FĂŒr die Neuaufnahme 2013/14 hatten sich 64 Fotografinnen und Fotografen aus ganz Deutschland mit insgesamt 107 Fotoserien beworben. Davon werden 23 Fotoserien von 20 Fotograf(Innen) in diesem Jahr parallel zur Ausstellung der Neuaufnahmen im Wissenschaftspark Gelsenkirchen in die digitale Sammlung des Projektes aufgenommen. Ausschnitte aus allen Serien werden im Original gezeigt und machen die Dimension des sonst nur im Internet sichtbaren Projektes deutlich.
Die Arbeiten wurden begutachtet von der Pixelprojekt Ruhrgebiet-Jury, bestehend aus Dr. Sigrid Schneider, ehem. Ruhr Museum Essen, Prof. Elisabeth Neudörfl, Folkwang UniversitĂ€t der KĂŒnste, Prof. Dr. Anna Zika, FH Bielefeld, Prof. Heiner Schmitz, ehem. FH Dortmund, Prof. Hermann Dornhege, FH MĂŒnster und Peter Liedtke, Pixelprojekt_Ruhrgebiet.
AuffÀllig bei den aktuellen Aspiranten: es sind neben Fotoprofis auch im besten Sinne Amateure unter den Ausgestellten, eine Demokratisierung der ErwÀhlten scheint erkennbar. Ist das gut so oder wird die Jury einfach nur milder in ihren Bewertungskriterien?
Galerie im Wissenschaftspark Gelsenkirchen mit der Ausstellung der Neuaufnahmen. Foto: Hartmut S. BĂŒhler
Wie denkt, selektiert, tickt eine Jury? Gibt es “objektive” Kriterien, welchen Einfluss ĂŒbt die “Tagesform” aus?
Peter Liedtke, Projektleiter bild.sprachen und Initiator des Pixelprojekts: âErstaunlicherweise scheint es in diesem Jahr einen Schwerpunkt bei Arbeiten zum Thema Siedlung zu geben. Woran das liegt, kann ich nur mutmaĂen. Vielleicht suchen wir in einer immer globaleren Welt zum Ausgleich die kleinen Zellen, die Nachbarschaft, die Heimat, die Geborgenheit?â
AndrĂ© Schuster: Architektur der Kolonien. Ausstellungsfoto: Hartmut S. BĂŒhler
Nicht nur Neuaufnahmen-Neugierige, die zum Ausstellungsort Wissenschaftspark Gelsenkirchen reisen, wollen sich ĂŒberraschen lassen. Hervorzuheben sind die meiner Meinung nach mit einem âmagna cum laudeâ die Arbeiten von KARIN HESSMANN (*1959, Abschluss Fotodesignstudium an der FH Dortmund) und CORNELIA SUHAN (*1956; Fotodesignerin, FH Dortmund) mit der People-Serie “Inszenierungen im ehemaligen FĂŒhrungsbunker Dortmund” und JENS SUNDHEIMs (*1970) Von Ameisen und Sternkörpern – Wissenschaft und Forschung an der RuhruniversitĂ€t Bochum, 2013.
Vom Thema her ĂŒberzeugt CORNELIA WIMMERs Serie âDortmunder Schulhöfeâ. Betrachter sehen sich sofort auf eine Zeitreise in die eigene Kindheit geschickt. Wobei die Tristesse der Pausenhöfe in der Seele schmerzen. Die Gesamtschullehrerin (62) hatte bereits 2008 mit ihrer sw-Serie âGrabelandâ Aufnahme ins Pixelprojekt Ruhrgebiet gefunden.
AMKE KRAMER (*1986, Kommunikationsdesign- und Fotografiestudium an der Ruhrakademie Schwerte mit Diplomabschluss Fotografie) besuchte fĂŒr ihre Serie “Sri Kamadchi Ampal” das Hindu-Tempelfest in Hamm-Uentrop 2012/13. Dieses Ereignis, bei dem wĂ€hrend einer Prozession die Statue der Göttin Kamadchi den Tempel umrundet und zugleich die Stadt und die in ihr lebenden Menschen segnet, besuchen im Schnitt 25.000 GlĂ€ubige und Besucher aus der ganzen Welt.
Zwei Projekte reichte ein JĂRG BOSTRĂM (*1936, Studium der Malerei und Kunsterziehung an der Kunstakademie DĂŒsseldorf bei Professor Bruno Goller und der Salzburger Sommerakademie Schule des Sehens bei Oskar Kokoschka) mit âBruckhausenâ, 1974 und âEisenheimâ 1972, mit jeweils teils berĂŒhrenden Menschenbildern.
