Ikonographische Starkultporträts des Pop und Rock in der Ludwiggalerie Schloss Oberhausen
Wer wäre nicht gerne Rockstar oder Fotograf? Oder gar beides. Das haben nur wenige Menschen geschafft. Beispielsweise Bryan Adams, Wolf Hoffmann, Lenny Kravitz, Farin Urlaub, Graham Nash, Michael Stipe und Patti Smith. Und Linda Eastman, seit 1969 Ehefrau von Beatle Paul McCartney.

Janis Joplin im Fillmore East mit “Ball and Chain”, New York, 1967 © Paul McCartney/Fotografin Linda McCartney/Courtesy Sammlung Reichelt und Brockmann
Als die Amerikanerin Eastman (1941–1998) Mitte der 1960er Jahre zu fotografieren beginnt, gerät sie unmittelbar in die Szene von Rock und Pop. Ausgerechnet eine Presseeinladung zu einer Promotionparty der Rolling Stones öffnet ihr die Türen als Fotografin der Musik- und Rockszene. Hier beginnt ihre Karriere. Außerdem trifft sie die Beatles und damit ihren späteren Ehemann Paul, den sie später als Keyboarderin der gemeinsamen Band Wings begleiten wird.
Aber vor allem ihre Bilder der großen Musikstars der späten 1960er Jahre prägen bis heute unser Bildgedächtnis. Janis Joplin und Jimi Hendrix, Nico und Brian Jones, The Doors und The Who, Aretha Franklin und Bob Dylan werden von ihr in selbstverständlicher Natürlichkeit und Nähe ins Bild gesetzt. Die Ausstellung zeigt mit den Fotos aus den Sixties eindringliche Momente dieser intensiven musikalischen Ära. Was Linda später belastete, war die Tatsache, dass sie als Ehefrau, Mutter und Musikerin selbst zur öffentlichen Person wurde und von Paparazzi wie der Regenbogenpresse gleichermaßen ‘gejagt’ wurde.

Paul McCartney © Paul McCartney/Fotografin Linda McCartney/Courtesy Sammlung Reichelt und Brockmann
Darüber berichtet Autor und Biograf Danny Fields in seinem Buch Linda McCartney – Porträt einer unbekannten Frau (Hannibal Verlag, 2001): Paul und Linda McCartney, 30 Jahre einer perfekten Symbiose, skandalfrei, mit wohlgeratenen Kindern gesegnet und einer Wings-Karriere, die eher dahinrumpelte. Ein Publikumsliebling wurde Linda dabei ebenso wenig wie ihr Gegenpart Yoko Ono – zu sehr wurde beiden Frauen die Trennung der Beatles angelastet. Auch verlor “Lovely Linda” als Frau des Chefs zuweilen angeblich ihren Liebreiz: einige Wings-Musiker wurden mit der Abschiedsformel “Danke für nichts und auf Nimmerwiedersehen” von Pauls Herzensdame in Rente geschickt.
Der Leser erfährt, dass auf Wings-Tourneen selbst Roadies, die allabendlich tonnenweise Equipment herumwuchteten, von den Vegetariern Paul und Linda vertraglich zu einer Schmalkost aus Hirseklopsen und Tofuspätzle verdonnert wurden.
In der Ludwiggalerie wird neben den Fotografien dem Thema Musik und seiner bildkünstlerischen Ausformung nachgespürt. Der Gestaltung von Plattencovern ist ein eigener Ausstellungsbereich gewidmet. Ikonische Designs wie Hipgnosis‘ The Dark Side of the Moon für Pink Floyd, Klaus Voormanns Revolver für die Beatles oder Andy Warhols Sticky Fingers für die Rolling Stones haben längst Kultstatus erlangt. Ein eigens für die Ausstellung zusammengestellter Soundwalk ermöglicht, musikalisch in die Zeit der Sechzigerjahre einzutauchen.
Linda McCartney hat neben ihren Fotos aus dem Bereich der Musik auch auf ihren Reisen die Kamera mitgenommen. Ihre Roadworks zeigen ausdrucksvoll die Beobachtungen von Menschen und Räumen. Und schließlich ist McCartney im experimentellen Bereich kreativ geworden. Als Sunprints werden die durch das Tageslicht belichteten Bilder bezeichnet, die vom Stillleben bis zum Porträt reichen. Auch die Familienaufnahmen sind von künstlerischem Rang. Ihr Kameratalent geerbt hat Tochter Mary Anna (*1969), die sich als Celebrity-Fotografin ebenfalls einen Namen gemacht hat.

Sunprints: Selbstporträt © Paul McCartney/Fotografin Linda McCartney/Courtesy Sammlung Reichelt und Brockmann
Die Ausstellung in Oberhausen wurde erarbeitet mit Fotografien aus der Sammlung Ina Brockmann und Peter Reichelt, die Anfang der 1990er Jahre ihre Kollektion in Kooperation mit Linda McCartney zusammengestellt haben.
Diese Rezension ist eine Mixtur aus dem lesenswerten Linda McCartney-Booklet, dem Museumspressetext und der Fields-Buchinhaltsangabe, verfasst von einem begeisterten Hartmut Bühler, Fotograf in Düsseldorf. Die Broschüre erläutert das Blickfeld der fotografischen Autodidaktin McCartneys, die 1963 einen Kurs bei der berühmten Fotografin Hazel Archer (1921-2001) in Tucson, Arizona, belegte. Spannende Informationen über Arbeitsweisen und Begegnungen mit den MusikerInnen von McCartneys sind den Bildlegenden in der Ausstellung zu entnehmen.
Die Linda McCartney-Broschüre ist erhältlich im Museum Ludwiggalerie Schloss Oberhausen. Herausgegeben von Museumsdirektorin Dr.Christine Vogt.
Bis zum 3. Mai 2020 in der Ludwiggalerie Schloss Oberhausen
Fotografin unter Musikern – Linda McCartney. The Sixties and more.
Gefördert von Peter und Irene Ludwig Stiftung
Text und Ausstellungsfotos: Hartmut Bühler

The Beatles, 1967. McCartney wird zur Presseveranstaltung für das Sgt.-Pepper-Album eingeladen:” Ich fand die Bilder künstlerisch nicht sonderlich gelungen, außer der Aufnahme von John und Paul mit den Daumen nach oben. Da hatte ich das Gefühl, dass es eine Interaktion gab, und außerdem war ich die einzige Fotografin, die dieses Foto hatte.” _ Sammlung Ina Brockmann und Peter Reichelt. Ausstellungsfoto: Hartmut Bühler.

Rockfans sind alterslos. Ausstellungsfoto: Hartmut Bühler

Lindas Equipment. Ausstellungsfoto: Hartmut Bühler.