Der Europäische Monat der Fotografie geht zurück auf den Pariser Mois de la Photo, der 1980 von Jean-Luc Monterosso gegründet wurde. Die Partnerstädte Berlin, Wien und Paris starteten 2004 die Veranstaltungsreihe neu. Bratislava, Moskau, Rom und Luxemburg kamen 2006 hinzu, 2012 nehmen erstmals Budapest und Ljubljana teil. In diesen Metropolen finden mindestens alle zwei Jahre renommierte Fotofestivals statt.
Ziel des Netzwerkes ist es, in allen Städten durch ein konzentriertes Angebot von Ausstellungen, Veranstaltungen und Publikationen für einige Wochen die Aufmerksamkeit des Publikums auf das Medium Fotografie zu fokussieren. In Berlin findet das von Katia Reich kuratierte Projekt mit 110 Ausstellungen an 100 Orten und mit Beteiligung von rund 500 Fotografen vom 19. Oktober bis 25. November statt. Mehr Infos: www.mdf-berlin.de
Zum Vergleich: Die Internationale Photoszene Köln findet seit über 40 Jahren parallel zur photokina statt und zeigte in diesem September rund 60 Ausstellungen.
Und zum Vergleich: Das Ruhrgebiet mit nahezu ähnlich vielen Einwohnern wie Berlin und mit deutlich mehr ansässigen DAX Unternehmen (Wirtschaftskraft!) schafft nicht mal gemeinsame Fototage (zumindest seit die Hertener Fototage nicht mehr stattfinden). An der Wirtschaftskraft kann das kaum liegen. Das Land Berlin hatte ja schon 2009 fast 60 Mrd. Euro Schulden. Also woran liegt es?
Vielleicht ein wenig an der Kaltschnäuzigkeit des Spruchs „arm, aber sexy“ eines Klaus Wowereit oder vielleicht auch umgekehrt an mangelndem Selbstbewusstsein und ebenso mangelnder Kooperationsfähigkeit der lokalen Akteure im Revier, sicher aber auch an den kommunal verankerten Kulturstrukturen, die an den jeweiligen Stadtgrenzen aufhören. Und auch im Kulturhauptstadtjahr ist uns jenseits der schwachen Ruhrblicke-Ausstellung auf Zollverein wenig in dieser Sparte gelungen.
FĂĽr uns Fotofreaks lohnt sich ein Besuch Berlins bis zum 25. November alle Male.
Ebenso lohnt sich ein Besuch von Paris – wie immer. Nicht nur weil Paris aus meiner Sicht die attraktivste Metropole Europas ist (ich sage bewusst nicht die schönste), sondern auch weil die Paris Photo vom 15. bis 18. November mit 151 Fotogalerien in den wunderschönen Grand Palais lockt und mit weiteren rund 100 Ausstellungen von Paul Graham bis Manuel Àlvarez Bravo während des oben genannten Monats der Fotografie. Mehr Infos: www.parisphoto.com und www.mdf-france.org
Ich persönlich freue mich auf den DGPh-Werkstattbesuch bei Magnum Paris und auf Andréa Holzherr, der Ausstellungsmacherin von Magnum. Sie kuratiert im kommenden Jahr das 5. Fotofestival in Mannheim, Ludwigshafen und Heidelberg und wird persönlich Rede und Antwort stehen und persönlich durch die Magnum-Räume führen.
Ein besonderes Highlight im November ist für mich such die Ausstellung von Knut Wolfgang Maron „Ein Leben“ im Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr vom 18. November 2012 bis 13. Januar 2013 über seine Mutter.  „Ein Leben“ ist aus meiner Sicht die stärkste Arbeit von Pixelprojekt-Fotograf Knut Wolfgang Maron, die sicher ihresgleichen sucht. Die Ausstellung wird am 17. November um 17 Uhr eröffnet.
Immer wieder begegnen uns Arbeiten, die aus besonderer Nähe und persönlicher Betroffenheit entstehen. Ich denke an die Arbeit von Christopher Capozziello, der in diesem Jahr beim Lumix Festival Hannover fĂĽr seine Arbeit “The Distance Between Us” ĂĽber seinen Zwillingsbruder, der an einer Infantilen Zerebralparese leidet, mit dem Lammerhuber Photography Award ausgezeichnet wurde. Ich denke an die FolkwangschĂĽlerin Eva Bertram und ihre Arbeit „2 Ein Kind“ ĂĽber ihre Mutterrolle und das Verhältnis zu ihrem Kind. An Nicholas Nixon mit seiner 33-jährigen Arbeit „The Brown Sisters“ ĂĽber seine Ehefrau und ihre drei Geschwister. An Andreas Mader mit den langjährigen Porträts seiner Freunde und an so manche andere Arbeit. Wenn Professionalität auf persönliche Sicht trifft, kann im besten Fall AuĂźerordentliches an Nähe und Einsicht entstehen.
Schön, dass es zu der Arbeit Marons auch ein Buch im Kerber Verlag geben wird, schön auch, dass es die Arbeit „Tagebau“ zum Garzweiler Braunkohletagebau von Pixelprojekt-Fotograf Sebastian Mölleken im Kettler Verlag erscheinen wird und die Arbeit „Mein Revier“ von Pixelprojekt-Fotograf Manfred Vollmer vom Klartext Verlag heraus gebracht wird.
