Der wichtigste Tipp für den Juli ist sicherlich die Eröffnung der Ausstellung mit den Neuaufnahmen 2013 ins Pixelprojekt_Ruhrgebiet am Donnerstag, 11. Juli, um 18.30 Uhr im Wissenschaftspark Gelsenkirchen. Das ist die zehnte Eröffnung und ein guter Anlass, im Anschluss ein wenig zu feiern! Gut informierte Kreise streuen die Nachricht, dass es eine Geburtstagstorte geben soll. Also nicht verpassen!
Bei der Eröffnung wird Florian Ebner sprechen, neuer Leiter der Fotografischen Sammlung des Museum Folkwang. Sein Thema: „Über die Möglichkeit, mit Fotografie Zukunftsperspektiven im Ruhrgebiet sichtbar zu machen“. Im Anschluss diskutieren Florian Ebner, Reinhard Krämer, Kultusministerium NRW, Klaus Hermandung, Gelsenkirchener Bürgermeister und ich selbst. Silke Wilts wird das Gespräch moderieren.
Die Ausstellung der Neuaufnahmen 2013 ist noch bis zum 31. August zu sehen.
Hinweisen möchte ich auch auf unsere erste „Nuit de la Photographie“ im Aussengelände des Wissenschaftspark Gelsenkirchen am 14. September nach Einbruch der Dunkelheit. Hier werden wir unter dem Motto „Wir träumen von …“ Fotoserien mit Klängen kombinieren und groß auf eine Wand projizieren. Ab sofort suchen wir Fotoserien von „Träumen jeder Art“. Wer sich also beteiligen möchte ist herzlich dazu eingeladen.
Wir träumen schon mal los und stellen uns einen unvergesslichen lauen Sommerabend vor!
Gerade komme ich zurück aus dem Quadrat Bottrop, wo heute (29. Juni) die Ausstellung „The Place We Live – Retrospektive des fotografischen Werks“ von Robert Adams mit mehr als 300 Vintage-Prints eröffnet wurde. Die Ausstellung ist noch bis zum 29. September zu sehen und ist ein Foto-Muss im Ruhrgebiet. Viele Kolleginnen und Kollegen habe ich zur Eröffnung getroffen.
Seit Jahren schon zeigt der Leiter des Museums Quadrat, Dr. Heinz Liesbrock, immer wieder Fotoausstellungen auf höchstem Niveau. Zu sehen waren z.B. Bernhard Fuchs oder Simone Nieweg. Auch die aktuelle Ausstellung wird sicher wieder internationale Aufmerksamkeit in den Foto-Pott lenken.
Adams hat mehr als 40 Jahre die Landschaft und den landschaftlichen Wandel im amerikanischen Westen fotografiert. In hervorragender schwarzweiß Technik schafft er Bilder von hoher ästhetischen Ausdruckskraft. Viele der Bilder zeigen einfach nur die Schönheit der Landschaft, die einst als das Paradies Amerikas galt. Andere zeigen die Verletzungen und die Zerstörung der Landschaft.
Adams selbst sagt zu seinen Bildern: „Wir werden uns zukünftig dafür verantworten müssen, was wir aus dieser Gegend gemacht haben, landschaftlich, ökologisch, aber auch ästhetisch.“ So sind Adams Bilder Anklage der kapitalistischen und verantwortungslosen Entwicklungen Amerikas, des Landes der unbegrenzten Möglichkeiten, die sich auch auf andere Regionen und vielleicht sogar auf das Ruhrgebiet übertragen lassen. Die leisen Töne in den Bildern, die laut Liesbrock trotz des Inhalts nicht für einen grünen Parteitag taugen, sind Gesellschaftskritik pur.
Interessant, dass die Evonik Industries AG, das Essener Großunternehmen, dass aus der RAG hervorgegangen ist und damit höchste Mitverantwortung für Landschaft- und Stadtzerstörungen im Ruhrgebiet und anderswo trägt, sich für diese Ausstellung finanziell engagiert. Gut so, nicht als Wiedergutmachung, sondern als gesellschaftliche Verantwortung. Und gut so für die Kunst. Ohne die Unterstützung des Kapitals wäre auch die Yale Universität nicht in der Lage gewesen, dass Werk von Adams zu sichern.
