Ich kann es nicht fassen: Das Jahr ist schon fast wieder halb rum und ab dem 21. Juni werden die Tage wieder kĂŒrzer. Dabei habe ich noch lĂ€ngst nicht geschafft, was ich alles gerne gemacht haben wollte. Zuviel Zeit ist fĂŒr AntrĂ€ge und Absicherung von Projekten oder auch fĂŒr Projektberichte und Abrechnungen drauf gegangen.
Alles muss doppelt und dreifach kontrolliert und bearbeitet werden. Die einen betrĂŒgen (auch im groĂen Stil), die anderen versuchen diesen Betrug und die Veruntreuung öffentlicher Gelder zu verhindern und die nĂ€chsten bauen FlughĂ€fen, Elbphilharmonien und Kampfdrohnen oder nennen sich Doktor.
Und wir, die ja einfach nur schöne und sinnvolle Kulturprojekte durchfĂŒhren wollen, mittendrin. Es geht nicht ohne Kontrolle, das ist klar, aber durch reine Kontrolle ist noch kein Stein ĂŒber den anderen gekommen, noch keine Ausstellung entstanden und kein Fotoprojekt.
Doch Pixelprojekt_Ruhrgebiet ist fĂŒr dieses Jahr im Rahmen der regionalen Kulturförderung gesichert und das schon zum 10. Male. Was 2003 als Experiment begann, ist nun fester Bestandteil der Ruhrgebiets- und Fotokultur. Skeptiker aus den eigenen Reihen (Fotografen) und auch aus benachbarten Reihen (Museen, Galerien und Institutionen) wissen inzwischen, dass das Projekt Hand und FuĂ hat, das Ruhrgebiet und dessen Entwicklung kritisch im Bild reflektiert und begleitet und zugleich Spiegelbild der jeweils aktuellen Fotografie ist.
RĂŒckfragen aus Oberbayern, dem Saarland, Ostwestfalen und Hamburg nach einer Adaption der Projektidee zeigen, dass die Idee gut ist. Die Kraft der Idee wird mit jeder aufgenommenen Serie gröĂer, das Spektrum facettenreicher.
Und doch gibt es inzwischen auch Wiederholungen, die die Gesamtsammlung verwĂ€ssern. Aber was soll man machen, wenn man in spĂ€teren Jahren zu gleichen Themen bessere Serien und dann womöglich noch bessere Serien eingereicht bekommt? Wir werden wohl oder ĂŒbel alle Serien kritisch zur Disposition stellen mĂŒssen, denn es geht nicht um quantitatives Wachstum.
Parallel mĂŒssen wir die Fotoserien aber auch in ihrem zeitlichen Kontext betrachten. In den 1920er Jahren hat man anders fotografiert als in den 1950er Jahren, in den 1980er Jahren anders als 2000 oder heute. Ich bin sehr froh, fĂŒr all diese Fragen eine Jury um mich zu haben, die sich mit aller Ernsthaftigkeit und Verantwortung diesen Fragen mit mir gemeinsam stellt und das zudem ehrenamtlich.
Am 26. April hatte die Jury 25 Fotoserien von 23 Fotografinnen und Fotografen ausgewĂ€hlt. Aktuell arbeiten wir bei den Serien nach. Bei einzelnen Serien bittet die Jury um KĂŒrzungen, teilweise sind die Titel unglĂŒcklich gewĂ€hlt, oftmals fehlen Hintergrundtexte, Jahres- und Ortsangaben und GröĂe der Fotos oder die Reihenfolge der Fotos ist unstimmig bzw. zufĂ€llig. Die Vita ist hin und wieder noch gar nicht eingetragen oder als Block mit âcopy and pasteâ eingestellt, das PortrĂ€t des Fotografen fehlt oder dessen Kontaktdaten sind unvollstĂ€ndig.
Also, obwohl sich die Website grundsĂ€tzlich von selbst generiert, ist eine redigierende Betreuung notwendig und sehr zeitaufwĂ€ndig. Parallel arbeiten wir am Katalog, tragen Pressefotos zusammen und bereiten die Ausstellung vor: wer liefert welche Fotos in welcher GröĂe, wie hoch ist die Versicherungssumme, wer hĂ€ngt wann die Fotos auf, wer redet zur Eröffnung (es wird Florian Ebner der neue Leiter der Fotografischen Sammlung des Museum Folkwang sein), wer macht Musik, wer serviert die GetrĂ€nke, wie bewerben wir die Ausstellung, wann geht der Pressetext raus, haben wir alle Pressefotos?
Doch ich will mich nicht beschweren. Dies ist Kreativarbeit, auch ohne dass ich selbst ein einziges Foto gemacht hÀtte.