Auch WOLFGANG QUICKELS (*1952, seit 2010 freier Fotograf und MitbegrĂŒnder des Internetportals halloherne) zeigt wunderbare Szenen mit seinen Protagonisten der Serie âNeu fĂŒr Alt â Die Geschichte der Hohewardsiedlung von 1986/87 in Herten-Hoheward.
Gefallen finden auch die âLieblingsorteâ von ARND DRIFTE (*1969 Grafikdesigner), realisiert mittels intensiver SchĂ€rfe/UnschĂ€rfe-Perspektiven.
ANNE-LENA MICHEL (*1981, Studium der Fotografie an der Folkwang UniversitĂ€t der KĂŒnste, Diplom mit Auszeichnung) ĂŒberzeugt mit ihrer Fotoserie âSTARCAST â Pop-Up Store eines fiktiven Unternehmensâ 2013, in der sie âan die Neugier der Passantenâ appelliert. Dabei thematisiert sie âdas scheinbar dem Menschen innewohnende BedĂŒrfnis nach Starruhm und BerĂŒhmtsein, das sich auch durch die Allgegenwart von Castingshows bemerkbar machtâ.
Anne-Lena Michel: Aus der Serie “Starcast”. Ausstellungsfoto Hartmut S. BĂŒhler
“Surprise me” ist der hohe Anspruch, den wir alle an eine Welt der Bilder und des Kampfes um Aufmerksamkeit stellen. Dies gelingt der aktuellen Ausstellung im Wissenschaftszentrum Gelsenkirchen jedoch nur in AusnahmefĂ€llen.
Pixelprojekt_Ruhrgebiet wurde 2003 auf Initiative von zunĂ€chst 27 Fotografinnen und Fotografen in bildnerischer Tradition der Fotografenagentur âMagnumâ als digitale Sammlung fotografischer Positionen gegrĂŒndet. Ausgerechnet die Bildagentur âMagnumâ hatten sich die Initiatoren des Pixelprojekts_Ruhrgebiet zum Vorbild genommen: erklĂ€rtermaĂen ein hehres Ziel.
Ziel ist die Darstellung eines regionalen GedĂ€chtnisses mit den Mitteln der Fotografie und ihrer Autoren im Internet. Als unabhĂ€ngiges Projekt nimmt es dabei seine Rolle als beobachtendes Instrument regionaler Entwicklungen auch jenseits des Mainstreams und der GroĂveranstaltungen wahr.
WĂ€hrend im ersten Jahr 32 Fotoserien von 34 Fotografinnen und Fotografen in das Projekt aufgenommen wurden, wĂ€chst es jetzt auf insgesamt 417 Fotoserien von insgesamt 258 Fotografinnen und Fotografen und hat einen Umfang von ca. 8.000 Einzelbildern. Damit liefert das Projekt gleichzeitig einen einzigartigen Ăberblick ĂŒber die Region Ruhrgebiet und ihre Entwicklung sowie ĂŒber aktuelle Fotografie und deren Entwicklung.
Jörg Boström: Eisenheim. Ausstellungsfoto Hartmut S. BĂŒhler
Im Internet unter sind die kompletten Serien freigeschaltet.
Das Pixelprojekt_Ruhrgebiet wird gefördert und ermöglicht durch:
Ministerium fĂŒr Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen, Sparkasse Gelsenkirchen, Stadt Gelsenkirchen, Wissenschaftspark Gelsenkirchen, Ruhr Museum, werkbund nrw, Kulturserver NRW, Förderverein Pixelprojekt_Ruhrgebiet, Forum Geschichtskultur an Ruhr und Emscher e.V. und Stiftung Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur.
Pixelprojekt_Ruhrgebiet
pixelprojekt-ruhrgebiet.de
Ausstellung der Neuaufnahmen 2013/2014
bis 8. November 2014
Wissenschaftspark Gelsenkirchen
Munscheidstr. 14
45886 Gelsenkirchen
www.wipage.de
Text und Ausstellungfotos: Hartmut S. BĂŒhler
Karin Hessmann und Cornelia Suhan: Aus der Serie “Inszenierung im ehemaligen FĂŒhrungsbunker Dortmund”. Ausstellungsfoto: Hartmut S. BĂŒhler
Arnd Drifte: Lieblingsorte 2012. Ausstellungsfoto: Hartmut S. BĂŒhler