Im MĂ€rz ging noch ein Aufschrei durch die NRW Kulturszene wegen der geplanten KĂŒrzungen im Kulturbereich. Nachdem 7.843 KĂŒnstler und Kulturliebhaber gegen die geplanten KĂŒrzungen im Kulturbereich im NRW Haushaltsentwurf 2013 mit ihrer Unterschrift protestiert hatten, hat die rot-grĂŒne Landesregierung einige KĂŒrzungen zurĂŒckgenommen und parallel die Gesamtneuverschuldung des Landes um weitere 107,8 Millionen Euro gesenkt. NutznieĂer unter anderen sind die regionale Kulturförderung und die Erinnerungskultur. Möglich wurde dies u.a. durch die Senkung der Steinkohle-Subventionen und durch Absenkung von Zinsausgaben. Man sieht es lohnt sich zu kĂ€mpfen!
Dennoch sind wir uns sicher alle darĂŒber im Klaren, dass die Kultur in unserem Lande katastrophal unterfinanziert ist und an vielen Stellen nur ĂŒber bĂŒrgerschaftliches Engagement und Selbstausbeutung funktioniert. Und auch ich sitze hier an einem sonnigen Ostermontag an meinen Tipps, ohne einen Cent dafĂŒr zu erhalten, genauso wie andere fotografieren, Ausstellungen planen, Musik und Theater proben, malen, bildhauern oder dichten. Aber wir machen selbstbestimmte Arbeit, von der wir ĂŒberzeugt sind. Dabei unterscheide ich sehr genau zwischen Selbstverwirklichung und gesellschaftlicher Relevanz, Schöngeisterei und kritischer Reflektion, Freizeit und Arbeit.
FĂŒr mich ist Kunst Einflussnahme auf gesellschaftliche Entwicklungen, kritische Beobachtung und Suche nach Visionen. Gerade Fotografie nimmt Bezug auf die reale Welt und zeigt sie uns mit den Augen der Fotografinnen und Fotografen, lĂ€sst uns in fremde Milieus eindringen und sehen, was wir sonst nie hĂ€tten sehen können. Woher nehmen die Politiker ihre Ideen und Vorstellungen fĂŒr die VerĂ€nderung der Gesellschaft , fĂŒr ihre Sicht auf Probleme und MissstĂ€nde? Doch aus persönlichen Erfahrungen und auch aus den Erfahrungen anderer. Erfahrungen, wie sie z. Bsp. Journalisten, Filmmacher und Fotografen durch ihre Arbeit vermittelt.
Relevante Kultur stÀrken
Damit die Gesellschaft als Ganzes Vorstellungen und Visionen von der Zukunft entwickeln kann, muss Kultur oder genauer eine bestimmte Kultur, nÀmlich die mit Relevanz, gestÀrkt werden. Genau hier hat Politik die Verantwortung, den Berufszweig, der quer zu den sonstigen Gesetzen des Marktes arbeitet, Schutz zu gewÀhren und seine Entwicklung zu fördern.
Wir können nur appellieren und kaum wirklich kĂ€mpfen. Wir können uns nicht selbst bestreiken! Und wenn KĂŒnstler und Kreative nur noch das machen wĂŒrden, wofĂŒr sie auch ordentlich bezahlt werden, wĂ€re das, was ĂŒbrig bliebe, banal und trivial, das Denken mathematisch und das Handeln ökonomisch.
Aber macht eine solche Haltung das Leben und die Zukunft aus?
Meines Erachtens sind wir nun am Zug, Forderungen zu formulieren, die die Gestaltungskraft der Kunst weiter zur Entfaltung bringen, die die Welt verschönern und das Leben lebenswert machen, die Visionen erzeugen und MissstÀnde sichtbar machen. Wenn uns das nicht gelingt, ist der nÀchste Sparbeschluss vorprogrammiert. Und das Schlimme ist nicht, dass wir Kreativen darunter leiden, sondern die Gesellschaft.
Nun zu den Tipps:
Ganz sicher und vorne weg: die Ausstellung âKairo â Offene Stadtâ im Museum Folkwang – Hartmut BĂŒhler hat im Blog darĂŒber berichtet. Eine Ausstellung, die nicht nur formal ĂŒberzeugt, sondern auch im oben beschriebenen Sinne relevant ist, die die neue Kraft von Bildern via Facebook und You Tube diskutiert und das VerhĂ€ltnis von professioneller Fotografie zu Amateurfotografie beleuchtet.
