Ausstellungsbesprechung am frühen Nachmittag im Seminarraum der im Oktober 2013 neu gegründeten Hochschule der Bildenden Künste (HBK) in Essen. Neun Studenten und Studentinnen berichten Dozent Carsten Ivo Gliese von ihren Eindrücken aus zwei Ausstellungen im Essener Museum Folkwang. Die Studierenden haben Thomas Schüttes “Frauen” und Douglas Gordons Installation mit Fotografien “Everything Is Nothing without Its Reflection – A Photographic Pantomime” gesehen.
Drei Stunden später, Déjà-vu: Ausstellungsbesprechung im Seminarraum der HBK Essen. Acht Studenten und Studentinnen berichten Carsten Gliese, Dozent für Fotografie und interdisziplinäre Arbeit von ihren Eindrücken aus denselben Ausstellungen im Museum Folkwang. Lob an Gliese, der auch nach Stunden anstrengender Lehrtätigkeit einen sehr engagierten Eindruck vermittelt.
Waren es am Nachmittag Vollzeitstudenten, so sind es am Abend Studenten, die tagsüber ihren Beruf ausüben und abends ihr Studium zum “B.F.A. Bachelor of Fine Arts” absolvieren.
Selbstverständlich kann sich ruhr.speak zum jetzigen Zeitpunkt weder zur Qualität der Ausbildung noch zu den künstlerischen Fähigkeiten der Studierenden äußern, dazu ist die HBK Essen zu jung. Hartmut Bühler hat sich für ruhr.spekak vor Ort umgesehen. Er findet: Die Neugründung in Essen-Kupferdreh verdient unseren Respekt.
Studienabschlüsse
Zum Beginn des laufenden Wintersemesters hat die HBK Essen ihren Studienbetrieb mit drei rechtskräftig akkreditierten Bachelor-Studiengängen aufgenommen, die die Absolventen zum staatlich anerkannten Abschluss mit dem akademischen Grad Bachelor of Fine Arts führen: B.F.A.-Studiengang: Bildhauerei / Plastik, B.F.A.-Studiengang: Malerei / Grafik und B.F.A.-Studiengang: Fotografie / Medien.
Mit dem akademischen Grad Bachelor of Fine Arts wird die der allgemeinen Hochschulreife entsprechende Hochschulzugangsberechtigung erworben und damit die Voraussetzung für einen weiterbildenden Masterstudiengang. Der dritte Studienzyklus ist die Promotion.
Konzept des Studiums
Das Studium kann in Vollzeit (sieben Semester) oder berufsbegleitend (elf Semester) absolviert werden. Eine Altersbeschränkung ist nicht geplant. “Die HBK Essen steht ausdrücklich Studierenden auch jenseits der 25 offen. Künstlerische Entwicklung ist keine Frage des Alters, lebenslanges Lernen ist für uns keine Phrase”, betont Stephan Schneider, Leiter der HBK Essen. Bisher haben sich 13 Studenten angemeldet: die jüngste ist erst 16, die Älteste 68 Jahre. Anmeldungen kamen auch aus China und Korea oder den benachbarten Niederlanden.
In ihrem Webauftritt verspricht die HBK Essen „eine fundierte Ausbildung, die Sie befähigt, sich eine freischaffende, selbstständige Existenz als Künstler/-in aufzubauen oder Ihren Lebensunterhalt in einem freien oder angewandten künstlerischen Beruf zu bestreiten. Gemäß unserem Profil bieten wir praxisorientierte, berufsqualifizierende Studiengänge im Bereich der freien bildenden Kunst“. „Wenn der Bachelor einmal durch ist, könnte ein Master-Studiengang folgen,“ so Schneider.
Die HBK Essen ist die erste und bisher einzige Hochschule im Ruhrgebiet (in einem Ballungsraum mit über fünf Millionen Einwohnern), die diesen Abschluss anbietet und Kunst-Studierende für eine freischaffende, selbstständige Tätigkeit als Künstler/-in qualifiziert bzw. die Studierenden befähigt, ihren Lebensunterhalt in einem freien oder angewandten künstlerischen Beruf zu bestreiten.
Darüber hinaus ist die Hochschule der Bildenden Künste (HBK) Essen / University of Fine Arts Essen eine staatlich anerkannte Kunsthochschule in nichtstaatlicher Trägerschaft. Die staatliche Anerkennung gilt als wichtiges Qualitätssiegel. Die HBK Essen ist mit einem Bescheid des Ministeriums für Innovation, Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen vom 8. November 2013 eine staatlich anerkannte Kunsthochschule in privater Trägerschaft.
“Das Personal finanzieren wir komplett selbst”, so Schneider. Vom Land erhalte die neue Hochschule kein Geld. Leitung und Dozenten werden durch Findungskommissionen mit externen Experten gesucht.
