Zeitungen und Magazine, die heute mit Reportagefotografien an die Öffentlichkeit gehen, nehmen ein erhebliches Risiko in Kauf, von Abgebildeten rechtlich belangt zu werden. Das ist ein Ergebnis der Vortrags- und (von Michael Ebert, DGPh, moderierten) Diskussionsveranstaltung zum Thema „Lavieren in der juristischen Grauzone – Photographieren in der Öffentlichkeit“ vom 27. Juni 2014 in Köln. Zugleich wurde aber auch deutlich, dass die Zahl der Auseinandersetzungen mit Personen, die ihr Persönlichkeitsrecht verletzt sehen, begrenzt ist.
Referent Dr. Sebastian Rengshausen, Rechtsanwalt bzw. Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz in Hamburg (Unverzagt von Have Rechtsanwälte) und Berater des Berufsverbandes für Fotojournalisten und Fotografen, Freelens, machte erst gar nicht den Versuch, eine Rechtssicherheit heraufzubeschwören, die es so offenbar nicht gibt, und die es bei Lichte besehen auch nie gegeben hat. Denn das Recht am eigenen Bild ist als ein elementares Recht im Grundgesetz verankert – nachzulesen in dem Buch „Recht am eigenen Bild“, das 2012 im dpunkt.verlag in Heidelberg erschienen ist. Mitautor ist der Bonner Rechtsanwalt und Gründer des Fotorecht-Magazins rechtambild.de, Dennis Tölle, der neben Sebastian Rengshausen, Rudolf Krahm, Lektor des d.punkt-Verlages, Tilmann Krieg, Fotograf und Designer, und Peter Liedtke, Fotograf und Vermittler, an der Podiumsdiskussion im Anschluss an den Vortrag mitwirkte.
„Die Leute empfinden die Photographie als Waffe“, brachte Tilmann Krieg, DGPh, seine Erfahrungen zum Thema auf den Punkt.
Er war Anreger für diese erste Veranstaltung zum Thema Photorecht. In einer E-Mail an die Sektion hatte Krieg im letzten Herbst ganz allgemein „die zunehmende Einschränkung der Freiheit, als Fotograf in der Öffentlichkeit ein Bild zu machen“ beklagt und eine in seinen Augen „weitgehend ungeklärte und dauerndem Wandel unterliegende Rechtslage“ moniert.
Peter Liedtke, der auch als Begründer und Betreiber der Internetplattform „Pixelprojekt_Ruhrgebiet“ Erfahrungen gesammelt hat, resümierte: „Sobald wir fotografieren, befinden wir uns immer in einer rechtlichen Grauzone zwischen Erlaubtem und eventuell nicht Erlaubtem. Wenn wir immer auf Nummer sicher gehen wollten, benötigten wir vor jeder Veröffentlichung schon fast das Urteil eines Rechtsanwalts, der uns aber auch nur selten eine absolute Unbedenklichkeit erklären kann.“ Ein „Modell-Release“ für Reportagen und Dokumentation ist nach Ansicht von Liedtke in der Regel wenig praktikabel, gerade bei heiklen Themen.
Hier sei der Fotograf als verantwortungsvoller Autor gefragt und auch sein Rückgrat.
„In aller Regel gibt es keine Probleme mit den Abgebildeten und wenn doch, muss man für das eigene Werk und die eigenen Bilder kämpfen“, betonte Liedtke und erinnerte daran, dass die Fotografen „eine gesellschaftlich immens wichtige Arbeit in ihrer Reflektion der Welt und ihrer Erscheinungen“ leisten würden. Diese gelte es zu verteidigen. Hier ist letztlich die Politik gefragt, die Kunst und den Journalismus (viele Fotografien befinden sich in einem Bereich dazwischen) zu stärken.
Wie notwendig die politische Einflussnahme ist, zeigt die von dem Moderator Michael Ebert in die Diskussion gebrachte Problematik „bloßstellender Bilder“, die weit über das sie auslösende Thema der Kinderpornographie hinausreicht und ungeahnte Grauzonen eröffnet. Laut einem Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums können auch Erwachsene in der Öffentlichkeit Opfer werden. Damit werden „bloßstellende“ Bilder zu einem Straftatbestand.
