Der MĂ€rz beginnt mit dem meteorologischer FrĂŒhlingsanfang. Nach einer gefĂŒhlt endlosen Zeit voll TrĂŒbnis, Dunkelheit und KĂ€lte gibt es endlich wieder blauen Himmel ĂŒber Ruhr und Emscher.
Der Februar endete fĂŒr mich mit der Veranstaltung der Urbanen KĂŒnste zum Thema Netzwerke. Schon kurz nach dem Eintreffen hatte ich das GefĂŒhl, eines tatsĂ€chlichen Netzwerktreffens aller oder nahezu aller kulturell Aktiver im Ruhrgebiet. Und zwar sowohl der Freien als auch der institutionell Eingebundenen.
Schon der Ort war durch die Oberhausener KĂŒnstlergruppe kitev zu einer wunderbaren Netzwerkskulptur zum Sitzen, Denken und Diskutieren verwandelt worden. Es konnte also nichts schief gehen.
Rainer Hoffmann vom SPRING Performing Arts Festivals und die Hamburger Gruppe LIGNA gaben Input und schon bald war man in der Diskussion, ob nicht die Steigerung von Netzwerken Verfilzung sei, und was wem wann wie viel und wofĂŒr nutzt. Urbane KĂŒnste behauptet, dass Netzwerke auch einen Moderator benötigen und sieht sich hier selbst in dieser Rolle gegenĂŒber den RuhrKunstMuseen, KunstVereineRuhr und KĂŒnstlerbĂŒnden. Und auch die freie Szene kam ĂŒber das Netzwerk X zu Wort, ohne dem ewig geforderten Anspruch nach klarer Struktur und persönlichem Ansprechpartner zu entsprechen.
Wann trennt man sich endlich von dieser Forderung und schafft es z.B. ĂŒber Internetstrukturen, ein offenes System als GegenĂŒber zu akzeptieren. Dies könnte dann auch die gesamte freie Szene widerspiegeln und nicht nur einen kleinen Ausschnitt, der sich gerade Gehör verschafft. Im Vorfeld der Kulturhauptstadt gab es zur Internetstruktur bereits eine sehr interessante, auf offene Kooperation ausgerichtete Initiative, fĂŒr die dann aber leider kein Geld da war.
Der MĂ€rz begann dann mit dem Programmentwurf der GrĂŒnen zur Bundestagswahl. Die Programme der anderen werden sicher folgen. âKunst und Kultur sind ein elementarer Ausdruck von Freiheit und Selbstbestimmung. Sie sind ein entscheidendes Feld sozialer Teilhabe. Und sie sind ein wichtiger Impulsgeber fĂŒr VerĂ€nderungâ wird einleitend fĂŒr das politische Feld der Kultur postuliert und könnte so oder Ă€hnlich auch von anderen Parteien benannt werden.
Individueller wird es, wenn geschrieben wird â… schenken wir unser Augenmerk den vielen freien Initiativen und Projekten, die uns bereichern und bislang zu wenig Anerkennung erfahren.â Oder âKunst und Kultur sind eine wichtige Quelle der Einmischung in öffentliche Fragenâ. Konkreter wird es, wenn sie davon sprechen, dass âKunst, die nur von der Gunst reicher SpenderInnen abhĂ€ngig ist arm und leerâ ist, und wenn sie sagen, wie daran etwas geĂ€ndert werden soll.
Relevant fĂŒr uns hier zum einen die Reform des Urheberrechts, die dafĂŒr sorgen soll, dass UrheberInnen fĂŒr ihre Leistung angemessen vergĂŒtet werden, zum anderen die lang geforderte AusstellungsvergĂŒtung zunĂ€chst auf Bundesebene als Vorbild fĂŒr Land und Kommunen und natĂŒrlich auch private Aussteller, und auch die Forderung nach Kooperationen der freien Szene mit den etablierten HĂ€usern, die entsprechend abgesichert werden soll.
Und die GrĂŒnen sprechen sich fĂŒr einen Fond âĂsthetik und Nachhaltigkeitâ aus. Das wĂ€re was fĂŒr die Region Ruhrgebiet und ihre Kreativen parallel zum kommenden Dekadenprojekt. Das ist unser Thema! Finanziert wird alles durch die Reform der Erbschaftssteuer. Ist ja nichts dagegen einzuwenden, dass ReichtĂŒmer nicht nur an glĂŒckliche Erben, sondern zumindest teilweise auch an die Gesamtgesellschaft zurĂŒck flieĂen.
Nun zu den Tipps:
Nicht verpassen sollte man die Ausstellung: âRussen Juden Deutscheâ von Michael Kerstgens im Schloss Oberhausen, die das in Deutschland wieder neu erstarkte Judentum, entstanden durch die Osteinwanderung in tiefen, zeitgenössischen und erfreulich fröhlichen Bildern zeigt. Michael Kerstgens, Professor fĂŒr journalistische Fotografie in Darmstadt und Oberhausener, setzt damit seine Examensarbeit fort und nutzt AuftrĂ€ge von Stern und GEO zur Verwirklichung dieser persönlichen subjektiven Arbeit â klassischer Fotojournalismus in schwarz/weiĂ – wunderbar neu gedacht.
