewesenes !!! entstehen soll, verschafft IBM seinen höchstqualifizierten Mitarbeitern einen geschützten Raum, in dem es auch zu gehen kann, wie in einem Kindergarten.
Ein von vorne herein gesicherter Raum für kreative Leistungen, ein Copyright auf Kredit, ein Venture Capital für Künstler, warum gibt es das nur für Pharmakonzerne, die an Gewinn bringenden Projekten wie neuen, genmanipulierten Samensorten arbeiten? Hier hört die Harmlosigkeit auf. Hier werden Geschenke Gottes zerstört, ohne dass einer die Verantwortung überhaupt übernehmen kann, sind die Konsequenzen doch gar nicht absehbar.
Ich bin Copyright!
Andreas Gursky arbeitet für die Ewigkeit, wie er mehrfach in der letzten Zeit betonte. Ich gönne ihm den Wahnsinn, tut er doch sonst keinem weh, und dient die Aussage doch seinem Schutz. Bei so viel Geld braucht es auch eine außergewöhnliche Motivation. Auch er hat keine Löcher in den Händen – wird von Künstlern doch gerne verlangt, etwas Heiliges und Erhabenes zu schaffen.
Doch 4,3 Millionen Dollar für eine Fotografie, das ist schon eine zu achtende Leistung, die weder Andreas Gursky verantwortet, noch dem Bild entspricht, sondern dem Kunstmarkt mit seinen geschickten Galeristen, die untereinander schon neue Kurse abgesprochen haben. Alle Aktienkäufer glauben solange an den unaufhaltsamen Anstieg der Werte, bis sie eines Besseren belehrt werden.
Viele Künstler tragen das Gipfelkreuz lieber auf dem Rücken, statt sich in der Höhe zu sonnen. Das ist ein biografischer Prozess. Er folgt den ersten Erfahrungen, dass man sich selbst verkauft und nicht seine Arbeit. Mancher Künstler ist egoman und kommt damit eine Zeitlang gut klar, aber dann ist die Pubertät vorbei – wer war noch mal Tokio Hotel? Da bereinigt sich Einiges von allein.
Copyright ist Verpflichtung
Für die Anderen ist es ein beständiges Abwägen zwischen Freiheit und Unabhängigkeit oder Sklaverei und Prostitution. Sie sind verantwortlich für ihre Ideen, und können sich dem nicht entziehen. Sie waren in Delphi, haben an die Pforte Apolls geklopft und sich selbst erkannt. Und damit ein gutes Stück der gegenwärtigen Menschheit, für die sie die eigene Hand ins Feuer legen, aber nicht verkaufen werden. Diese Selbsterkenntnis ist ein übles Stück Arbeit, der Künstler leistet sie aus eigener Verpflichtung. Denn: das Copyright ist Verpflichtung!
Englische Bogenbauer des Mittelalters mussten ihre Langbogen signieren. Und brach ein Bogen im Kampf oder Schlacht, gab es brutale Konsequenzen, bis zur Todesstrafe. Auch ein Qualitätsmanagement, wenn auch nicht nach ISO.
Im Grundgesetz steht, Eigentum verpflichtet. Und wir Künstler sind sehr eigentümlich. Wir übernehmen aus einem nie diskutierten Selbstverständnis heraus Verantwortung für unsere Visionen, Ideen, Werke und Aktionen. Wir stellen nicht die “Wie” Frage oder die Frage nach dem Profit. Dabei überprüfen wir uns beständig, haben ein ausgeklügeltes Qualitätsmanagement, eine enorme Kritiksucht an uns selbst und an Anderen. Denn unsere Leistungen sind noch über Jahre hin überprüfbar, auch dann noch, wenn Andere ihr Geschwätz von Gestern schon vergessen haben. Wie das z. Bsp. Julia Schramm, die Piratin und ihr Büchlein “Klick mich”, der der Landesvorstand der niedersächsischen Piraten nun den Rücktritt empfohlen hat. (Mittlerweile ist sie zurückgetreten)
Einen kleinen Vorschuss, bitte!