Frage: Kann ein Photograph unter diesen Umständen heute überhaupt noch Chronist für Dinge sein kann, die auf der Straße bzw. in der Öffentlichkeit passieren?
Thomas Hoepker, Magnum-Fotograf, sagte 2011 in einem Interview: „Als Fotojournalist setze ich alles daran, die Ereignisse, deren Zeuge ich bin, nicht zu beeinflussen. Würde man ein Gespräch beginnen oder um Erlaubnis bitten, dann würde man jede authentische Situation im Nu verändern.“
Der kürzlich verstorbene stern-Fotograf Robert Lebeck schlich sich bei der Beerdigung von Robert Kennedy 1968 in der New Yorker St. Patrick’s Kathedrale und fotografierte Jackie Kennedy und ihre Schwester beim Gebet. Diese Szene – sagt Andreas Kronawitt, leitender Bildredakteur des stern, auf Anfrage – sei ein Grenzfall. „Wir hätten heute eine Klage am Hals.“
Ein von anderer Seite berichteter Fall ist in der Grauzone zwischen dem einst gewerblich aufgenommenen Photo und seiner späteren Verwendung im Zusammenhang der Kunst angesiedelt: Ein Verlag will über einen noch wenig bekannten Bildjournalisten und Werbefotografen, der vor einigen Jahrzehnten mit einer Dokumentation über Berlin Aufmerksamkeit erregt hat, eine Monographie herausbringen.
Als alles Bildmaterial zusammen ist, fragt der Justiziar des Verlags: „Haben Sie die Bilder auch ohne Menschen?“
Dieselbe Quelle, ein deutscher Photograph, macht die Erfahrung, dass die Leute auf der Straße scheinbar alle eine Rechtsschutzversicherung haben und Redaktionen Aufnahmen mit Personen ohne Einwilligungserklärung der Abgebildeten zurückweisen.
Andreas Kronawitt, erinnert sich, dass Ende der achtziger Jahre, als er studierte, das Recht am eigenen Bild überhaupt kein Thema war.
Ist es ein Zufall, dass im stern (Ausgabe Nr. 26) keine problematischen Photos zu finden sind außer den Lebeck-Aufnahmen, die seinen schönen Nachruf bebildern? Andererseits sagt der stern aber auch: „Wenn wir denken, dass die Person nicht verunglimpfend dargestellt ist, drucken wir auch ohne Genehmigung.“ Nur ein relativ kleiner Teil der Leute mache Probleme. Kronawitt findet, dass die Diskussion, die um das Thema in der Öffentlichkeit mittlerweile geführt wird, nicht in Relation steht zu den tatsächlichen Problemen in der Redaktion.
Text: Dr. Christiane Fricke, DGPh, Sektion Kunst, Markt und Recht
Die Websites des Referenten und der Diskussionsteilnehmer:
Dr. Sebastian Rengshausen
Rechtsanwalt bzw. Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz in Hamburg, Kanzlei Unverzagt von Have Rechtsanwälte www.unverzagtvonhave.com
Dennis Tölle
Rechtsanwalt, Bonn
www.rechtambild.de
Florian Wagenknecht und Dennis Tölle: Recht am Bild, Wegweiser zum Fotorecht für Fotografen und Kreative, dpunkt.verlag GmbH, Heidelberg 2012, ISBN 978-3-86490-010-5
Tilmann Krieg
Fotograf und Designer, Kehl
www.tilmannkrieg.com (fine arts), www.tilmannkrieg.de (design), www.tk-vision.com (culture-photography)
Peter Liedtke
Pixelprojekt_Ruhrgebiet, Gelsenkirchen
www.pixelprojekt-ruhrgebiet.de und www.ruhrspeak.de
Rudolf Krahm
Lektor für den dpunkt.verlag, Heidelberg
www.dpunkt.de
Die Reihe Photorecht wird mit Vorträgen von Dr. Daniel Kötz, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, über den “Urheberschutz im Internet” (5. Dezember 2014 in der Aula der Kunsthochschule für Medien in Köln, 19 Uhr) und dem Kunsthistoriker und Juristen Felix Michl über die Verbindlichkeit von Auflagenbegrenzungen und fortgesetzt (Anfang 2015).