Also auf nach Bottrop!
Vor wenigen Tagen erfuhr ich von einem anderen interessanten Beispiel von Kooperation bzw. Unterstützung von Kunst durch Unternehmen. Beim 2. Forum d’Avignon, einem internationalen Zusammentreffen kulturwirtschaftlich Tätiger auf Zollverein, erzählten Mischa Kuball, Licht- und Medienkünstler aus Köln, und Dr. Stephan Muschick, RWE Stiftung, von ihrer Kooperation bei dem Projekt „New Pott“. Auch RWE, das einstige Atomunternehmen, versucht mit seinem aktuellen Engagement für Kultur, Bildung und Soziales sein ramponiertem Image auf zu bessern.
Gut so für die Kunst und sicher auch für die Bildung und das Soziale. Mischa Kuball konnte glaubhaft versichern, dass das Unternehmen keinen Einfluss auf das Kunstwerk ausgeübt hat, sondern es vornehm zurückhaltend förderte. Dies ist gut auch für das Unternehmen, das so einen teuren Imagewandel voran bringen kann. Schließlich ist inzwischen jeder frei in der Wahl seines Stromanbieters.
Wenige Tage zuvor wurde die Emscherkunst in Oberhausen an der Rehberg-Brücke eröffnet. Dieses Großkunstwerk rechts und links der Emscher ist sicher ein Kultur-Muss in der Region (bis 6. Oktober). Mit Mitteln des Landes, der Emschergenossenschaft, des Regionalverbandes Ruhr (RVR) und von Urbane Künste Ruhr entsteht nun schon nach 2010 zum zweiten Mal eine Großinszenierung in der Region.
Bewegungsmittel erster Wahl für Besucher von Nah und Fern sollte das Fahrrad sein, entweder das eigene oder das aller Orten ausleihbare Metropolrad. Übernachtungsgäste haben Gelegenheit, in den Ai Weiwei-Zelten zu übernachten, inzwischen ohne Kopfschmerzen vom Geruch der verschwindenden Kloake. Imagewandel durch und mit Kultur hat mit der IBA angefangen (der Emscherumbau auch) und ist bei der Kulturhauptstadt Programm geworden. Jetzt gilt es den Prozess fortzusetzen.
Fantastisch das Kunstprojekt der jungen Künstler Anna Witt aus Österreich und Uglycut aus Schweden. Gefundene und weggeworfene Materialien werden im Stadtteil Duisburg-Marxloh vor Ort in Designermöbel verwandelt. Kupferfarbener Stoff spielt dabei eine besondere Rolle und ist zugleich das Markenzeichen der schwedischen Designergruppe. Die fertiggestellten Objekte bleiben am Fundort und können und werden von den Bewohnern des Stadtteils mitgenommen. Das nenne ich Transformation mit einfachsten Mitteln – von der Wegwerfgesellschaft zur Kreislaufsgesellschaft.
Schon seit Tagen brennt es mir auf den Nägeln, meine Buchtipps für den Juli los zu werden:
Allen voran empfehle ich das Buch von Marie Köhler „Mach dir ein Bild“ das Marie (Nachwuchspreisträgerin bei der letzten bild.sprachen Messe) nun mit dem Kettler Verlag produziert hat. Die Fotografin hat in Deutschland Kameras, Filme, Drucker und sonst noch was gesammelt und in Christoph Schlingensiefs Operndorf nach Burkina Faso gebracht. Dort hat sie vier Monate mit Kindern und Jugendlichen gearbeitet.
Aus den Ergebnissen ist nun ein wunderbares Fotobuch geworden, das in wenigen Tagen auf den Markt kommt. Marie Köhler hat es mir am Freitag „druckfrisch“ gezeigt. 29,95 Euro kostet das Buch, 40 Prozent fließen ans Operndorf. Mittlerweile ist Marie Köhler wieder unterwegs nach Afrika, macht vor Ort eine Ausstellung und bringt den Kindern das Ergebnis ihrer Arbeit in Buchform zurück. Ein fantastisches vielschichtiges Projekt der erst 31-jährigen Fotografin aus Herne.
