Fotos Fotos Fotos, Kameras Kameras Kameras und Technik Technik Technik. Das war 2010 so, als ich die Photokina Messe in Köln besuchte: die Füße schmerzten, die Augen fokussierten zwar noch, nehmen aber nichts mehr richtig wahr. Hab mal wieder zu wenig Wasser getrunken, gleichzeitig litt das Gehirn unter der Sauerstoffarmut in den Deutzer Hallen.
2012, eben erst schloss die Photokina Messe ihre Pforten. Selbstverständlich war ich erneut vor Ort. Aber warum eigentlich? Denn erstmals wurde auf die „Visual Gallery“ verzichtet. Eine “Bankrotterklärung”, ein “großer Verlust”, oder “zum Heulen”: Die Fotogemeinde findet viele Worte für die Entwicklungen auf der weltweit größten Messe rund um das fotografische Bild, der Photokina. Diese hat ihren gesonderten Bereich für Fotokunst aus wirtschaftlichen Gründen abgeschafft, die “Visual Gallery”.
Grund der Schließung seien vor allem Sparmaßnahmen der japanischen Fotoindustrie, sagt Ditmar Schädel, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Photographie. Die Industrie habe die Galerie in großen Teilen finanziert. Für die kostenlos zugängliche Fotoschau fehle das Geld, weil sie anders als der technische Messebereich keinen Gewinn erwirtschafte.
Die “Visual Gallery” galt als künstlerischer Höhepunkt Messe und zog Tausende Besucher an. Kenner befürchten nun einen schleichenden Bedeutungsverlust. Denn während die Hersteller immer mehr Technik und -zubehör vorstellen, gehe der kreative Blick verloren.
“Es geht um das Zusammenspiel von Technik und künstlerischer Arbeit”, sagt Schädel. Viele Verbraucher interessiere nicht allein die neueste 3D-Technologie und HD-Qualität für ihre Urlaubsfotos. “Wir haben heute sehr viele engagierte Hobby-Fotografen, die nicht nur Knips-Bilder machen, sondern beobachten, was in der Fotokunst passiert und das nachahmen wollen.”
2012 besuchten 185 000 Menschen die Photokina, 3000 mehr als 2010. Knapp die Hälfte waren Fachbesucher. “Ein wichtiger Teil der Messe geht verloren, nämlich der künstlerische, kulturelle Teil”, sagt Schädel. “Das waren hochkarätige Ausstellungen.” Dieser Blick werde den Besuchern nun genommen. Die Liste renommierter Fotografen, die in der etwas abseits gelegenen Halle 1 vertreten waren, ist lang: Anton Corbijn, Thomas Hoepker, Martin Parr und Jim Rakete sind nur einige der bekannteren Namen hinter der Linse. Auch jungen Künstlern verschaffte die Ausstellung mit Nachwuchs- und Förderpreisen mehr Aufmerksamkeit, etwa durch den mit 15 000 Euro dotierten „BFF-Award“ des Bundes Freischaffender Foto-Designer. Ausgeschrieben ist der Preis dieses Jahr wieder – Photokina-Besucher werden die Gewinner aber nicht zu sehen bekommen, vermutet BFF-Geschäftsführer Norbert Waning und sagt: “Ich finde es sehr bedauerlich, dass man diesen Weg gehen musste.”
Die Photokina werde indirekt zur reinen Technikmesse degradiert, obwohl diese doch nur Mittel zum Zweck des guten Bildes sei. Fotografin Heike Rost aus Mainz fasst auf ihrer Internetseite zusammen: “Für die wirtschaftlich gebeutelte Branche wäre eine Beschäftigung mit Fotografie und ihren Inhalten enorm wichtig; stattdessen degradiert sie sich auf einen reinen Technikspielplatz.”
Kleinere Einzelausstellungen und der neue “Boulevard of Competitions” sollen die alte Kunstschau ersetzen. Doch anders als die ruhiger gelegene Halle 1 liegt er an einem stark frequentierten Knotenpunkt zwischen zwei Messehallen. Außerdem müssen Besucher für einen Blick auf den “Boulevard” nun den vollen Eintritt zahlen, während die alte Galerie kostenlos zugänglich war. . “Man hat nicht mehr die Möglichkeit, sich konzentriert auf Bilder einzulassen”, sagt Ditmar Schädel. Was würde L. Fritz Gruber – er hat 1974 die Bilderschauen begründet-, wäre er noch am Leben, hierzu heute sagen? Hätte er so viel Einfluß, daß die „Visual Gallery“ erhalten bliebe?
