Die letzte Zeit ist vor allem durch die Vorbereitungen für die Ausstellung der Neuaufnahmen in das Pixelprojekt_Ruhrgebiet 2013/2014 (Vernissage am 26.6. um 20.15 Uhr im Wissenschaftspark Gelsenkirchen) aber auch für die “surprise me – bild.sprachen-Plattform für Fotografie und Fotoprojekte” am 28. und 29. November geprägt. Der Katalog zu den Neuaufnahmen 2014 ist nach schier endlosen Korrekturen im Druck und sollte dann mit einem super Text von Theo Grütter – Direktor des Ruhr Museums – passend zur Ausstellungseröffnung vorliegen. Ich bin froh und stolz, dass uns auch in diesem Jahr ein Katalog gelungen ist.
Parallel sehe ich, dass mit all unseren Aktionen (Pixelprojekt_Ruhrgebiet – Katalog – ruhr.speak – Galerie Hundert – Wechselausstellungen im Wissenschaftspark Gelsenkirchen – Wechselausstellungen in der bild.sprachen Stadtteilgalerie – surprise me – Nuit de la Photographie – Auszeichnung “Ausgezeichneter Ort im Land der Ideen” – Ückendorf_scans – Galeriemeile Gelsenkirchen …) der Eindruck entsteht, wir seinen ein erstens großes und zweitens gesichertes Projekt. Das Gegenteil ist der Fall.
Pixelprojekt muss jedes Jahr neu finanziert werden und das Geld wird eher weniger als mehr, die Mitgliederzahl im Förderverein Pixelprojekt_Ruhrgebiet (neue Mitglieder sind sehr willkommen) stagniert, die Förderung für die Projekte von bild.sprachen ist seit September 2013 ausgelaufen (mit Ausnahme der “surprise me – Plattform”) und einen Mäzen habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht kennengelernt, dafür viele, die nach Rat und Tat fragen. Dabei will ich mich keinesfalls beschweren, da ich immer noch das Glück habe, Projekte durchführen zu dürfen, die ich mir (zusammen mit anderen) ausgedacht habe und von denen ich der Überzeugung bin, dass sie anderen und/oder der Gesellschaft nutzen. Und dennoch fluche ich und bekomme Magenschmerzen sowie einen unruhigen Schlaf, wenn die Zukunft mal wieder so ganz ungesichert erscheint.
Das ist das Leben – und irgendwie geht es immer weiter!
Wie kurz dieses sein kann, habe ich vor wenigen Tagen mal wieder erfahren, als mich die Nachricht vom Tod Wolfgang Staigers erreichte. 11 Jahre Pixelprojekt_Ruhrgebiet und 258 im Projekt vertretene Fotografen bedeutet auch 258 mal Erfolge, Preise, Ausstellungen, Bücher und auch Schicksale. Wolfgang ist nun nach Frithjof Hirdes, Leonard Freed, Rudolf Holtappel der vierte Pixelprojekt Fotograf, der von uns gegangen ist. Ihre Bilder werden bleiben.
Umgekehrt schön, dass Pixelprojekt Fotograf Rudi Meisel den mit 10.000 Euro dotierten Kunstpreis Literatur Fotografie für “Landsleute 1977-1987” von Lotto Brandenburg erhalten hat. Immer häufiger arbeiten die Fotografen ihre Archive auf und entdecken mit zeitlicher Distanz die historisch dokumentarische Bedeutung ihres Schaffens neu. Ich denke hier insbesondere auch an die Arbeiten von Michael Wolf (Bottrop-Ebel) sowie Andreas Weinand (Colossal Youth / Sich selbst finden) oder auch ganz aktuell von Joachim Schumacher (Das Gebiet / Stadt- und Industrielandschaft im Ruhrgebiet) alle sowohl im Pixelprojekt als auch in unserem Bookshop:
Ein ganz anderes Projekt halte ich kulturpolitisch für sehr bedeutsam. Das neue Kulturfördergesetz NRW, dass seit nun ca. 2-3 Jahren rot-grüner Kulturpolitik in Arbeit und Diskussion (auch mit der Szene) ist und nun endlich als Gesetz verabschiedet werden soll. Nordrhein-Westfalen ist damit das erste Bundesland, das eine gesetzliche Regelung für die Kulturförderung trifft. Der Referentenentwurf liegt seit Mitte Mai vor und kann unter diesem Link eingesehen werden.
