Das Fotofestival in den drei Städten hat gerade Halbzeit – es dauert noch bis zum 10. November. Peter Liedtke war vor Ort, u. a. bei der DGPh-Mitgliederversammlung und der Preisvergabe des Dr. Erich Salomon-Preises an den Magnum-Fotografen Paolo Pellegrini. Er berichtet für ruhr.speak über seine Eindrücke.
Allen voran beeindruckte mich die Ausstellung in der Kunsthalle Mannheim „Uprooted – Exil“. „Das Land macht die Menschen zu dem, was sie sind. Da bin ich mir sicher. Wenn Sie es verlieren, verlieren sie ihre Sicherheit und ein kleines Stückchen ihrer Seele, die sie für den Rest ihres Lebens versuchen werden wiederzuerlangen“ schrieb der Magnum-Fotograf Larry Towell 2008.
Nachdem man einen Skulpturen-Parcour durchschritten hat, gelangt man in einen Raum mit einem Flüchtlingszelt und langen Regalbrettern mit auf Holzplatten montierten Kleinfotos (ca. 24/30 cm, mal ein wenig größer, mal kleiner – auch zum Anfassen), die das aktuelle weltweite Flüchtlingselend thematisieren.
Ja, dafür steht Magnum und es ist immer wieder gut, das vor Augen gehalten zu bekommen und natürlich daraus Konsequenzen für das eigene Handeln zu ziehen.
Gut (oder eher weniger gut), alles bekannt!In der oberen Etage begegnen wir dann den Flüchtlingsschicksalen nach dem 2. Weltkrieg – auch den eigenen deutschen. Zu schnell vergisst man, dass die eigenen Eltern und Großeltern ebenfalls Flüchtlinge waren und kriegsbedingt in größter Not und bitterer Armut gelebt haben. Die scheinbar so fernen Kontinente Afrika und Asien, das Schicksal der Flüchtlinge vor Lampedusa, rücken plötzlich ganz nah.
Ja, die Kraft der Bilder!
Phantastisch, dass Magnum hier nicht nur die aktuellen sondern auch historische (Kraft)Bilder besitzt. Beeindruckend fand ich die Arbeit von Herbert List zum Varga-Lager (einem Lager für Ostflüchtlinge nach Deutschland), die es in den Nachkriegsjahren schwer hatte, veröffentlicht zu werden. Schließlich galt Deutschland zu dieser Zeit als böse und nicht als mitleidsbedürftig.
Ein beeindruckendes Beispiel von der Funktion von Fotografie für die Meinungsbildung!
Klasse aber auch die Ausstellungen im Wilhelm-Hack-Museum „No Place like home – zuhause“ in Ludwigshafen mit u.a. einer wunderbaren, schrecklichen Arbeit von Jonas Bendiksen „The places we live“ zu Wohnsituationen in Elendsvierteln in Indien, Indonesien, Kenia und Venezuela. Diese Multimediaanwendung war genauso Teil der Ausstellung wie z.B. die Ton Bild-Schau von Harry Gruyaert oder Klassikern von Thomas Hoepker zur ehemaligen DDR oder Porträts von Elliot Erwit zur weißen amerikanischen Mittelschicht der 1950er und 1960er Jahre.
Im Zephyr – Raum für Fotografie gab es neue Arbeiten unter dem Titel „Deutschlandreise“ u.a. von Pellegrin, die extra für das Festival entstanden sind. Neu entstanden sind auch die Arbeiten von Alessandra Sanguinetti und Donovan Wylle zum Thema Abzug der amerikanischen Besatzungstruppen aus der Rhein-Neckar-Region nach 65 Jahren.
Die Ausstellung „Insight out – Konversion“ ist in der Stadtgalerie Mannheim zu sehen.
Die Ausstellungen im Kunstverein Ludwigshafen, sowie im Heidelberger Kunstverein, in der Sammlung Prinzhorn und in der Halle 02 habe ich leider nicht mehr sehen können, aber dafür die Ergebnisse der Portfolio-Sichtung als Kleinausstellung im Einraumhaus in Mannheim sowie die Ausstellung von Robert Häusser im REM Reiss-Engelholm Museum in Mannheim, mit phantastischen Bildern aus Auftragsarbeiten und mit katastrophalen Prints des in diesem Jahr verstorbenen Altmeisters.
Da sollten die Museen doch deutlicher auf ihre Vorbildfunktionen achten!
Die Häusser Ausstellung ist nicht Teil des Festivals. Tja, alle Häuser machen dann wohl doch nicht mit beim Festival. Schade!
Fazit: Das Konzept, ein ganzes Festival in die Hände einer (kommerziellen) Fotoagentur zu geben, erscheint mir eher bedenklich und populistisch – denn so ist man werbewirksam zum Erfolg verdonnert. Trotzdem sind die Ausstellungen, die ich gesehen habe, einen Besuch wert.
Magnum ist eben mehr als Magazinjournalismus.
Text: Peter Liedtke