Wer nach Herne (Wanne-Eickel) kommen sollte, muss hier unbedingt Bettina Steinackers Ausstellung„Neue Landschaften“ und „Soziale Räume“ im Haus am Grünen Ring besuchen. In den „Neuen Landschaften“ führt sie ihre Arbeit „Terrain vague“ fort und beschreibt die Landschaft zwischen den Städten im Ruhrgebiet. „Soziale Räume“ gibt Einblicke in Orte praktizierter Sozialarbeit, vom Fixerraum bis zum Frauenhaus, von der Kleiderkammer bis zu den „Tafeln“ als neue und breite Phänomene unserer Zeit und Bedürftigkeit. Die Ausstellung ist bis 30. November in der VHS-Galerie in Herne-Wanne zu sehen.
Schade, dass diese Arbeit nicht im Aalto Theater oder in der Deutschen Bank gezeigt wird. Die Problematik hat auch etwas mit Umverteilen bzw. mit nicht Umverteilen zu tun!
Und erstaunlich, welch’ interessante Fotoarbeiten die Ausstellungsmacherin Angelika Mertmann in diesem an sich wenig attraktiven Ort nach und nach zeigt.
Lohnenswert ist sicher auch die Ausstellung „Bürgermeisterzimmer in Deutschland“ von Jörg Winde, die vom 21. 11. 2012 bis zum 1.2. 2013 Im Foyer des RWE Towers Dortmund zu sehen sein wird. Diese Arbeit hatte Jörg 2005 im Ruhrgebiet begonnen. Sie wurde im darauffolgenden Jahr in das Pixelprojekt_Ruhrgebiet aufgenommen. Aus der Arbeit mit zunächst 17 Amtsstuben sind nun annähernd 120 geworden. Die präzisen und distanziert dokumentarisch fotografierten Innenräume lassen fast automatisch Vorstellungen von der Art und Weise praktizierter Kommunalpolitik entstehen und erlauben Rückschlüsse auf die Persönlichkeiten der Amtslenker.
Und die Ausstellung „Russen, Juden, Deutsche“ von Michael Kerstgens (4. 11 -2. 12.2012) im Designhaus auf der Mathildenhöhe in Darmstadt ist sicher auch einen Besuch wert. In dieser Arbeit zeigt Michael sein zentrales Thema über jüdisches Leben in Deutschland, das er bereits 1992 zu fotografieren begonnen hatte. Es geht um die Zuwanderung von Juden aus den Oststaaten, auf das Zusammentreffen mit den „Alteingesessenen“, es geht um religiöse Feste und um das Leben im Alltag.
Auch das Pixelprojekt_Ruhrgebiet findet immer neue Orte, sich zu zeigen: Am 28. November und am 14. Dezember werden wir zwei Ausstellung „Die Kunst der Revitalisierung“ mit Arbeiten von 15 Pixelprojektfotografen in den Galerien „2piR“ und „ARSENAL“ im Rahmen des 5. Festiwal Fotodokumento in Posen, Polen, eröffnen. Schön, dass dieses Projekt realisiert werden kann!
Mein Monat endet mit den Vorbereitungen zu „Licht an“, dem Winterevent der Galeriemeile Gelsenkirchen am 1. Dezember. Um 17 Uhr eröffnen wir in der bild.sprachen-Stadtteilgalerie in der Bergmannstraße die Ausstellung „Erzbahntrasse“ mit Fotoarbeiten von Stefanie Vielhauer.
In der benachbarten Galerie Hundert wagen wir Neues: Zusammen mit den Arbeiten der Galeriefotografen zeigen wir Tellerskulpturen von JĂĽrgen Grislawski, KĂĽnstler aus Herne (Wanne-Eikel).
Wer in Hamburg Fotointeresse mit Sozialem Tun verknüpfen möchte, könnte bei der Benefizausstellung der Freelens-Foundation „Gute Fotos – guter Zweck“ die vom 8.11. 2012 bis zum 17.1. 2013 in der Freelens Galerie gezeigt wird, gut aufgehoben sein. Ausgestellt werden hier auch die Arbeiten verschiedener Pixelprojekt Fotografen.
Die FREELENS Foundation wurde 2012 gegründet, um die Lebens- und Arbeitsbedingungen von Fotografen weltweit zu verbessern. Neben der Unterstützung einzelner hilfsbedürftiger Fotografen sollen auch fotografische Projekte, Ausstellungen, Symposien und Workshops realisiert bzw. unterstützt werden. Der Schwerpunkt wird hierbei auf den sich entwickelnden Ländern liegen.
Das 2005 gegründete und mit 15.000,- Euro ausgestattete Fotoprojekt Emscherzukunft „Bridges“ ruft wieder auf zu seinem alljährlichen Wettbewerb. Dieses Jahr unter dem Motto: „Raum und Traum“. Einreichungen sind bis zum 11. Januar möglich. In diesem Jahr ist es nicht mehr möglich eigene Konzeptideen einzureichen. Stattdessen gibt es nun konkrete Auftragsarbeiten, die der künstlerische Leiter Mario Lombardo auswählt. Für mich bleibt unverständlich, warum man die Entscheidung statt in die ganze Jury (wie gehabt) in die Hand eines Einzelnen legt. Hätte man schon in den Jahren davor mehr Kraft (Geld) in die Verwirklichung der Projektideen gesteckt, wäre man näher an der Autorenfotografie und der Eigenverantwortung der Fotografen, die ja vornehmlich visuelle Denker als Handwerker sind. Und zusätzlich hätte das Unternehmen für das Entstehen neuer Arbeiten sorgen können, statt Vorhandenes zu sammeln.
So weit der November und dann beginnt auch schon die Adventszeit.
Es bleibt viel zu entdecken!
Peter
Peter Liedtke ist Projektleiter bild.sprachen und Initiator von Pixelprojekt_Ruhrgebiet. Er gibt für ruhr.speak einmal im Monat persönliche Tipps zur Fotowelt (an der Schnittstelle zur Urbanität) im Ruhrgebiet, aber auch anderswo.