Referentenentwurf Kulturfördergesetz
Das geplante Gesetz bedeutet eine kulturpolitische Standortbestimmung, in der die wesentlichen Ziele, Schwerpunkte und Grundsätze der Kulturförderung in Nordrhein-Westfalen definiert werden. Es soll zu mehr Transparenz und Planungssicherheit in der Kulturförderung beitragen. Das Gesetz führt für die Kulturförderung des Landes zwei neue Instrumente ein: den Kulturförderplan der jeweils für eine Legislaturperiode (also fünf Jahre) gilt und den Landeskulturbericht am Ende dieser Phase.
Mehr Geld gibt es dadurch nicht – aber versprochen sind einfachere Antrags- und Abrechnungsverfahren und auch eine Übertragbarkeit der Mittel ins nächste Jahr durch Festbetragsfinanzierung sowie eine Anerkennung von Kosten für Betriebs- und Personalkosten.
Interessant, dass in diesem Gesetz eigentlich nicht zwischen institutioneller Kultur und freier Kultur unterschieden wird. Seit Jahren verschwinden die Grenzen zwischen diesen beiden Polen immer weiter und die Politik hat die Bedeutung freier Initiativen grundsätzlich deutlich auf dem Schirm. Und dennoch sieht die Realität in den Kommunen (und diese sind nach wie vor zumindest in NRW die Hauptträger der Kultur) anders aus.
Die freie Szene in Essen machte jüngst darauf aufmerksam, dass sie zwar deutlich mehr Besucher als die Theater- und Philharmonie in Essen hat, parallel aber mit nur 3,5 Prozent des Kulturetats abgespeist wird. Der Verteilungskampf geht also weiter – auch im Land. Oliver Keymis – Landtagsvize und kulturpolitischer Sprecher der Grünen – machte das Problem beim Landtagstalk zum Kulturfördergesetz am 3. Juni deutlich.
Das Problem liegt nicht in der Kulturszene sondern in der Konkurrenz zu den anderen Ressorts. Alle gehen gerne ins Theater und Kino, besuchen Konzerte, Ausstellungen, Slams und Performances. Wenn es dann aber ums Geld geht, sind die Prioritäten der Politiker (und auch die ihrer Wähler) andere.
Damit bleibt es dann wieder an uns, auf die Bedeutung der Kultur hinzuweisen und auch, dass dies mit gewissen Kosten verbunden ist. Kunstschaffende können nicht von Selbstverwirklichung leben und haben vielleicht auch einen Anspruch auf einen angemessenen oder zumindest Mindestlohn. Alles andere würde auf Dauer sicher zum Dilettantentum führen. Und wer will das, wo doch die Kultur der Motor für Innovation und gesellschaftliche Entwicklung ist.
Nun zu den Tipps:
Top 1: Ausstellung der Neuaufnahmen in das Pixelprojekt_Ruhrgebiet. Vernissage am 26. Juni 20.15 Uhr im Wissenschaftspark Gelsenkirchen. (Dies ist eine ausdrückliche Einladung.) Die Ausstellung läuft dann bis zum 8. November.
www.pixelprojekt_ruhrgebiet.de
Absolut sehenswert die Ausstellung zu Chargesheimer im Ruhr Museum bis zum 18. Januar 2015: Gezeigt werden wunderbare Bilder zum Nachkriegsruhrgebiet, dem neuen Leben zwischen den Ruinen, der Entdeckung der neuen Welt des Konsums und dem Kneipenleben. Die kuratorischen Entscheidungen, die Fotos vollformatig, teils mit Chemieflecken oder Negativverletzungen, teils schief zu zeigen, diese viel zu hell und untypisch für Chargesheimer und die Zeit und dann noch auf Holzbrettchen zu zeigen, ziehe ich in Zweifel. Grandios aber die Bücherschau in Vitrinen zur Geschichte des Fotobuchs im Ruhrgebiet. Persönlich hat mich gefreut, dass die Schau mit unseren Katalogen “Pixelprojekt 2012/13” und “Hier sind wir” endet. Ein aktuelles Muss für Besucher von nah und fern.
Klein aber fein die Arbeit von Andreas Mader im Projektraum Fotografie “Die Tage des Lebens”. Andreas fotografiert seit nunmehr fast zwei Jahrzehnten seine Freunde in sensiblen Porträts und zeigt uns damit das älter werden der Menschen, die Beziehungen untereinander das Entstehen von Familien und deren Veränderung. Eine wunderbare Arbeit, die man sich mit ihren laufenden Veränderungen immer wieder neu ansehen kann.
Pixelprojekt Fotograf Manfred Vollmer wird am 15. Juni um 11 Uhr seine Ausstellung “Mein Revier ist das Revier” im Kultur- und Stadthistorischen Museum Duisburg eröffnen. Die Ausstellung ist dann bis zum 11. Januar zu sehen.