Kleine Klassen, praxisnahe Ausbildung
“Klein, aber fein” soll die Ausrichtung der neuen, privaten Hochschule sein. Einen Schwerpunkt bildet neben der künstlerischen und kunstwissenschaftlichen Ausbildung die Professionalisierung, also die Vorbereitung auf den Künstlerberuf bzw. die Positionierung im “System Kunst”.
Gegenüber Mitbewerbern wie der Folkwang Universität der Künste (Essen), der Fachhochschule Dortmund Fachbereich Design (als Konkurrent zu den Design-Studiengängen sehe man sich nicht), der Kunstakademie in Münster und der BTK Hochschule für Gestaltung in Iserlohn (private Trägerschaft, staatliche Anerkennung) und der Kunstakademie Düsseldorf sieht sich die HBK “gut gerüstet”. Weitere Kunsthochschulen gibt es in Alfter und Köln.
Gründungspräsident Schneider: “Auch angesichts des Doppel-Abitur-Jahrgangs in NRW ist die HBK Essen eine sinnvolle Ergänzung der hiesigen Hochschullandschaft und eine Entlastung der staatlichen Kunstakademien”.
Das Berufungsverfahren zur Berufung der ersten Professoren an der HBK Essen ist in der ersten Phase abgeschlossen. Es gab 28 Bewerber auf die drei ausgeschriebenen Stellen. Ermittelt wurden Milo Köpp (Bildhauerei/Plastik), Carsten Gliese (Fotografie/Medien) und – Stephan Paul Schneider (Malerei/Grafik).
Die HBK über den Studiengang Fotografie/Medien:
“Der Studiengang Fotografie/Medien behandelt in Forschung und Lehre vornehmlich alle flächen-, raum- und zeitbezogenen, fotografisch-medialen künstlerischen Ausdrucksweisen und Techniken und bewegt sich auf der Höhe der zeitgenössischen Kunstpraxis.” … “Ziel … ist die Ausbildung spezieller fotografisch-medialer Fähigkeiten, die Entwicklung einer eigenständigen, authentischen Position und der Erwerb weitreichender Kompetenzen in der Auseinandersetzung mit praktischen konzeptuellen und theoretischen, fotografischen und allgemein künstlerischen Fragestellungen.”
Trägerschaft
Die HBK Essen ist zwar eine Neugründung, sie startet jedoch nicht bei null. Sie entsteht aus der Freien Akademie der Bildenden Künste (fadbk), die seit elf Jahren existiert und auch weiterhin parallel zur HBK Essen ihr Angebot aufrecht erhält. Trägergesellschaft fadbk AG; Aufsichtsrat Helmut Dinter (Vorsitz), Vorstand Stephan Paul Schneider. Trägergesellschaft HBK Essen gemeinnützige GmbH, Vorstand: Michael Timpe, Wolf Timpe, Volker Timpe.
Hauptfinanzier hinter dem Projekt ist neben dem Förderverein laut der Zeitung NRZ vor allem die Unternehmensberatung Timpe-Gruppe, der das Areal gehört und die Aktionär der fadbk ist. Der als medienscheu geltende Michael Timpe ist neben Schneider und einem weiteren Partner Mitglied des Gründungspräsidiums der HBK und zudem Gründungskanzler. Das gesamte Areal um die Adresse Prinz-Friedrich-Straße 28 A gehört der Investorengruppe, so daß im Bedarfsfalle einer Erweiterung des Akademiegebäudes baulich schnell agiert werden könnte.
Die Timpe Unternehmensberatung kümmert sich im Hintergrund um die Verwaltung der freien Akademie. Eine Bankbürgschaft müssen die Verantwortlichen vorweisen, um bei einer Insolvenz den eingeschriebenen Studenten die Möglichkeit zu geben, dennoch den Abschluss erwerben zu können.
Gebühren
Dabei gilt, so Gründungspräsident Schneider: “Wir müssen uns über die Studiengebühren finanzieren.” Nicht nur aus diesem Grund wird der Studienbetrieb der Freien Akademie, mit der HBK unter einem Dach vereint, fortgesetzt. Doch deren Abschluß – zum Studienende ein Akademiebrief-, ist nicht staatlich anerkannt. Derzeit sind in der Freien Akademie etwa 130 Studierende zwischen 17 und 70 Jahren eingeschrieben. Die Gebühr fürs Studienprogramm “Freie Kunst” beträgt 1.560 Euro pro Semester.
Die HBK Studiengebühren betragen für die Bachelor-Studiengänge : 1.980 Euro (Vollzeit / 7 Semester) bzw.1.380 Euro (Teilzeit / 11 Semester) im Semester. Hinzu kommen die Immatrikulationsgebühr und die Gebühren für die Zwischen- und die Abschlussprüfung sowie ein Sozialbeitrag für den AStA der HBK Essen. Man werde sich für die Zukunft nach Förderern und Sponsoren für die Hochschule umschauen, um auch Stipendien anbieten zu können.
www.hbk-essen.de
www.fabdk.de
www.stephan.schneider.fadbk.net
www.derwesten.de zum Start der HBK
Bericht und Ausstellungsfotos: Hartmut S. Bühler