Die eindrucksvollsten Bilder vom Tahir Platz sind immer noch die Amteurvideos, die wehrlose Menschen zeigen, die vor den Augen der Weltöffentlichkeit – allgegenwĂ€rtig sind Smartphones und Internet – zu Tode geprĂŒgelt wurden. Das Bild der Frau mit dem himmelblauem BH, auf deren nackten Bauch die Soldaten eintraten, hat sich in das kollektive GedĂ€chtnis der grauenhaftesten Taten eingeprĂ€gt, zu denen Menschen fĂ€hig sind. Und es hat zu weltweiten Protesten gefĂŒhrt sowie den âArabischen FrĂŒhlingâ, die Revolution der WĂŒtenden, beflĂŒgelt.
EindrĂŒcklich im GedĂ€chtnis bleibt der Zusammenhang zwischen Bildern, Handeln und VerĂ€nderung! PhĂ€nomenal der Ort, an dem Menschen mit dieser Geschichte konfrontiert werden, auch wenn sie ânurâ wegen der Engel von Paul Klee ins Museum Folkwang gekommen sind.
Spannend sicher auch die Ausstellung der Emschergenossenschaft mit Fotoarbeiten von Dieter Blase âMenschen-Orteâ, die Unternehmenskommunikation im besten Sinne zeigt. Die Ausstellung, die bis zum 22. Juni im Wissenschaftspark Gelsenkirchen zu sehen ist, wird am 9. April um 15 Uhr eröffnet. Christoph Schaden wird in die Arbeit einfĂŒhren und bild.sprachen tritt als Kooperationspartner auf.
AnlĂ€sslich des 90. Geburtstages von Rudolf Holtappel zeigt Gisela Keyser vom Freundeskreis Willy-Brandt-Haus in Berlin eine Ăbersicht ĂŒber das Werk des Oberhausener Pixelprojekt-Fotografen vom 10. bis zum 24. April. Eröffnung ist am 9. April um 19.30 Uhr. Gisela Keyser zeigt seit Jahren aktuelle und relevante Fotografie in der Parteizentrale der SPD. WĂŒrde anderen Parteien sicher auch gut stehen!
Erstaunlich fĂŒr die eine oder den anderen, dass man nicht nach Berlin ziehen muss, um in der Bundeshauptstadt gezeigt und diskutiert zu werden.
Vom 20. April bis 30. Juni werden die Arbeiten der Pixelprojekt-Fotografin Brigitte Kraemer im LWL Museum Zeche Hannover zu sehen sein. Eröffnung ist am 19. April um 19 Uhr. Ich fĂŒhre ein in die Arbeit von Brigitte ĂŒber die religiöse Vielfalt im Ruhrgebiet mit Buddhisten in Bochum, Hindus in Hamm, Orthodoxe in Oberhausen, Christen in Essen, Juden in Duisburg.
Noch bis 12. Mai ist die Fotoausstellung âDas Nahe und das Ferne â Fotografie und Raumâ im KĂŒnstlerhaus Dortmund zu sehen. Mit dabei: Pixelprojekt-Fotograf Arno Schidlowski.
Wichtig fĂŒr die Region ist sicherlich die von Ulrike Stottrop konzeptionierte Ausstellung âKohle.Globalâ, die am 14. April um 11 Uhr im Ruhr Museum Essen eröffnet wird und dann noch bis zum 24. November zu sehen sein wird. Das Ruhr Museum verspricht hier keinen rĂŒckwĂ€rts gewandten oder romantisierenden Blick auf die Energiequelle Kohle, sondern nimmt die weltweiten Entwicklungen dieser nach wie vor wichtigsten Quelle der Stromerzeugung in den Fokus. 50 Prozent des international produzierten Stroms wird aktuell aus Kohle gewonnen und noch nie wurde so viel Kohle abgebaut wie heute .
Pixelprojekt-Fotograf Jens Sundheim zeigt vom 13. April bis 2. Juni seine Arbeiten âVom Zustand der Menschen und dem Leben auf dem Marsâ im Dortmunder Museum fĂŒr Kunst und Kulturgeschichte. Eröffnung ist 12. April, 19 Uhr.
Pixelprojekt-Fotograf Henning Christoph wird am 13. April um 16 Uhr anhand in Ausstellung âVon A-Zâ im Ruhrmuseum Essen Bilder aus seiner Berufspraxis und aus neuen Projekten berichten. Eine Anmeldung beim Ruhr Museum ist notwendig.
Am 12. April um 19.30 Uhr wird die Ausstellung “Landschaft” u.a. mit Arbeiten der Pixelprojekt-Fotografin Britta Lauer in der StĂ€dtischen Galerie im Kunsthaus Troisdorf eröffnet. Die Ausstellung endet am 26. Mai mit einer Finissage um 11 Uhr.
