Die NRW-Landesregierung will 2013 den Kulturhaushalt um 16 Millionen kĂŒrzen. Diese 16 Millionen setzen sich aus verschiedenen Posten zusammen. Einer davon ist die regionale Kulturförderung, der eine KĂŒrzung in Höhe von 610.000 Euro droht. Mit der regionalen Kulturförderung werden vor allem regionale und freie Projekte gefördert z.B. das Blicke Festival in Bochum, jazzwerkruhr, LiteraTĂŒrk, Odyssee und auch Pixelprojekt_Ruhrgebiet.
Aber auch der Förderpreis junger KĂŒnstlerInnen, die Kultursekretariate, Jeki, Filmfestivals und FilmwerkstĂ€tten, kommunale Theaterförderung und und und … Unter RĂŒttgers wurde die regionale Kulturförderung noch erhöht, auch ohne wirklich ausreichend ausgestattet zu sein.
Man möge bedenken, dass der Kulturetat insgesamt lediglich nur 0,33 Prozent des Gesamtetats im Haushalt NRW ausmacht. So viel zur Bedeutung von Kultur in unserem Lande!
Akzente setzen!
Eine Erhöhung hĂ€tte ich erwartet â gerade jetzt, wo rot-grĂŒn eine deutliche Regierungsmehrheit besitzt. Da hĂ€tte man Akzente setzen können! Wie kann man nur Bildung fordern und gleichzeitig Kultur kĂŒrzen? Nicht, dass ich nicht auch eine Grundversorgung von sauberem Wasser, sauberer Energie, ausreichend Nahrung und Wohnraum als Grundbedingungen eines menschlichen Lebens fordern wĂŒrde. Das haben wir â grundsĂ€tzlich. Aber was kommt dann? Was macht Menschsein aus? 0,33 Prozent????? Welche Werte werden uns und unseren Kindern damit vermittelt?
Einnahmen erhöhen!
Und wie sollen wir so fĂŒr einen Politikwechsel bei den anstehenden Bundestagswahlen 2013 werben? Es nicht richtig, sinnvolle Ausgaben zu kĂŒrzen; vielmehr mĂŒssen Einnahmen erhöht werden, z.B. bei der Kapitalertragssteuer, die in Deutschland gerade Mal bei 25 Prozent liegt. Arbeitnehmer und auch Freiberufler wie z.B. Fotografen zahlen schon bei einem Einkommen von 16.000 Euro den gleichen Steuersatz.
Wer mit viel Fleià und vielleicht auch Talent 54.000 Euro und mehr verdient, zahlt dann aber schon 42 Prozent. Menschen die Kapitalgewinne in Millionenhöhe erzielen, zahlen jedoch unabhÀngig von der Höhe ihrer Einnahmen (und auch unabhÀngig von Fleià und Talent) diese 25 Prozent.
Oder einfach ausgedrĂŒckt: die, die arbeiten, zahlen deutlich mehr, als die, die ihren oftmals ererbten und nicht erarbeiteten Besitz clever verwalten (lassen). Hier geht es jetzt nicht um Neid, hier geht es um Gerechtigkeit!
Noch haben die Abgeordneten dem Haushalt nicht zugestimmt. Noch ist Zeit zur Korrektur. Und noch ist Zeit, Visionen zu entwickeln und auch umzusetzen.
Hier kann man einen Aufruf des Kulturrat NRW gegen die geplanten KĂŒrzungen mitunterzeichnen: www.kulturrat-gegen-kuerzungen.de
Förderprogramme fĂŒr Journalismus!
Meine Vision wĂ€ren z.B. neue Förderprogramme fĂŒr unabhĂ€ngigen Journalismus und Bildjournalismus. Ăber Jahrzehnte hat der Pressebereich als Vierte Gewalt im Staate im Printbereich privatwirtschaftlich funktioniert. Magazine wie der Stern, die Magazine der FAZ und der SĂŒddeutschen und viele andere hatten lange umfangreich Fotografen beauftragt, Geschichten zur aktuellen Situation unserer Gesellschaft und auch in Gesellschaften um uns herum zu erzĂ€hlen, damit wir uns ein eigenes Bild der Welt machen können. Fotografen hatten zum Teil wochen- und hin und wieder monatelang Zeit, um in die Tiefen zu dringen. Diese Bildgeschichten hatten eine enorme Bedeutung fĂŒr die Information und Meinungsbildung unserer Gesellschaft.
Heute schlieĂt ein Magazin und eine Tageszeitung nach der anderen. JĂŒngste Beispiele sind die Financial Times Deutschland und zuletzt die WestfĂ€lische Rundschau. Wie lange sich die Frankfurter Rundschau noch halten kann, ist ungewiss. Auf der Bildebene zwar alles keine groĂen Verluste, auf der Ebene der Meinungsvielfalt aber schon. Hier geht es um den schlagartigen Verlust vieler organisierter ArbeitsplĂ€tze. Deshalb ist der Aufschrei so groĂ.
