Das Folkwang Museum zeigt den Fotothriller „Kairo. Offene Stadt“ über die Ägyptische Revolution
Die neue Leitung der Fotosammlung des Folkwang Museums will frische Akzente setzen: zumindest was die Präsentation der aktuellen Fotoausstellung „Kairo. Offene Stadt“ anbelangt, ist dies dem Team um Florian Ebner gelungen. Die Bilderschauen über die Tage und Monate der Ägyptischen Revolution werden auf verschiedene Weisen gezeigt: Auf Tischen, frei nach Wolfgang Tillmans „Truth Study Center Tables“, auf mächtigen Holzstellwänden (hoch wie die Mauern, die die Machthaber zwischen sich und der Bevölkerung geschafft haben) und auf den breiten und hohen Wänden des Museumssaales. Hinzu kommen noch zum Einsatz: kleine separate Boxen und Räume, in denen Videos oder Dia-Shows laufen, zusätzlich jede Menge Monitore, ein Video-Kubus sowie Beamer.
Überdies wird die Schau täglich aktualisiert: via Twitter und Meldungen sozialer Netzwerke. Sie ist in einzelne Kapitel und Stationen gegliedert, und wurde kuratiert von Persönlichkeiten der Kairoer Kunstszene, der Fotografie und des Journalismus.
Bei „Kairo. Offene Stadt“ handelt es sich weniger um eine museal traditionell „abgeschlossene“ Bilderschau: es ist vielmehr eine offene experimentelle Plattform, die während ihrer Dauer mit Informationen und Bildmaterial ständig ergänzt wird. Zumal das Ende der Revolution noch nicht in Sicht ist und ihr Ausgang offen bzw. stark gefährdet scheint. Der ägyptische Journalist und Reporter Jusri Foda hierzu: „Islamisten, Säkuläre, Militär – alle drei flirten mit dem Totalitarismus.“
Entscheidend fĂĽr die Entstehung und DurchfĂĽhrung der Revolution – der sogenannte „Arabische FrĂĽhling“ begann in Tunesien im Jahr 2010 – waren und sind das Foto-Handy und die Ăśbertragung der damit gemachten Bilder und Videos beispielsweise via Facebook – von Facebook-Revolution ist häufig die Rede, wenn es um die Ereignisse in Ă„gypten geht -, Flickr und Youtube.
Zum Sturz von Mubarak am 11. Februar 2011 hat der klassisch-professionelle Fotojournalismus eine weniger tragende Rolle eingenommen, in diesem Zusammenhang wird ein Bedeutungsverlust des professionellen Bildjournalismus festgestellt. Es war vor allem der „Bürgerjournalist“, der am 25. Januar 2011 die Massenproteste auf dem Tahrir-Platz in Kairo initiiert hatte.
„Kairo. Offene Stadt. Neue Bilder einer andauernden Revolution“ ist auf zweierlei Weise zu sehen: als politisch-soziale Umwälzung – ausgeführt und dokumentiert von AktivistenInnen, BürgerInnen, BloggerInnen, KünstlerInnen, KuratorInnen und BerufsfotografInnen – sowie die der Macht und Einflussnahme von digitalen Dateien und des Internets: durch Bilder und Mitteilungen, die über soziale Netzwerke in Jetztzeit und über die ganze Welt verbreitet werden und auch uns in Deutschland über Wochen in Atem gehalten haben.
„Offene Stadt“? Von der militärischen Bedeutung des Begriffs wird verwiesen „auf die Instrumentalisierung der Bilder im Kampf um die öffentliche Deutungshoheit des Geschehens“. Auch der Deutungshoheit westlicher Medien und ihrer Vertreter sollen die Besucher Skepsis und Zweifel entgegenbringen. Vergessen wir dennoch nicht, daß es nicht die Foto-Handys, das Internet oder die sozialen Netzwerke waren, die die Menschen auf die Straße gebracht haben: es waren ihr Mut, ihre Verzweiflung und die Zivilcourage, die den Wandel herbeigeführt haben.
Welches ResĂĽmee zieht der Besucher am Ende der Ausstellung? – Jeder muss fĂĽr sich selbst entscheiden, ob er ĂĽber ausreichend Mut, Solidariät und Zivilcourage verfĂĽgt, in vergleichbarer politischer Lage auf die StraĂźe zu gehen.
„Kairo. Offene Stadt.“ Die „Neuen Bilder einer andauernden Revolution“ sind bis zum 05. Mai zu sehen. Gefördert von der Kulturstiftung des Bundes und in Kooperationen mit dem Museum für Photographie, Braunschweig und dem Goethe-Institut. Ein Katalog ist im April erhältlich. Die Ausstellung zeigt auch Fotos aus den 50er und 60er Jahren des letzten Jahrhunderts. Einer jungen Frau gefällt, dass keine Kopfbedeckung oder verhüllende Kleidung der abgebildeten Ägypterinnen auszumachen ist. Und ein marokkanischer Besucher der Fotoschau bekennt: „Ich lebe seit 30 Jahren hier in Deutschland. Wie gut, dass ich, dass wir in einer Demokratie leben.“ Parallel zur Ausstellung gibt das Museum Folkwang anhand seiner Bestände einen Einblick in 3000 Jahre angewandte und bildende Kunst Ägyptens. In einem Raum des Objekt „Studios“ (Untergeschoss Altbau) spiegeln Skulpturen, Reliefs, koptische Stoffe und Fotografien der Jahrhundertwende die Gesellschaft des Landes im Wandel der Zeit wider.
Fotos & Text: Hartmut S. BĂĽhler