Ehe man sich versieht, ist das Jahr schon wieder zur Hälfte vorbei, die Tage werden wieder kürzer und der Sommer scheint immer noch nicht richtig angekommen zu sein. Immerhin ist die deutsche Mannschaft Fußball-Weltmeister geworden.
Im Juni haben wir die 11. Ausgabe der Neuaufnahmen in das Pixelprojekt_Ruhrgebiet zusammengestellt, die wir am 26. Juni eröffnet haben. Trotz Fußball WM (Deutschland–USA) haben ca. 250 Fotografie- und Ruhrgebietsfans den Weg in den Wissenschaftspark Gelsenkirchen gefunden. Viele sagen, dass es eine der besten Pixelprojektausstellungen sei. Ich finde jede grandios und kann es kaum wirklich neutral beurteilen. Erstaunlicherweise scheint es in diesem Jahr einen Schwerpunkt bei Arbeiten zum Thema Siedlung zu geben. Woran das liegt, kann ich nur mutmaßen. Vielleicht suchen wir in einer immer globaleren Welt zum Ausgleich die kleinen Zellen, die Nachbarschaft, die Heimat, die Geborgenheit?
Nur einen Tag später wurde dann Pixelprojekt_Ruhrgebiet beim 6. Geschichtswettbewerb des Forum für Geschichte an Ruhr und Emscher mit dem „Struktur“- Preis ausgezeichnet. Der Wettbewerb stand unter dem Motto: „War was – Heimat im Revier“.
Das war noch im Juni.
Der Juli begann hingegen (mit Ausnahme der FuĂźball WM) katastrophal.
Kaum hatten wir einen Antrag für zwei Fotoprojekte beim Land NRW gestellt, da verhängte Finanzminister Walter-Borjahns auch schon eine Haushaltssperre. Grund: der Bescheid des Verfassungsgerichtes im Streit mit NRW, dass auch höhere öffentliche Gehaltsstufen einen Anspruch auf Gehaltserhöhung haben. Wenn sie gut arbeiten und wenn sie auf Grund ihrer Qualifikation und nicht etwa einer Parteizugehörigkeit eingestellt wurden, sollen sie meines Erachtens auch „gutes“ Geld verdienen.
Das Problem bleiben bei den Staatseinnahmen die Unternehmen, die gar keine Steuern zahlen, weil sie zwar Einnahmen in Deutschland kassieren, aber ihren Firmensitz steuerstrategisch in ganz bestimmte Länder verlegt haben und bei denjenigen, die ihr Vermögen vermehren und dafür maximal 25 Prozent Kapitalertragssteuern zahlen (zum Vergleich die Einkommenssteuern für diejenigen, die für Geld noch arbeiten, liegen zwischen 14 und 45 Prozent).
Aber immerhin wird so das Thema soziale Gerechtigkeit einmal mehr thematisiert. Dass man dafür ausgerechnet freie Kulturprojekte (die institutionalisierten haben dieses Problem ja nicht, weil sie abgesichert sind) bluten lässt, ist Ausdruck der Bedeutung von freier Kultur. Allen Beamten wünsche ich hin und wieder einmal ein paar Jahre der Freiberuflichkeit.
Mit KĂĽnstlerschicksalen taktiert man nicht!
Von diesen Entscheidungen sind wir im Ruhrgebiet auch noch mal ganz besonders betroffen. Freies Geld für freie Projekte ist kaum vorhanden. Konzerthäuser, Theater, Museen binden das knappe Kulturgeld. Und da, wo es in diesen Institutionen eng wird, helfen (auf Vermittlung) die lokalen Unternehmen, die das Geld auch nicht zweimal ausgeben können. Auch hier bleiben die Freien die Verlierer!
Erschreckend auch das aktuelle Kulturstädteranking von HWWI/Berenberg. Die Ruhrgebietsstädte sind erneut auf den letzten Plätzen. Duisburg auf dem allerletzten Platz, Gelsenkirchen auf dem drittletzten, Dortmund auf dem fünftletzten. Essen immerhin auf dem 13 Platz und schön, Bochum hat sich mit einem 18. Platz um vier Plätze verbessert. Vorne sind Stuttgart, München, Dresden und Berlin.
Umgekehrt sind die Wirtschaftsleistungen im Ruhrgebiet erneut gestiegen. Mit 152 Mrd. Euro erbringt die Region mehr als ein Viertel der Wirtschaftsleistung von ganz NRW. Malochen konnten wir schon immer gut im Ruhrgebiet. Zuviel Kultur könnte da nur stören!
Ob Duisburg die begehbare Installation von Gregor Schneider hätte weiter nach vorne bringen können, wage ich zu bezweifeln. Noch bis heute leidet Duisburg unter seiner Zusage, die Loveparade 2010 (als einen der inoffiziellen Höhepunkte der Kulturhauptstadt) erlaubt zu haben und unter den tragischen tödlichen Folgen. Dass die Stadt nun einem Kulturhauptstadt-Nachfolger (Urbane Künste Ruhr) trotzt, ehrt und beschämt sie zugleich, denn man muss seine Meinung auch revidieren können, wenn man sie nicht mehr verantworten kann.