Also, warum bin ich hier? Technik will ich nicht kaufen, mit meinen Kameras bin ich zufrieden. Für mich ist klar: ich bin hier in Deutz, um spannende Bilder zu entdecken und mich an ihnen zu erfreuen. Anstelle der „Visual Gallery“ finde ich nun eine Leistungsschau, durchgeführt vom Traditionsunternehmen Leica.
Die ganze Halle 1 ist von den Solmsern gemietet und edel gestaltet. Hm, das kostet. Ich freue mich , daß es Leica so gut geht. Soll es auch, von Herzen gegönnt. Neben der Leica-Technikpalette besteht die Bilderschau aus 20 Elementen, spannt den Bogen von den Klassikern der Kunst- und Reportagefotografie bis zu aktuellen Positionen aus der Reportage- und Modefotografie. Ja, auch der berühmte Brite Rankin zeigt 17 großformatige Bilder und von Andreas Gursky ist zu sehen „Bangkok V“. So verweisen denn diese beiden clever auf ihre aktuellen Solo-Fotoausstellungen, die derzeit in Düsseldorf im NRW-Forum und im Kunstpalast zu sehen sind. „Bangkok V“ im Format 307 x 227 Zentimeter ist denn auch das Plakatmotiv zur Düsseldorf-Retrospektive.
Gursky und Rankin fallen ein wenig aus dem gewohnten Leica-Rahmen. Augenschmaus sind Platons Portraits der Macht – 50 Staats- und Regierungschefs, fotografiert in einem improvisierten Studio im Uno-Gebäude in New York. Weiter sind in der Leica-Galerie u. a. zu sehen: gute alte Bekannte wie Araki, Barbara Klemm, Elliott Erwitt, Steve Mc Curry. Sehr schön: Jacob Aue Sobol und Piotr Zbierski. Hm, jedoch ist auch Hubertus von Hohenlohe mit seiner Serie „Catch me if You can“ über unsere alltäglichen Konsumwelten in Leicas „Kultur des Bildes“ vertreten.
Alles schön und zumeist bekannt: aber wo sind denn nun die gewünschten spannenden Motive, die meine Bildersucht stillen. Die finde ich unter den Studenten der ausstellenden Hochschulen, die auch dem Sparzwang zum Opfer fielen: von 22 auf 15 reduziert wurden (siehe Abbildungen).
Und beim Nachwuchs, der am „Deutschen Jugendfotopreis 2012“ teilnehmen. Gerade die jüngsten Kamerakünstler, Anton Riech und Valentin Marcinek, 7 Jahre, aus Greifswald überraschen mit ihrem gemeinsamen Motiv # 21. Oder die 15jährige Tanja Tuyet Minh Dao aus Trier löste alle Fesseln bzw. pfeift mit ihrem Motiv „Gravity doesn´t stop me“ auf die Schwerkraft und tradierte Regeln.
Diese Jüngsten sind zum Niederknien. Übrigens: auch Katharina Bosse, Prof. Ute Eskildsen, Judith Samen, Dirk Reinartz, Uwe Ommer oder Thomas Höpker machten erstmals als Teilnehmer des Jugendfotopreises auf sich aufmerksam. Unbedingt besuchen: die Website www.jugendfotopreis.de mit den Teilnehmern und Preisträgern.
Leider pekuniär bedingt und zeitlich kaum möglich, schon gar nicht für auswärtige Bildernarren, sind zusätzliche Besuche bei den über 60 Kölner Galerien, die noch bis 30. September Fotoausstellungen durchführen. Hier gibt es zweifelsfrei Entdeckungen, die es wert sind, gesehen zu werden. So bleiben denn diese Schauen der „21. internatonalen Photoszene Köln 2012“ nur kölner und rheinischen Fotoliebhabern vorbehalten.
Nicht zu vergessen die Ausstellung „Pimp the Timp Volume II“ im ehemaligen Hotel Timp am Heumarkt 25, in der mehr als 40 Fotografen Bilder zum Thema China präsentierten.
Hartmut S. Bühler – Fotograf, Düsseldorf