Im Bereich des Bildjournalismus lĂ€uft dieser schleichende Prozess von der Ăffentlichkeit kaum wahrgenommen mittlerweile schon seit Jahrzehnten. Bildjournalisten sind in der Regel Freiberufler und EinzelkĂ€mpfer. Der Kampf um das tĂ€gliche Ăberleben nimmt ihnen die Kraft, fĂŒr die Bedeutung ihrer Arbeit zu streiten und Visionen fĂŒr Zukunftsmodelle der Wissensgesellschaft zu entwickeln.
FĂŒr Hörfunk und Film hat der Staat Verantwortung ĂŒbernommen und ĂŒberlĂ€sst hier das Feld nicht den Privaten. Und das ist auch gut so. Eine Verantwortung fĂŒr Bildjournalismus tĂ€te Not â schon lange.
Also mein Tipp fĂŒr den Februar: politisch werden â und es auch bleiben. Schreibt den Abgeordneten im Landtag. Mischt euch ein in Diskussionen. KĂ€mpft! Nicht nur fĂŒr euch, sondern auch fĂŒr die vierte Macht im Staate, die nicht verloren werden darf!
Nun zu den kulturellen Tipps:
Am 14. Februar um 18:30 Uhr eröffnen wir (bild.sprachen) im Wissenschaftspark Gelsenkirchen die Ausstellung: EuropĂ€ischer Architekturfotografie-Preis architekturbild 2009 + 2011. Wilfried Dechau (Vorsitzender des Vereins architekturbild) erzĂ€hlt zur Eröffnung von der Idee und Bedeutung des Preises und Dr. Ursula Kleefisch-Jobst, leitende Kuratorin des M:AI Museum fĂŒr Architektur und Ingenieurkunst) von den ZusammenhĂ€ngen zur Baukultur. In 57 Bildserien, die jeweils aus vier Fotografien bestehen, antworten Fotografen auf das jeweilige Thema. 2009 hieĂ das Thema âNeue Heimatâ 2011 âDazwischenâ. So wundert es kaum, dass man auch digitale Montagen des Hamsterrades (Stephan Sahm) oder ausgestopfte Tiere in neuer Heimat (Timothy Griffith) entdecken kann.
Bereits am 7. Februar eröffnet Thomas Bocian um 18 Uhr seine Ausstellung âHotel Edenâ im Landgericht Bochum. Eine Auswahl aus diesem Werk hatten wir im vergangenen Jahr in das Pixelprojekt_Ruhrgebiet aufgenommen. Bocian, der Detailaufnahmen aus einzelnen RĂ€umen mit Fotos kombiniert, die wie von der Decke fotografiert aussehen, gibt damit diesem fĂŒr Bochum bedeutsamen Ort mitten im Viktoria.Quartier ein beeindruckendes kĂŒnstlerisches Dokument.
Am 13. Februar (Aschermittwoch) findet in der KĂŒnstlerzeche Unser Fritz das legendĂ€re Heringsessen (seit 1978) statt. Hier geht es natĂŒrlich nicht um die Heringe sondern um das Treffen kĂŒnstlerisch Aktiver und ihrer Förderer in Herne und Umgebung. Die KĂŒnstlerzeche ist wahrscheinlich die erste Zeche die einem KĂŒnstler (hier dem B1 KĂŒnstler Helmut Bettenhausen) ab 1964 als Atelier diente. SpĂ€ter kamen GĂŒnter Dworak und auch die Fotografen Winni Labus, Werner Köntopp und Peter Buchwald (alle Fotografen im Pixelprojekt_Ruhrgebiet) dazu. Aktuell haben 11 KĂŒnstler ihr Atelier auf der Zeche.
Zur Info: Die KĂŒnstlergruppe B1 ist 1969 entstanden mit dem Ziel, die Autobahn B1 als zentrale Verkehrsachse im Ruhrgebiet zu verĂ€ndern und ihr Umfeld aufzuwerten. Aus der Autobahn sollte eine Route der Kunst werden.
Am 28. Februar findet schlieĂlich um 18 Uhr der Urbane KĂŒnste Ruhr Salon 02 im Bahnhofscenter Gelsenkirchen statt. Das aktuelle Thema ist âNetzwerke.â
Neu auf dem Markt gibt es nun auch ein Buch von Pixelprojekt Fotograf Thomas Pflaum und Gerd LĂŒbbering mit dem Titel âDampfzeit â Als die Loks noch rauchtenâ mit Fotoarbeiten aus der Zeit von 1970-1977. Das Buch mit 144 Seiten und 75 im Duotone Verfahren gedruckten Bildern kostet 29,90 ⏠und ist auch im Pixelprojekt bookshop erhĂ€ltlich. Â
Berlin, Berlin – es lohnt sich!
Wer nach Berlin kommt, sollte unbedingt die Ausstellungen von Margaret Bourke-White âFotografien 1930 1945â und Michael Schmidt âLebensmittelâ besuchen. Margarete Bourke-White MitbegrĂŒnderin des Life-Magazins, die ihre Fotokarriere mit Bildern aus Industrieanlagen (insbesondere Stahlfabriken) in Amerika begann, wurde bald eine der wichtigsten Kriegsberichterstatterinnen der US Armee. Beeindruckend und bedrĂŒckend sind ihre Bilder von der Befreiung des Konzentrationslagers Buchenwald, die schon allein einen Besuch lohnen â wenn man das so sagen darf.