Interessant wird sicher auch die Ausstellung “Wirtschaft! Wunder! Krupp in der Fotografie 1949-1967” in der Villa Hügel in Essen vom 5. Juli bis 23. November. Wie kaum ein anderes Unternehmen hat Krupp die Fotografie für seine Produkte und das nach dem Krieg ramponierte Image genutzt. Zu sehen sind Arbeiten von Albert Renger-Patzsch, Rene Burri, Robert Lebeck und anderen. Zur Ausstellung erscheint ein Katalog.
Interessant sicher auch die Ausstellung “Meisterwerke berühmter Leica-Fotografen” im Forum Fotografie Köln. Vernissage am 7. Juni um 16 Uhr. Die Ausstellung ist dann bis um 13. Juli zu sehen.
Sicher nicht nur schön, aber sehenswert ist die Ausstellung zum World Press Preis 14 – nun schon zum sicher dritten Mal im Depot Dortmund vom 12. Juni bis 2. Juli. Vernissage ist am 11. Juni um 19 Uhr.
www.depotdortmund.de/31-world-press-photo-14
Hinweisen möchte ich ferner auf einige Ausschreibungen:
Die Gesellschaft für humanistische Fotografie sucht 20 Fotoarbeiten zum Thema Changing Realities, die beim 6. Monat der Fotografie im U Bahnhof Alexanderplatz ausgestellt werden sollen. Für ausgewählte Arbeiten gibt es 250,- Euro Aufwandsentschädigung.
Bewerbungsformular unter: www.changingrealities.de
Die Ludwig Galerie Schloss Oberhausen richtet in Kooperation mit dem ZONTA Club Oberhausen einen Nachwuchs-Fotowettbewerb für junge Fotografinnen zwischen 15 und 25 Jahren aus. Inhalt ist die Auseinandersetzung mit dem Œuvre Eve Arnolds und mit ihrer Porträtfotografie, die aktuell im Schloss ausgestellt ist. Die “Preisgelder” liegen zwischen 100 und 250 Euro und sind wohl auch eher als Aufwandsentschädigung zu sehen. Annahmeschluss 15. August.
Ausgeschrieben ist jetzt auch der architekturbild 2015 mit dem Thema Nachbarschaft / Neighbourhood. Einsendeschluss ist der 12. Dezember.
Interessant ist sicher auch die Ausschreibung der Bundesstiftung Baukultur für den Fotografiepreis “Baukultur im Bild. Räume und Menschen”. Der Preis ist mit 5.000,- dotiert. Einsendeschluss ist der 5. September.
www.bundesstiftung-baukultur.de
Interessant finde ich dabei, dass bei Kunstausschreibungen, in denen es um gesellschaftlich relevante Themen geht, Fotografie das gefragte Medium ist. Soviel zum Thema Relevanz!
Zwei Talks zum Thema Künstlerbücher veranstaltet Clap in der Annastraße 51 in Essen. Am 20. Juni um 19 Uhr diskutieren Elisabeth Neudörfl, Arne Schmitt und Pixelprojekt-Fotograf Joachim Schumacher, am 26. Juni Florian Ebner, Axel Braun, Sven Johne und Till Gathmann.
Last but not least möchte ich auf die Veranstaltung “Lavrieren in der juristischen Grauzone – Fotografieren in der Öffentlichkeit” der DGPh Sektion Kunst, Markt und Recht am 27. Juni von 15 bis 18 Uhr in der Kunsthochschule für Medien in Köln hinweisen. Hier geht es um die Problematik, heute journalistische Bilder anzufertigen, wenn zugleich zunehmend auf das Recht am eignen Bild gepocht wird.
Immer mehr Verlage haben Angst vor Prozessen und immer mehr Fotografen haben die Schere bereits im Kopf. Meines Erachtens ist damit die journalistische Freiheit bedroht und der Journalismus insgesamt läuft Gefahr, seine Funktion als Vierte Gewalt im Staate zu verlieren. Ich selbst werde u.a. mit Juristen (zwei Anwälte – drei Meinungen) in der Gesprächsrunde sitzen und bin sehr gespannt auf den Verlauf.
Und noch eine gute Nachricht:
Anne Lena Michel, die dieses Jahr ins Pixelprojekt_Ruhrgebiet aufgenommen wird, ist mit ihrer Arbeit “Saturn” für den internationalen Photobook Dummy Award nominiert. Ich wünsche Glück und Erfolg!
Peter Liedtke ist Projektleiter bild.sprachen und Initiator von Pixelprojekt_Ruhrgebiet. Er gibt für ruhr.speak einmal im Monat persönliche Tipps zur Fotowelt (an der Schnittstelle zur Urbanität) im Ruhrgebiet, aber auch anderswo.