Wolfgang Tillmanns stellt aus im K21 StĂ€ndehaus in DĂŒsseldorf. In 14 RĂ€umen wird das Universum Tillmanns in seiner unendlichen ViefĂ€ltigkeit in einer groĂen Werkschau gezeigt. âWenn Fotografen Sammler sind, dann ist Wolfgang Tillmanns der Messie unter den Fotografenâ schreibt Damian Zimmermann in der TAZ. Ob das ein Kompliment ist, kann man selbst entscheiden, aber extreme Positionen haben sicher fĂŒr sich schon QualitĂ€t. Tillmanns selbst spricht von eine Offenheit fĂŒr das Leben und seine Ăberraschungen. Ich hoffe die Ausstellung nicht zu verpassen.
Wer nach Stuttgart kommt, sollte die Ausstellung âStammheimâ von Andreas Magdanz nicht verpassen. Die Ausstellung wird noch bis zum 24. MĂ€rz im Kunstmuseum Stuttgart gezeigt. Stammheim der Ort an dem die AnfĂŒhrer der RAF â Rote Armee Fraktion Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe am 18.10.1977 tot in ihrer Zelle aufgefunden wurden. Der Tod gilt als Selbstmord, obwohl Indizien auch fĂŒr die Behauptung eines staatlich verordneten Mordes sprechen. Sicher ist zumindest, dass die Todesnacht von Stammheim das Ende des Deutschen Herbstes einleutete. Andreas Magdanz hat den Hochsicherheitstrakt und die Zelle, in der Andreas Baader zu Tode kam, distanziert und detailreich in GroĂbildtechnik fotografiert und erhĂ€lt diesen Ort fĂŒr die deutsche Geschichte, bevor er abgerissen wird.
Wer nach Berlin kommt, kann noch letztmalig das alte C/O Berlin im Postfuhramt besuchen, bzw. direkt zur Abschiedsparty am 9.3. erscheinen, bevor das Ausstellungsprojekt sein neues Domizil im Amerikahaus am Bahnhof Zoo bezieht. Vorbei der Charme der ewig improvisierenden, auf höchstem Niveau agierenden renommierten Privat-Institution. Ab Sommer 2013 wird die Galerie dann Nachbar des staatlichen Museums fĂŒr Fotografie, der Newton Stiftung und der Camera Work Galerie. Gezeigt werden noch bis zum 8.3. Arbeiten von Christer Strömholm, Ulrich Seidl und junger Fotojournalismus. Und man sollte auch noch Mal die “East Side Gallery” besuchen, den gröĂten und denkmalgeschĂŒtzten Teil der ehemaligen Berliner Mauer. Die mit Arbeiten von 118 KĂŒnstlern aus 21 LĂ€ndern bemalte Mauer ist mit einer LĂ€nge von 1316 Metern die lĂ€ngste dauerhafte Open-Air-Gallerie der Welt und soll nun Wowereits Abrissbagger fĂŒr Luxus Wohnungen weichen.
Wer nach Gelsenkirchen kommt, sollte unsere Ausstellung âEuropĂ€ischer Architekturfotografie-Preis architekturbild 2009 + 2011â besuchen. Architekturfotografie wird hier sehr frei und breit in allen Formen zeitgenössischer Fotografie betrachtet, weit entfernt von der klassischen Architekturfotografie, wie wir sie kennen und vielleicht auch erwarten.
Wer noch ein Buch braucht, sollte sich sicher neben dem Katalog von Michael Kerstgens âNeues Leben. Russen. Juden. Deutschenâ auch fĂŒr JĂŒrgen Wassmuths neues Buch (6.3.) âPortrait und Reportageâ interessieren, mit Geschichten von Charakter, Sympathie und Abneigung.
Wer noch einen Preis gewinnen möchte, kann sich fĂŒr den mit 10.000 Euro dotierten Abisag TĂŒllmann Preis fĂŒr professionellen Fotojournalismus bewerben. Max. 10 Fotos in SW und Farbe max. 24/30 cm groĂ können bis zum 31. Juli eingereicht werden.
Wer noch ein Projektstipendium benötigt, kann sich bis zum 30. Juni bei dem Kulturwerk der VG BILD-KUNST bewerben. Zweimal pro Jahr werden Stipendien bis zu 8.000,- Euro vergeben. Im vergangen Jahr waren es 22 Stipendien im ersten und 23 im zweiten Halbjahr die allein in der Berufsgruppe 2 (Fotografie und Design) gefördert wurden.
Und wer noch einen Ausbildungsplatz braucht, kann sich bei der Agentur Ostkreuz in Berlin um einen Ausbildungsplatz als Fachangestellter fĂŒr Medien- und Informationsdienste der Fachrichtung Bildagentur bewerben.
Wer die Kreativwirtschaft im Ruhrgebiet nach vorne bringen möchte, möge sich am Trendbarometer Kreativwirtschaft Ruhr von ecce (european centre for creative economy) und wmr (Wirtschaftsförderung metropoleruhr) beteiligen. Interessenten melden sich bitte bei Tanja Kohnen (kohnen@wfgmetropoleruhr.de).
PreisgĂŒnstige Originale bietet die Galerie Hundert â direkt neben der bild.sprachen Stadtteilgalerie in Gelsenkirchen. Zu finden sind hervorragende Arbeiten von ausgewĂ€hlten Fotografen des Pixelprojekt_Ruhrgebiet in Editionen zu sehr interessanten Preisen.
Es bleibt viel zu entdecken!
Peter
Peter Liedtke ist Projektleiter bild.sprachen und Initiator von Pixelprojekt_Ruhrgebiet. Er gibt fĂŒr ruhr.speak einmal im Monat persönliche Tipps zur Fotowelt (an der Schnittstelle zur UrbanitĂ€t) im Ruhrgebiet, aber auch anderswo.