Es ist nicht falsch, Johannes Twielemeier eine Doppelbegabung zu nennen: Steine modellieren und Fotografieren sind zwar zwei völlig unabhÀngige TÀtigkeiten, vereinen sich aber in dem Steinbildhauer und Fotografen wie zwei Seiten einer Medaille.
Der in Aachen lebende Twielemeier (52) erhielt am 29. September den mit 2.500 Euro dotierten Fotopreis fĂŒr die beste âbild.sprache 2012âł der bild.sprachen-Messe. Der in Westenholz bei Paderborn geborene KĂŒnstler setzte sich gegen etwa 40 ausstellende Mitbewerber durch und ĂŒberzeugte 90 Portfoliowalker mit seinen Fotografien von âstillen Ortenâ, speziell mit seiner 2002 bis 2009 entstandenen Fotoserie âOrte ohne Wiederkehrâ ĂŒber das rheinische Braunkohlerevier.
Die Besonderheit: erstmals ist das Preisgeld der Sparkassen-Stiftung an einen Fotoauftrag gekoppelt. FĂŒr ExistenzgrĂŒnderin Birgit Knappstein wird er tĂ€tig: Die Gelsenkirchenerin ĂŒbernahm ein Mode-Atelier nebst sechs Kolleginnen, fĂŒr das sie selbst 17 Jahre als Zuschneiderin gearbeitet hatte. âIch verspreche mir viel von den Fotosâ, so Knappstein. Vor allem die Privatkundschaft will sie mit den Bildern erreichen. âProfessionelle Werbung ist wichtig â gerade fĂŒr einen ExistenzgrĂŒnder; aber meistens nicht bezahlbarâ. Twielemeier, selbst Sohn einer Schneiderin, wird also fĂŒr Knappstein Imagefotos erstellen. Ein Treffen gab es bereits, erste Ideen erörtert.
FĂŒr Twielemeier, der 2009 den mit 5.000 Euro dotierten nordrhein-westfĂ€lischen Staatspreis fĂŒr das Kunsthandwerk im Werkbereich Fotografie/Papier erhielt, gibt es im Zusammenhang mit der âbild.sprachen Messeâ ab sofort zwei entscheidende Ănderungen in seiner fotografischen Arbeit: der bisher analog arbeitende Fotograf wechselt auf eine digitale Kamera und er wird erstmals auch Portraits erstellen.
Johannes Twielemeier fĂŒhrt zwei Berufsleben: als Steinbildhauer in Aachen ist er ein gefragter und erfolgreicher Kunsthandwerker. HierfĂŒr wurde er vielfach ausgezeichnet. U. a. âFörderpreis der Akademie fĂŒr Handwerksdesignâ und die Silbermedaille der Bundesgartenschau Gelsenkirchen fĂŒr Entwurf und AusfĂŒhrung einer Stele im Mustergrabfeld (jeweils 1997). 2. Platz beim bundesweiten Wettbewerb fĂŒr die Errichtung eines Denkmals fĂŒr die ehemalige jĂŒdische Gemeinde in Lippstadt, Westfalen sowie zahlreiche Silber- und Bronzemedaillen im Gestaltungswettbewerb Grabzeichen (2001). DarĂŒber hinaus lehrt Johannes Twielemeier seit 2010 als Dozent an der Akademie fĂŒr Handwerksdesign der Handwerkskammer Aachen auf Gut Rosenberg/Aachen.
Vorbilder hat auch Johannes Twielemeier: als Bildhauer verehrt er den 2010 verstorbenen Ăsterreicher Karl Prantl und den 1938 in DĂŒsseldorf geborenen Ulrich RĂŒckriem. Als KamerakĂŒnstler den in Leipzig lehrenden Professor fĂŒr KĂŒnstlerische Fotografie Joachim Brohm sowie die Kameraklassiker Robert Adams, Lewis Baltz, Walker Evans, Robert Frank und Stephen Shore. FĂŒr seine âNew York Cityâ-Serie wurde er auch inspiriert von Michael Ackerman und dessen Fotobuch âEnd Time Cityâ.
Der sympathisch und rĂŒcksichtsvoll auftretende âZwillingâ – âich habe die zwei sprichwörtlichen Seelen in meiner Brustâ – schĂ€tzt die Melancholie und Stille. Die VergĂ€nglichkeit des Seins und etwa das Thema Tod verdrĂ€ngt er nicht. Davon Kunde geben seine Fotoserien âKrematorienâ, âOrte ohne Wiederkehrâ, âOrte ohne Wiederkehr IIâ, âNiemandslandâ, âHotel Edenâ. So wie er im Steinmetzkunsthandwerk die reduzierte und klare Formensprache schĂ€tzt, ist es âin meiner Fotografie die fast immer zurĂŒckgenommene Farbigkeit in Verbindung mit einem prĂ€zisen und durchdachten Bildaufbauâ.
Mit seinen Bildern der VergĂ€nglichkeit und dem Versuch, die Zeit mittels Fotografien anzuhalten, irritiert Twielemeier immer wieder Mitmenschen, die eher âlauteâ effektreiche Bilder favorisieren. Umso schöner, daĂ sich die Jury der bild.sprache-Messe 2012 stattdessen fĂŒr leise Motive und eine konsequente Bildsprache entschieden hat. Was Twielemeier macht indes ist nicht neu. Aber mit seinen Bildern erinnert er konstant und konsequent daran, daĂ es der ureigene Sinn der Fotografie ist âdie Zeit anzuhaltenâ.
Hartmut S. BĂŒhler â Fotograf
Bungalow, Otzenrath, MĂ€rz 2006
Garage mit Tresor, Otzenrath, April 2004
Umbettungssarg, Friedhof Otzenrath, April 2006
© Johannes Twielemeier. Alle Fotos aus der Serie “Orte ohne Wiederkehr”.
www.johannestwielemeier.de