Die Deutsche Fotografische Akademie macht am 27. und 28. April in Leinfelden-Echterdingen verschiedene BildprÀsentationen und VortrÀge von Mitgliedern und GÀsten.
Am 12. April um 17 Uhr prĂ€sentiert der Otto-Steinert PreistrĂ€ger Axel Hoedt sein neues Buch âEinmal im Jahrâ im Museum Folkwang.
Am 19. April findet in der Stroetmanns Fabrik in Emsdetten von 10-17 Uhr die zweite Kulturkonferenz Westfalen statt. Der LWL Landschaftsverband Westfalen-Lippe lĂ€dt KĂŒnstler, Kulturschaffende, politische Entscheider, Kulturförderer und Kulturinteressierte ein, um an einem Tag gemeinsam ĂŒber zukĂŒnftige Kulturprojekte fĂŒr Westfalen und die dazugehörigen Strukturen nachzudenken.
Eines der Projekte, um die es am Nachmittag gehen, soll trĂ€gt den Titel: âStarke Bilderâ – gemeint ist die Fotografie. Ob es darin aber um Selbstreflexion, kritischen Dialog oder doch nur banale Stimmungsbilder gehen soll, wurde bei einem GesprĂ€ch mit vielen Akteuren im Nachgang zur ersten Visionskonferenz in Hamm noch sehr unterschiedlich betrachtet.
Anmeldungen fĂŒr die Konferenz sind bis zum 12. April unter: kultur-in-westfalen@lwl.org möglich. Bei âStarke Bilderâ sollen auch erste konkrete Projektideen wie z.B. âPixelprojekt-Westfalenâ vorgestellt und diskutiert werden.
Am 24. April um 19 Uhr findet im Dortmunder U die zweite Vortrags- und Diskussionsveranstaltung unter dem Titel âRUHRBANITĂTâ statt. Thema dieses Mal: Kultur und Ăkonomie. WĂ€hrend im Kulturhauptstadtjahr noch der Hype der âKreativen Klasseâ auch im Ruhrgebiet angekommen war, mehren sich nun auch die kritischen Stimmen. Doch wovon soll die Region leben, wenn Kohle nicht mehr gefördert und Stahl mal wieder in der Krise ist, Opel in Bochum die Werkstore schlieĂt und der Gedanke, dass wir uns auch alle gegenseitig die Haare schneiden können, um zu ĂŒberleben, auch dem Letzten als Irrglaube bewusst wird.
Und auch wenn es noch ein wenig weit hin ist, möchte ich doch schon jetzt auf das Symposium âWas ist ein gutes Bildâ der DGPh (Sektion Wissenschaft & Technik) hinweisen, das am 14. Juni an der Hochschule Hannover stattfindet. Ob man nach dem Symposiums aber die Frage beantworten kann, wage ich zu bezweifeln. Aber durch eine AnnĂ€herung von verschiedenen Richtungen kommt man den Antworten sicher nĂ€her.
Galeriemeile Gelsenkirchen macht die âTĂŒr aufâ
Schon jetzt wollen wir auf das âTĂŒr Aufâ-Wochenende der Galeriemeile Gelsenkirchen am 4. und 5. Mai hinweisen. Bild.sprachen wird am 4. Mai um 18 Uhr die Ausstellung âBest of Workshopâ eröffnen. Wir zeigen die besten Arbeiten, die in nun mehr als 24 Workshops mit der Fotografin Christina Hantzsch im Stadtgebiet Gelsenkirchen SĂŒdost (Ăckendorf, Neustadt und Bulmke-HĂŒllen) entstanden sind.
Die Galerie Hundert zeigt ab diesem Wochenende âMenschen im Ruhrgebietâ mit Arbeiten der Pixelprojektfotografen Maurice Kohl, Brigitte Kraemer, Horst Lang und Georg Schreiber. Pixelprojektfotograf Pedro Malinowski installiert in der Bochumer Str. 91 am Wochenende ein temporĂ€res Fotostudio fĂŒr SelbstportrĂ€ts und im Wissenschaftspark ist die Fotoausstellung von Dieter Blase zu sehen (siehe
oben).
“TĂŒr auf” findet Samstag von 15-20 Uhr und Sonntag von 12 bis 18 Uhr statt.
Kommen Sie vorbei â wir freuen uns!
Peter Liedtke ist Projektleiter bild.sprachen und Initiator von Pixelprojekt_Ruhrgebiet. Er gibt fĂŒr ruhr.speak einmal im Monat persönliche Tipps zur Fotowelt (an der Schnittstelle zur UrbanitĂ€t) im Ruhrgebiet, aber auch anderswo.