Endlich wird in Düsseldorf eine höchst wundersame Lücke geschlossen: trotz weltweitem Aufsehen erregender Labels wie ‘Becherklasse’ oder ‘Düsseldorfer Schule’ und einer sehr lebendigen Fotokunstszene gab es bis dato in der NRW-Landeshauptstadt keine institutionelle Fotografie-Sammlung von historischer Bedeutung. Nun ist der Zeitpunkt gekommen, der eine fundierte Auseinandersetzung zwischen Fotohistorie und lebendiger Gegenwartsfotografie ermöglicht.
Der Rat der Stadt Düsseldorf hat am 13. Dezember 2018 einstimmig beschlossen, die Bestandssammlung der Galerie Kicken für die städtische Sammlung des Kunstpalastes zu erwerben. Von den insgesamt 3.039 Fotografien werden 1.823 Fotos angekauft, zusätzlich schenkt Annette Kicken der Landeshauptstadt 1.216 Aufnahmen.
Mit diesen Fotografien wird der Kunstpalast zu einem wichtigen Foto-Standort in Deutschland. Als erstes Museum in Düsseldorf verfügt es somit über eine bedeutende Fotosammlung, welche die Fotogeschichte von 1840 bis 1990 mit herausragenden Werken abdeckt.
ruhrspeak-Autor Harmut Bühler hatte Gelegenheit, mit Kunstpalast-Generaldirektor Felix Krämer über den Erwerb der Fotosammlung Kicken, seine Liebe zur Fotografie und über Fotokunstdebatten zu sprechen. Wir veröffentlichen hier einen kleinen Auszug, das vollständige Interview steht auf
www.fotografie-buehler-duesseldorf.de

Felix Krämer, Generaldirektor Kunstpalast, Düsseldorf. Foto: Hartmut Bühler
Herr Krämer, was fliesst durch Ihre Adern: Ölfarben und Terpentin oder sind es Fotochemikalien – und wenn ja, zu wie viel Prozent sind es Fotochemikalien?
FK: Eine Präferenz gibt es nicht. Aber ich habe durch die Fotografie zur Kunst gefunden.
Geschah das durch angewandte Fotografie, künstlerische oder Kunstfotografie?
FK: Das trenne ich nicht. Das machen Sie bei einem Gemälde ja auch nicht. Das Entscheidende ist das Bild. Wenn es mich fesselt, wenn das Bild mir etwas von der Welt erzählt, wenn es etwas mit mir macht, mich verändert, dann ist da etwas, womit ich mich beschäftige. Dann ist es egal, ob das ein Foto, eine Radierung, eine Skulptur oder ein Druck ist. Wichtig ist die Hingabe und die Liebe zum Objekt – ich will da keine Hierarchien herstellen.
Was mir aber oft nicht gefällt bei Fotoausstellungen, ist die Lieblosigkeit der Hängungen, die mangelnde Wertschätzung gegenüber den Werken. Oft sind da zu viele Motive zu eng aneinander mit schlechter Beleuchtung. Oder ohne Passepartout und Rahmen. Im Schnitt wird eine Gemäldeausstellung mit mehr Wertschätzung und Aufwand gehängt.
Wenn Sie Henri Cartier-Bresson nehmen oder Felix H. Man, die klassische Reportagen gemacht haben – wenn der zeitliche Abstand groß geworden ist, dann entsteht aus der journalistischen Fotografie wie selbstverständlich künstlerische Fotografie.
Haben Sie sich mit Ihrem Bekenntnis, ‘die Fotografie entscheidet über die Zukunftsfähigkeit der Kunstmuseen’ – unbestritten ist sie das Medium, das eine große Zahl junger Besucher in die Häuser holt – auch Feinde gemacht? Und falls ja, wer sind diese?
FK: Ob alle meiner Kollegen meiner Meinung sind, weiss ich nicht. Allerdings habe ich auch keine konträren bzw. negativen Antworten erhalten: ich würde aber gerne darüber diskutieren.
Für mich stellt sich wirklich die Frage, wie will ich denn über Bildfindungen, über Bildprozesse, über Wahrnehmung im 21. Jahrhundert reden, wenn ich das wichtigste Bildmedium überhaupt nicht in meine Arbeit integriere. Ein Kunstmuseum ohne Fotografie – dem fehlt etwas.
Ich rede jetzt nicht über den Markt, sondern über die Rezeption. Es wird für die Zukunft eines Museums entscheidend sein, ob sie eine Fotosammlung hat oder nicht. Die Allgegenwärtigkeit der Fotografie ist so ungeheuer immens und prägt uns alle. Jeder zeitgenössische Maler hat schon hunderte, tausende Fotos gesehen. Das 19., 20. und unser jetziges Jahrhundert wäre nicht so verlaufen und denkbar, wenn es die Fotografie nicht gegeben hätte.
Es kommt ja immer noch vor, dass Leute von einem jungen Medium sprechen. Die Fotografie ist aber in den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts erfunden worden. Warum wird es immer noch als junges Medium bezeichnet? Und obwohl das Medium so präsent ist, wissen wir relativ wenig über die Anfänge und ihre Geschichte.
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Felix Krämer äußert sich u. a. zur Aufnahme der Sammlung Kicken in den Bestand des Kunstpalastes, zum Begriff “Kunstfotografie”, zum Wettbewerb mit Museen wie Folkwang in Essen und Ludwig in Köln, und zur Frage, ob es Pläne gibt, Fotos auf Tassen und ähnliche Mechandising-Produkte zu drucken.
Info zur Sammlung Kicken:
Die Fotosammlung deckt Fotogeschichte von 1840 bis 1990 mit herausragenden Werken ab.
Das Konvolut beinhaltet Originalabzüge (‘Vintage Prints’), von den Fotografen selbst angefertigte, autorisierte spätere Abzüge sowie Portfolios und Alben. Sammlungsschwerpunkte sind die Fotografie des 19. Jahrhunderts (540 Werke), der Bereich des Neuen Sehens und der Neuen Sachlichkeit (1.001 Werke), die Bauhaus-Fotografie (194 Werke), die Subjektive Fotografie (214 Werke) und die New Topographics-Autorenfotografie (342 Werke).
Darüber hinaus umfasst die Sammlung wesentliche Arbeiten aus der Frühzeit der Fotografie, des Piktorialismus sowie der Presse- und Modefotografie sowie Fotos aus der DDR.
Der Schwerpunkt des Konvoluts liegt auf Arbeiten von Fotografen aus Europa und den USA, welche in dem Entstehungszeitraum der Bilder die führenden Regionen für die Entwicklung des Mediums darstellen.
ab 8. März – 10. Juni 2019 im Kunstpalast:
Fotografinnen an der Front. Von Lee Miller bis Anja Niedringhaus
Entgegen der weitläufigen Vorstellung, die Kriegsfotografie sei ein von Männern dominiertes Berufsfeld, gibt es eine lange Tradition von in Kriegsgebieten tätigen Fotografinnen.
Die Ausstellung präsentiert rund 140 Arbeiten von acht Fotografinnen aus den letzten 80 Jahren.