Die 130 s/w- und Farbaufnahmen von Michael Schmidt sprechen eine ganz andere Sprache. Nach fĂŒnf Jahren Planung und Realisierung wird dieses groĂe Projekt zur Verarbeitung von Lebensmitteln in Europa erstmals ausgestellt. In spröder Sachlichkeit und AntiĂ€sthetik zeigt er Momente der Lebensmittelproduktion und Verarbeitung, die uns den Genuss vergehen lassen, ohne plump anklagend zu wirken. Nachdem die Ausstellung mit einem groĂen Raum mit nur fĂŒnf Fotografien beginnt, endet die Ausstellung mit einem riesigen Tableau der immer wiederkehrenden Momente rund um Fleisch, Fisch, Ei, GemĂŒse, Wurst und Agrartechnik.
Lohnend auch der Besuch der Ausstellung in der von Köln nach Berlin umgezogenen Alfred Erhardt-Stiftung. Noch bis zum 17. MÀrz sind 60 Aufnahmen von Arvid Gutschow und an einer Wand mit ihm kombiniert zehn Fotoarbeiten von Alfred Erhardt zu sehen. Obwohl hier sehr Àhnliche Sujets zu sehen sind, die auch in Àhnlicher Bildsprache fotografiert wurden, kann man doch in einer Schule des Sehens die deutlichen Unterschiede zwischen diesen beiden Meistern lesen.
GegenĂŒber und ebenfalls in der Berliner Galeriemeile AuguststraĂe hat nun schon fast seit einem Jahr in der ehemaligen JĂŒdischen MĂ€dchenschule Camera Work eine neue Galerie mit dem Namen CWC Camera Work Contemporary eröffnet, die das schon eher klassische Programm der Galerie in der KantstraĂe sinnvoll ergĂ€nzt. CWC zeigt die erotische und an vielen Stellen orgiastische Bildserie âThe Story of Olgaâ der Fotografin Ellen von Unwerth, die unweigerlich an die Maskenball Passagen aus âEyes Wide Shutâ des Kultregisseurs Stanley Kubrick erinnert.
Olga ist in ihrem tatsĂ€chlichen Leben die russische MilliardĂ€rsgattin Olga Rodionowa. Ihr Mann Sergej bezahlte schon die berĂŒhmtesten Fotografen der Welt (z.B. Helmut Newton, David LaChapelle, Peter Lindbergh, Terry Richardson, Sante D’Orazio und Bettina Rheims) um seine Frau spĂ€rlich oder gar nicht bekleidet ablichten zu lassen. Auch wenn die Fotoarbeiten selbst schon faszinierend sind, die Story dahinter ist es fast noch mehr. Eine grandiose Arbeit der 1954 in Frankfurt am Main geborenen Fotografin.
Und es lohnt auch ein Besuch in St. Agnes in Kreuzberg. Diese 1964-67 von Werner DĂŒttmann im Stile des Brutalismus errichtete Kirche, in der noch vor wenigen Tagen die BundesgrĂŒnen zu ihrem Kulturempfang geladen hatten, soll Ausstellungshalle der Galerie Johann König werden. Ein mutiges privates Projekt zwischen einfachen Wohnkomplexen. Erstes Ausstellungsprojekt ist Rem Koolhaas’ Arbeit âPublic Worksâ, die er zur Architektur-Biennale in Venedig schuf.
Exklusiv: Der Gastro-Tipp
Und wer in Berlin ist, sollte den Abend unbedingt mit einem Besuch im Restaurant Renger-Patzsch in Schöneberg beenden. Das Restaurant ist Projekt des Berliner Gastronomen und Alfred Schupp Enkels Oliver Schupp. Alfred Schupp hat nicht nur die Bauten der Zeche Zollverein oder Nordstern entworfen hat, sondern auch die Arbeiten von Albert Renger-Patsch gesammelt und schlieĂlich an Oliver Schupp vererbt hat. In schlichtem und gemĂŒtlichem Ambiente wird hervorragende ambitionierte KĂŒche von charmanten ServicekrĂ€ften serviert. Und an den WĂ€nden hĂ€ngen (leider schlechte) Drucke der schönen Fotografien. Gerne hĂ€tte ich auch Aufnahmen aus dem Ruhrgebiet gesehen.
Also auch ein Besuch in Berlin kann lohnen.
Es bleibt viel zu entdecken!
Peter
Peter Liedtke ist Projektleiter bild.sprachen und Initiator von Pixelprojekt_Ruhrgebiet. Er gibt fĂŒr ruhr.speak einmal im Monat persönliche Tipps zur Fotowelt (an der Schnittstelle zur UrbanitĂ€t) im Ruhrgebiet, aber auch anderswo.