Allerdings hätte man das auch schon in der Planungsphase tun können und nicht erst, wenn der Künstler vor dem Lehmbruckmuseum steht. Um zu punkten, hätte Duisburg sicher eher sein Traumzeit-Festival aufwerten können, dass in der Entstehungszeit 1997 unter Leitung von Wilfried Schaus-Sahm und Tim Isfort auf einem guten Weg zu internationalem Ansehen war.
Doch es entsteht auch Zukunftsweisendes im Pott und fĂĽr Deutschland!
Als Antwort auf die Medienkrise haben Journalisten rund um David Schraven in Essen das erste gemeinnützige Recherchebüro Deutschlands gegründet. Initialförderer des Büros CORRECT!V ist die Brost-Stiftung die in 3 Jahren 3 Mio. Euro für den Aufbau des Büros gibt. Journalismus als vierte Macht im Staate bleibt bedeutsam. Interessant sind nun die gesellschaftlichen Antworten auf das Sterben der klassischen Medien! Das empfiehlt sich zur Nachahmung – vielleicht auch Mal für den Bildjournalismus!!!
(Zur Info: Erich Brost war der GrĂĽnder der WAZ, die er zusammen mit Jakob Funke vormals NRZ zu dem fĂĽhrenden Zeitungsunternehmen im Ruhrgebiet ausbaute. 2013 zog sich die Familie Brost aus der WAZ Mediengruppe zurĂĽck)
Nun zu den Tipps:
Tipp 1: Die Ausstellung der Neuaufnahmen in das Pixelprojekt_Ruhrgebiet 2013/14 im Wissenschaftspark Gelsenkirchen (bis 8. November). Gilt fĂĽr viele als eine der besten des Projektes bisher (s.o.)
www.pixelprojekt-ruhrgebiet.de
Tipp 2: bildsprachen – Plattform für Fotografie und Fotoprojekte 28. und 29. November 2014 – Titel: „surprise me“. Fotografen zeigen der Kunst- und Kommunikationsszene ihre Leistungsfähigkeit. Vergeben wird der mit 2.500,- Euro dotierte bild.sprachen Preis der Sparkasse Gelsenkirchen für das beste Fotoprojekt. Wer sich nicht zeigt, kann nicht damit rechnen, entdeckt zu werden!
Online-Anmeldung ist an sofort möglich!
www.surpriseme.bildsprachen.de
Tipp 3: Arles. Arles ist nicht nur eine Reise wert sondern auch der Ort an dem „die Mutter aller Fotofestivals“ ihren Aktionsraum bis zum 21. September findet.
Tipp 4: Joachim Schumacher – Das Gebiet – Ausstellung in der L.A. Galerie Lothar Albrecht in Frankfurt am Main bis zum 30. August. Den gleichnamigen Katalog gibt es im Pixelprojekt-Bookshop.
www.lagalerie.de und www.pixelprojekt-ruhrgebiet.de
Tipp 5: Cornelia Suhan und Karin Hessmann – Zwischenzeit – Ausstellung im Bunker Tullstraße 5 in Dortmund bis zum 7.September.
Tipp 6: Manfred Vollmer – Mein Revier ist das Revier – Fotografien aus 5 Jahrzehnten – Ausstellung im Kultur- und Stadthistorischen Museum Duisburg bis zum 11. Januar.
Tipp 7: Wettbewerb Bridges der Emschergenossenschaft bis zum 13. September. Preisgeld insgesamt 15.000 Euro. Thema: CHAOS/CONTROL – Besetzt den Raum.
Tipp 8: Deutscher Preis für Wissenschaftsfotografie 2014 bis zum 31. Juli ausgelobt durch „Bild der Wissenschaft“. Preisgeld insgesamt 12.000,- Euro
Tipp 9: Wolfgang Quickels – Auf Crange – Das Buch zur Kirmes – ab sofort im Pixelprojekt – Bookshop (14,95 Euro)
www.pixelprojekt-ruhrgebiet.de
Tipp 10: Baukultur Fotografiepreis 2014 bis 5. September 2014, 5.000 Euro Thema: Wirkungsvolle und alltägliche Räume in Nutzung (d.h. Auch gerne mit Menschen)
www.bundesstiftung-baukultur.de
Tipp 11, 12 und 13: Erholt euch gut, regeneriert eure Kräfte und überrascht uns und die Gesellschaft mit neuen wunderbaren Bildern!
SURPRISE US!!!!
Peter Liedtke ist Projektleiter bild.sprachen und Initiator von Pixelprojekt_Ruhrgebiet. Er gibt für ruhr.speak einmal im Monat persönliche Tipps zur Fotowelt (an der Schnittstelle zur Urbanität) im Ruhrgebiet, aber auch anderswo.