Wegen der recht kurzfristigen Entscheidung, das International Photo Festival im belgischen Knokke-Heist (24. Mai bis 9. Juni) zu besuchen, gibt es vor Ort kein Zimmer mehr. Deshalb übernachte ich in Blankenberge und nehme am nächsten Tag für kleines Geld die Strand-Straßenbahn bis Knokke-Heist. So kann ich mir während der Fahrt auch noch die Landschaft ansehen. Bereits in Heist sehe ich dasPhoto Festival-Plakat und in Knokke wird mir hilfsbereit der Weg zum Cultuurcentrum Scharpoord gezeigt, in dem das Festival stattfindet.
Im Gebäude fällt die Orientierung leicht. Im Erdgeschoss findet sich ein Café, in dem ich mich immer wieder von den Eindrücken erholen kann und ein Canon-Infostand mit sehr freundlichem Personal, aber leider ohne Clean- und Check-Service, sowie einem kleinen Foto-Screening in holländischer Sprache. Die Ausstellung, die übrigens gratis ist, besteht aus zwei Teilen: dem Preview der World Press Photo-Ausstellung im Erdgeschoss und der PixSea-Award-Ausstellung im 1. Stock. Sie zeigt Arbeiten, die mit dem Emerging Artist Award prämiert wurden. Der Preis ist in diesem Jahr zum ersten Mal verliehen worden.
Zu Beginn des Rundgangs im Erdgeschoss sticht mir eine Serie von Stephan Vanfleteren aus Belgien ins Auge, der phantastische und sehr würdevolle Portraits von Menschen aus Guinea mit körperlicher Behinderung gemacht hat. Neben bestechenden Portraits, faszinierender Tierfotografie und tiefgründigen Einblicken in unterste soziale Schichten sticht vor allem die Kriegsfotografie heraus. In dieser Kategorie finden sich nicht nur überproportional viele Bilder, sondern vor allem viele erschreckend brutale Bilder mit zu vielen Toten und vor allem zu vielen Details über deren Verletzungen und das Leiden. Diese Fotos sind reiner Journalismus, aber ich frage mich, ob sie nur berichten oder nicht auch voyeuristische Aspekte der Betrachter befriedigen. Im Vergleich zu den Bildern aus den sozial schwachen Milieus haben diese Fotos mehr Preise gewonnen. Ist der Preis eine Anerkennung für den lebensgefährlichen Einsatz des Fotografen oder für den Inhalt des Bildes? Die Preisverteilung regt in jedem Fall dazu an, über die Kriterien, die zur Wahl eines Fotos beitragen, nachzudenken.
Nach einer Pause im Café bin ich gespannt auf die Fotografien des 1ste Pixsea Award im ersten Stock. Zu sehen ist eine Ausstellung von Guido Guidi unter dem Namen ” A New Map of Italy”, der den Werkpreise gewonnen hat und uns mit seinen Bilder einen Blick in ein Italien jenseits der Postkartenmotive gewährt. Außerdem präsentieren sich sieben junge Fotografen aus den Niederlanden, Frankreich, Deutschland, Belgien und den UK, die für den Emerging Artist Award in der engeren Wahl sind. Interessant ist hier der unterschiedliche Umgang mit dem Medium Fotografie.
Zwei dieser Fotografen sind mir besonders aufgefallen. Die riesigen Fotografien von Noémie Goudal wirken wie kühle Landschaftsgemälde des späten 19. Jahrhunderts, spielen dann aber dem Betrachter einen Streich, da Goudal immer wieder Fototapeten als Trompe l’Oeil in ihren Motiven verwendet. Einen ganz anderen Ansatz, mit Fotografie umzugehen, zeigt Anouk Kruithof, die eine fast willkürliche Auswahl an Fotografien und Formaten über den Köpfen der Besucher angebracht hat. Man ist aufgefordert, einen Spiegel zum Betrachten zu verwenden, wodurch sich eine völlig neue Sichtweise auf die Bilder ergibt, denn jede Bewegung muss seitenverkehrt ausgeführt werden.
Mein Gesamteindruck des Festivals ist positiv, ich finde die Möglichkeit interessant, unter einem Dach die Ergebnisse professioneller Fotojournalisten mit denen aufsteigender, teils experimenteller Fotografen zu vergleichen.
www.fotofestival.be
Text: Peter Giefer, Fotograf, Journalist und Fotodozent
Fotos: Fotofestival Knokke-Heist