Duisburg war noch um 1960 eine vitale Industriestadt mit hoher Lebensqualität. Sie zählte zu den deutschen Städten mit dem höchsten Pro-Kopf-Einkommen. … Heute ist die Infrastruktur marode, die Stadt ist hoch überschuldet und kann die Kosten ihrer tatsächlichen Aufgaben nicht mehr leisten.
Auch das Terrain, das Berges über zehn Jahre in Duisburg geduldig erkundet hat, ist gekennzeichnet von dieser tief reichenden Misere. … Dabei geht es in diesen Bildern jedoch nie um eine konkrete Darstellung sozialer Fehlentwicklungen. Berges interessiert vielmehr, wie die Dinge im Bild sprechend gemacht werden können, um eine Erfahrungsdimension nachvollziehbar werden zu lassen…

Alt-Homberg, 2017. Foto: Laurenz Berges.
In Duisburg hat er Bilder einer Leere gefunden, die von einem grundlegenden Schweigen erfüllt sind. Das Licht und die Stille sind ihre Boten. … In diesen Fotografien ist eine Langsamkeit der Beobachtung angelegt, die sich auf unsere Betrachtung überträgt.“ … (aus dem Pressetext zu 4100 Duisburg. Das letzte Jahrhundert)
Zugegeben, die Schönheit des Unscheinbaren im Pressetext ist poetisch und bedeutungsreich geschrieben. Jedoch sind 75 Motive aber dann viel, wenn sie wie derzeit im Quadrat, derart ‘langsam’ aufgenommen wurden. Es fehlt Spannung, es fehlen Überraschungen in den „Bildern … die von einer ganz eigenen Kolorierung gekennzeichnet sind, die typisch für die in der Stadt ansässige Industrie ist: Der rötliche Staub der Kupferhütte liegt nach wie vor über allen älteren Gegenständen im Freien und verleiht ihnen ein rostfarbenes Aussehen,“ … so Prof. Thomas Weski im Ausstellungskatalog.

Bahndamm Duisburg-Beek, 2014. Foto: Laurenz Berges.
Fotograf Berges (*1966 in Cloppenburg) befindet sich auf Augenhöhe mit Robert Adams und Walker Evans. Das im Foyer des Josef Albers Museum Quadrat Bottrop. Dort hängen die Ausstellungsplakate der drei Fotokünstler nebeneinander. Albers Museumsdirektor Dr. Heinz Liesbrock sieht Berges auch in „den Spuren Eugène Atgets“.
Aber ob die Einschätzung der Galerie Thomas Zander über Eugène Atgets Wirken auf LB zu übertragen ist, bleibt fraglich: »Spätestens ab den 1920er Jahren beeinflusste Atget nachhaltig die damalige Kunstszene und wird nicht nur zum wichtigen Vorbild und zur Inspirationsquelle für FotografInnen seiner Zeit, sondern auch für nachfolgende Künstlergenerationen.« (httgaleriezander.com – Atget)

Am Parallelhafen, 2014. Foto: Laurenz Berges.
4100 Duisburg – so lautete die alte PLZ. Seit 1. Juli 1993 reichen die PLZ für Duisburg von 47051 bis 47228. Die Ausstellung heißt ‘4100 Duisburg. Das letzte Jahrhundert’. Die Berges-Bilder entstanden in den Jahren 2009-19. Der Blick geht aber auf die glorreichen 1960er Jahre und die tristeren Jahre danach zurück. So ganz verstehen muss man es nicht.

Alsum Rhein, 2017. Foto: Laurenz Berges.
Für ‘Das letzte Jahrhundert’ verwendete LB eine Großbildkamera. Eine Kamera eher von gestern, die lange Belichtungszeiten erfordert. Daher gibt es kaum Spuren von echtem Leben: einen Hund und wenige Menschen. Einmal zeigt uns Berges Herrn Scholz (2017), wie er in einem Hinterhof in einem Gartenstuhl sitzt. Oder „Theo“ (2019), der aus dem Fenster blickt. Oder einen Obdachlosen im Immanuel Kant Park von 2012.
Als Plakatmotiv dient der denkmalgeschützte Matenatunnel, auch bekannt durch diverse Schimanski Kriminalfilme. Allein, die Straße führt ins Dunkel, es gibt kein Licht am Ende. Eine schlichte Metapher. Und nebenbei: für eine Ausstellung über Duisburg ist das Motiv des Tunnels nicht eben glücklich gewählt.

Matena, 2010. Foto: Laurenz Berges.
Christiane Hoffmann, Der Spiegel: „Man muss sich davor hüten, Berges’ Aufnahmen als Dokumentation zu betrachten. Jedes Bild ist vielmehr komponiert. Um dies zu erreichen, arbeitet er wie ein Forscher. … In Arbeiter– und Migrantenvierteln, Rotlichtmilieus und Industrieanlagen ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch ‘Wände zu finden, wo der ganze Dreck der Geschichte noch dran ist.
Berges arbeitet genau und sorgfältig, er selbst würde das prosaischer mit ‘ich bin nicht der Schnellste’ formulieren. … Und noch eine Regel hat der Fotograf aufgestellt: Es gilt unter allen Umständen, Klischees zu vermeiden. … Die Welt ohne Vorurteile aufzusaugen, das hat er bei der New Yorker Fotografin Evelyn Hofer gelernt, deren Assistent Berges war. Bei Hofer hat er erkannt, dass es nicht darauf ankommt, wo und was man fotografiert, sondern wie. Daraus resultierte das lange Suchen nach einem bildwürdigen Motiv.“

Bahnstrasse 2014. Foto. Laurenz Berges.
LB ist Absolvent der Düsseldorfer Photoschule. 1992 Studium an der Kunstakademie Düsseldorf bei Bernd Becher. 1996 Meisterschüler bei Prof. Bernd Becher. Spannend was as dieser Idee alles entstanden ist. Die B-Klasse befindet sich auf Tour. Am 21. März zeigt die Kunsthalle Düsseldorf SUBJEKT und OBJEKT. FOTO RHEIN RUHR. Ohne Berges, aber mit „Schüler*innen“ wie Andreas Gursky, Candida Höfer, Thomas Ruff und Thomas Struth.
Zur Ausstellung erschien das Buch Laurenz Berges. 4100 Duisburg im Verlag der Buchhandlung Walther König, mit Texten von Heinz Liesbrock und Thomas Weski, 168 Seiten, 84 Abbildungen, 320 x 255 mm, Hardcover, Leinen.
Ebenfalls erscheint die Fotografie Rhein als Edition (35 x 42 cm), Auflage 12 + 3 a.p. Die Ausstellung wird gefördert durch die Peter Klöckner-Stiftung.
Laurenz Berges. 4100 Duisburg. Das letzte Jahrhundert
Joesf Albers Museum Quadrat Bottrop
noch mit 3. Mai 2020
Text: Pressetext, Berges-Website, Katalog-Texte und Hartmut Bühler, Fotograf
Fotos: Laurenz Berges_Ausstellungsfotos: KNSY.de und Hartmut Bühler