Fritz Pleitgen war bis Ende 2011 zusammen mit Oliver Scheytt Geschäftsführer der RUHR.2010 GmbH. Zuvor hat er als Intendant und Korrespondent des WDR über viele Jahre Bilder selber produziert und über ihre Verwendung entschieden. Im Programm der Messe bild.sprachen wird Fritz Pleitgen über „Die Macht der Bilder“ sprechen. Für ruhr.speak beantwortet er vorab Fragen zu diesem und anderen Messe-Themen.
ruhr.speak: Wenn Sie zurückdenken an RUHR.2010: Welche Bilder haben die Kraft entwickelt, über das Kulturhauptstadt-Jahr hinaus das Image des Ruhrgebiets zu verändern und tatsächlich die Rede von der Metropole Ruhr zu begründen?
Fritz Pleitgen: Bild- und wirkmächtig waren die Eröffnung auf Zollverein, das Still-Leben auf der A40 und die gelben Ballone der Schachtzeichen. Wir hatten großes Glück, dass die Veranstaltungen zu solchen Erfolgen wurden. Wenn ich an das Schneetreiben während der Eröffnung denke! Aber gerade unter diesen schwierigen Bedingungen entstand ein unvergessliches Ereignis, das ein neues Bild vom Ruhrgebiet – von der Metropole Ruhr – vermittelt hat.
ruhr.speak: Bilder bezeugen scheinbar das Geschehen vor dem Kameraobjektiv. Wo liegt Ihrer Meinung und Erfahrung nach die Grenze, an der sich Dokumentation zur Inszenierung verändert?
Fritz Pleitgen: Es zählt der Augenblick und die Realität, die darin aufscheint. Journalist oder Fotograf zeichnen das auf, was sie sehen. Eine Grenze wird überschritten, wenn das Gezeigte den Zuschauer in die Irre führt. Ich fand es z. Bsp. immer legitim, Interview-Szenen zu stellen, d. h. die Situation mit dem Interviewpartner „zu inszenieren“. Einen Klavierspieler in einer bestimmten Pose an seinem Klavier zu zeigen, ist legitim und charakteristisch für diese Person.
ruhr.speak: Unser Projekt beschäftigt sich vorrangig mit aktueller Fotografie, öffnet sich aber entsprechend den Veränderungen der (Internet-)Medien für das bewegte Bild. Welchen Trend an der Schnittstelle zwischen Fotografie und Video/Film beobachten Sie mit Interesse?
Eigentlich ist dieses Verschwinden der Trennlinie zwischen des verschiedenen Bildformen und den damit verbundenen Berufen gar nicht so neu. Es gibt Situationen, in denen Autoren allein sind, z. B. in Kriegen, bei Katastrophen oder unter Zensurbedingungen. Dann sollten oder müssen sie in der Lage sein, selbst zu filmen oder zu fotografieren, um außergewöhnliche Augenblicke bildlich festzuhalten. Als Problem empfinde ich, dass damit auch eine Überforderung einher gehen kann. Man macht nicht nur alles selber, sondern auch in immer kürzerer Zeit. Vielleicht müssen in Zukunft Fotografen ja auch bewegte Bilder liefern können.
Ich finde auch Handyfilme von Amateuren in Nachrichtensendungen okay. Aufgabe der Profi-Journalisten ist es, ihre Aussagekraft und Authentizität zu prüfen. In jedem Fall sollen Bilder ihren Betrachter aufklären.
Interview: Melanie Kemner und Martina Kötters