Das Copyright ist kein Glücksspiel, kein olympischer Wettbewerb. Im antiken Griechenland bekamen die Sieger der olympischen Spiele einen Lorbeerkranz, sonst nichts, aber zurück in ihrem Heimatdorf wurden sie mit allem versorgt, was zum Leben nötig ist. Das reicht uns auch.
Aber wie viele sind Nachtwächter, Tankstellenkassierer oder Lagerarbeiter und machen da nicht wirklich die sinnvollen Erfahrungen. Lieber verkaufen sie ihre Lebenszeit als 400-Euro-Jobber, als mit Hornbrille verkleidet den Kreativschaffenden in einer Werbeagentur zu spielen, der Bio als Öko verkauft. Und auch hier leben sie in einem Staat, der einen Mindestlohn für einfachste Dienstleistungen nicht regeln will.
Für diese selbst auferlegte Verpflichtung des Künstlers gibt es leider keine Bringschuld seitens einer Institution oder einer sozialen Gemeinschaft. Sie wird als selbstverständlicher Beitrag aufgesaugt, dabei sicherten gerade diese Spinner mit ihren Ideen das Überleben der Menschheit. Nur Propheten bebilderten die Moral durch ihre Schauspiele, nur Verrückte rieben solange Holzstäbe, bis Feuer entstand. Hat der Höhlenmensch ein Copyright auf Feuer ? Nein, es ist allgemeines kulturelles Erbe, so wie es mit allen Werken geschieht, die eine gewisse Zeit überdauert haben. Auch Shakespeare`s Erben hätten hier und jetzt nichts mehr davon. Und was wäre “Skyfalls” ohne Mephisto ? Allenfalls ein mieser Film, so aber ein Kunstwerk. Warum also bekommt der Künstler nicht bitte einen kleinen Vorschuss? Chef? Bitte! Einen ganz kleinen.
Zu was wird man getrieben?
Ich kenne einen Professor für Musik der seine noch minderjährigen Kinder bei der Gema angemeldet hat, wohl wissend das die Mitgliedszeit maßgeblich für die Entlohnung ist. Je länger dabei, desto mehr Geld. Ob die Kinderchen nun Musiker oder sogar Komponisten werden – wen kümmert`s. Doch Gema und VG Bild sind die erstmal wichtigen Institutionen, die unser finanzielles Überleben mit absichern können.
Andere Institutionen dienen nicht den Künstlern, schaffen aber dem Einzelnen eine gute Anstellung, lebt er doch von der Verwaltung der künstlerischen Beiträge besser als der Künstler daselbst. Soll er oder sie auch, aber hier ist ein Relativitätsprinzip außer Kraft gesetzt worden, Huhn oder Ei, wen schlag ich in die Pfanne?
Kommerzielle Archive nutzen unsere Rechte, schützen sie aber nicht. Die Fotografen, die für die Archive arbeiten, wissen, dass sie an dem Ast sägen, auf dem sie sitzen. Je mehr Bilder sie einpflegen, desto größer das Angebot. Und wie geht die 1. ökonomische Regel von Angebot und Nachfrage ? Na wisst Ihr es noch ? Tatsächlich, sie bestimmt den Preis. Die Archive geben uns viel Freiraum, keinen auftragsbedingten Stress und geldwerte Entlohnung nach gewisser Leistung. Aber sie entledigen uns auch einer Verantwortung, einer Redaktion, wir werden anonymisiert und verlieren Haftung im Sinne des Copyrights. Für das wir trotzdem gerade stehen müssen.
Unser aller Sein wird von den bildwichtigen Medien bestimmt, lasst uns das ausnutzen!
Dann treffen wir uns in der Karibik, da wo die Piraten nie hinkommen werden.
Max Schulz, Fotograf und Kritiker