Also bitte vormerken:
Pixelprojekt_Ruhrgebiet â Neuaufnahmen 2012/2013, 11. Juli, 18.30 Uhr, Wissenschaftspark Gelsenkirchen
Nun zu den Tipps:
Ab dem 7. Juni (bis 27. Juni) wird der World Press Award 2013 im Depot Dortmund gezeigt. Die Eröffnung ist am 6. Juni um 19 Uhr. Schön, dass es wieder klappt, diesen fĂŒr den Bildjournalismus wohl wichtigsten Preis erneut im Ruhrgebiet zu zeigen. Hoffen wir, dass dies zu einer fester Einrichtung im Fotokalender Ruhrgebiet wird.
Rund um das Siegerfoto von Paul Hansen, das durch digitale Nacharbeiten dramatisch âaufgehĂŒbschtâ wurde, gab es mannigfaltige Diskussionen. Wie viel digitale Manipulation ist erlaubt und wie Ă€sthetisch dĂŒrfen Fotos von Tragödien eigentlich sein? Ich erinnere mich an die Diskussionen, die wir an der Folkwangschule in den 1980 er Jahren rund um das Buch von Susan Meiselas zum Nicaraguakrieg und ihren farbig Ă€sthetischen Fotos gefĂŒhrt hatten. Eine Neuauflage dieser Diskussion tut not â immer wieder.
Und dann gibt es die Ausstellung zu Weegee , die noch bis zum 8. September in der Ludwig Galerie Oberhausen zu sehen ist. Der 1899 geborene und 1968 verstorbene amerikanische Fotograf Weegee (eigentlich Arthur Fellig) wurde durch seine nÀchtlichen Fotos von UnfÀllen, Morden und Brandkatastophen bekannt. Ausgestattet mit Polizeifunk war er oftmals noch vor der Polizei an den Tatorten.
Oder die Ausstellung von Anton Corbijn im Museum Bochum (noch bis zum 28. Juli). Parallel zeigt das Endstation Kino im Bahnhof Langendreer ab dem 5. Juni alle Filme von und ĂŒber Corbijn.
Und nicht zuletzt die Ausstellung von Pixelprojekt-Fotograf Leonard Freed im Museum Folkwang. Wir haben bereits berichtet.
Pixelprojektfotograf Knut Wolfgang Maron zeigt in seiner wohl kleinsten Galerie im Ruhrgebiet, der Zone e, noch bis zum 15. August die Ausstellung des New Yorker Fotografen Kenneth van Sickle.
Wir selbst zeigen noch bis zum 23. November in der bild.sprachen Stadtteilgalerie die Ausstellung âBest of Workshopsâ und in der Galerie Hundert die Ausstellung âMenschen im Ruhrgebietâ.
Interessant fĂŒr die Ruhrgebiets-Fotoszene ist sicher auch, dass es der fadbk Essen (Freie Akademie der bildenden KĂŒnste) nun endlich gelungen ist, einzelne StudiengĂ€nge offiziell akkredetiert zu bekommen. Unter dem Namen HBK Essen (Hochschule fĂŒr Bildende Kunst) wird am Oktober auch ein Bachelor-Studiengang Fotografie/Medien angeboten. Wer diesen Kurs leiten wird, ist offiziell noch nicht bekannt.
Interessant auch: Nachdem die Folkwangschule bereits 2011 eine eigene Fotozeitschrift (decamired) herausgegeben hat, zieht nun die FH Dortmund mit Cahiers nach. Ich bin gespannt.
Interessant ebenfalls: Mit KNSK hat sich nun erstmals eine der gröĂten bundesdeutschen Agenturen im Ruhrgebiet (Zollverein Halle 6) niedergelassen. Ob die lebhafte Fotoszene der Region dafĂŒr verantwortlich war, ist eher zu bezweifeln. GroĂkunden wie Evonik oder Borusssia Dortmund waren wohl eher ausschlaggebend.
Interessant vielleicht auch: das Berufsausbildungszentrum Lette-Verein in Berlin sucht eine/n neu.e/n Fachlehrer/in im Fach Digitale Medien.
Interessant sicher auch das DGPh Symposium âWas ist ein gutes Bildâ in Hannover am 14.6. Die Veranstaltung ist leider schon ausgebucht. Ich hatte bereits im Mai berichtet und hoffe, die eine oder den anderen von euch dort zu treffen.
Ab dem 22. Juni beginnt die Emscherkunst und Ai Weiweis Zelte sind ab dem 10. Juni zu buchen.
Und jetzt hoffen wir, dass der Sommer kommt, mit lauen SommernĂ€chten, kĂŒhlem Bier und grandiosen Parties. Eine machen wir selbst:
La Nuit de la Photographieâ am 14. September am Wissenschaftspark Gelsenkirchen
Infos folgen!
Peter Liedtke ist Projektleiter bild.sprachen und Initiator von Pixelprojekt_Ruhrgebiet. Er gibt fĂŒr ruhr.speak einmal im Monat persönliche Tipps zur Fotowelt (an der Schnittstelle zur UrbanitĂ€t) im Ruhrgebiet, aber auch anderswo.