Schön auch das Buch „Love Peace Hope“, das Pixelprojekt-Fotograf Christoph Kniel zusammen mit Ilja Mess bei Kehrer veröffentlicht hat. Die beiden jungen Fotografen besuchten die Türkei, Russland und Marokko und zeigen in einer sehr eigenen und schönen Bildsprache Orte und zumeist junge Menschen. Ende der 1960er Jahre galt noch „Love Peace and Happiness“. Aus Happiness ist nun Hope/Hoffnung geworden. Es gibt mir Hoffnung, dass die junge Generation die Zukunft mit Ernsthaftigkeit betrachtet. Doch es bleibt zu hoffen, dass die Jugendarbeitslosigkeit in den besuchten Ländern wie auch in Südeuropa und anderswo nicht zur Hoffnungslosigkeit und Resignation führt. Ein wunderbares Buch mit einer interessanten Einführung von Cindy Gates.
Noch nicht gesehen hab ich das vor wenigen Tagen erschienene Buch von Pixelprojekt-Fotografin Petra Wittmar „Medebach – Fotografien 2009-2011“, dass eigentlich schon zu ihrer Ausstellung im vergangenen Jahr in der SK Stiftung erscheinen sollte. Petra Wittmar besuchte in der Zeit von 2009-2011 erneut den Ort ihrer Kindheit, den sie bereits als Examensarbeit an der Folkwangschule s/w fotografiert hatte. In eindrucksvollen, dokumentarisch distanzierten Farbfotos suchte sie nach den Veränderungen des Dorfes. Eine wunderbare Arbeit. Den Katalog habe ich leider noch nicht gesehen. Doch Hatje Cantz steht für Qualität. Daher mach ich mir auf dieser Ebene keine Sorgen.
Hinweisen möchte ich auch auf drei Wettbewerbe:
Einerseits auf den Förderpreis für Dokumentarfotografie der Wüstenrot Stiftung. Bewerbung bis 6. September. Und andererseits auf den Geschichtswettbewerb „War was?“ des Forum Geschichtskultur. Hier sind Bewerbungen noch bis zum 31. Dezember möglich. Inhalt ist die historische Auseinandersetzung mit dem Ruhrgebiet, formal sind natürlich auch Fotoarbeiten möglich. Und außerdem auf den „Deutschen Preis für Wissenschaftsfotografie 2013“. Hier ist der Bewerbungsschluss schon am 31. Juli des Jahres.
Also „Ran an die Buletten“ bzw. Preise.
Ansehen sollte man sich sicher auch die Ausstellung von „Weegee – the Famous“ im Schloß Oberhausen. Am 4. Juli um 19 Uhr kann man einem Vortrag von Julia Austermann zu Weegee und der amerikanischen Fotografie der 1930er bis 1950er Jahre hören.
Und eine weitere interessante Nachricht ging noch Anfang Juni durch die Region. Das Ruhr Museum wird im nächsten Jahr die Ruhrgebietsarbeit von Chargesheimer zeigen. Der Regionalverband Ruhr (RVR) unterstützt die Ausstellung mit 30.000,- Euro. Wie hatten sich die Repräsentanten des Ruhrgebiets aufgeregt, als der Bildband über die Industrieregion und ihre rauchenden Schlote 1957 mit einem Vorwort von Heinrich Böll erschien. Dass ausgerechnet der RVR als Repräsentant der 53 Ruhrgebietsstädte diese Ausstellung fördert, legt nahe, dass die Region den Strukturwandel endlich geschafft hat und selbstbewusst zu ihrer Geschichte steht.
Das Ruhrgebiet ist nicht so wie überall!
Peter Liedtke ist Projektleiter bild.sprachen und Initiator von Pixelprojekt_Ruhrgebiet. Er gibt für ruhr.speak einmal im Monat persönliche Tipps zur Fotowelt (an der Schnittstelle zur Urbanität) im Ruhrgebiet, aber auch anderswo.