Florian Ebner hat Mitte November seine neue Aufgabe als Leiter der Fotografischen Sammlung des Museums Folkwang in Essen übernommen. Zuvor war der Kunsthistoriker und Fotograf Leiter des Museums für Photographie Braunschweig. Er tritt die Nachfolge von Ute Eskildsen an, die zuvor 30 Jahre lang die Fotografische Sammlung des Museums Folkwang geleitet hat. Für ruhrspeak beantwortet Florian Ebner drei Fragen zu seiner Arbeit.
ruhrspeak: Mit ein bisschen Abstand auf Ihre vorherige Tätigkeit als Leiter des Photomuseum Braunschweig zurückgeschaut: Was haben Sie besonders geschätzt? Was war Ihnen besonders lieb?
Ebner: Das Museum in Braunschweig ist ja in zwei klassizistischen Torhäuschen aus dem 19. Jahrhundert untergebracht. Sie liegen sich gegenüber an einer vielbefahrenen Straße. Das ist schon eine herausfordernde Situation, die zum Spiel mit These und Antithese herausfordert. Man muss immer die andere Seite mitdenken. Das gilt auch für die beiden Seiten der janusköpfigen Fotografie: Sie schaut vor allem analog zurück in die Vergangenheit und digital in die Zukunft.
Zusätzlich zu den historischen Gebäuden mit ihrem ganz eigenen Charme haben wir in Braunschweig neue Räume für die Fotografie erschlossen. Zusammen mit der Hochschule für Bildende Künste nutzen wir alte Werkshallen an der Hamburger Straße für Ausstellungen, so dass wir auch große Formate und Projektionen zeigen können.
ruhrspeak: Das Ruhrgebiet muss sich neu erfinden, heißt es oft. Es ist auf der Suche nach der Zukunft für einen industriell geprägten Raum. Sehen Sie für die Fotografie eine Rolle in diesem Prozess?
Ebner: Erstmal gibt es natürlich die große fotohistorische Tradition in der Region, für die ja das Museum Folkwang, früher das Ruhrlandmuseum und jetzt das Ruhr Museum mit ihren Sammlungen stehen. Dazu gehören auch die Studenten, die zum Beispiel hier in Essen bei Prof. Elisabeth Neudörfl im Fach Dokumenarfotografie ausgebildet werden.
Das Registrierende, Dokumentierende war immer eine große Qualität des Mediums Fotografie. Interessant für mich ist, dass Dokumentationen auch ohne Absicht, ohne Auftrag und ohne künstlerischen Anspruch entstehen – und das klingt jetzt vielleicht ketzerisch – und es gerade deshalb und trotzdem ins Museum schaffen.
Aus dem Berlin der Nachkriegszeit sind zum Beispiel photogrammetische Arbeiten bekannt, die zu Vermessungszwecken angefertigt wurden. Sie sind so reich und spannend, dass wir sie als wunderbare Zeitdokumente in einer Ausstellung gezeigt haben.
Wie kommt es dazu? Wann entdecken wir den Künstler und Zeitzeugen in dem Urheber, dem Autoren des Fotos? Welche Bilder aus der Flut, die uns über das Internet erreicht, werden wir einmal als historische fotografische Dokumente anerkennen?
Ich kann mir vorstellen, dass die Handyfotos, die Jugendliche beim abendlichen Abhängen an der Tankstelle machen, Aussagen enthalten über unser gesellschaftliches Verständnis von Mobilität. Der Fotografie-Student geht anders vor: Er oder sie wird in der Auseinandersetzung mit den Thema wahrscheinlich eine wohldurchdachte Serie erstellen.
Beide Herangehensweisen können eine Zeugenschaft begründen. Um sie zu entdecken, braucht es einen inspirierten Blick auf die Fotografie. Vielleicht den Blick eines Künstlers.
ruhrspeak: Sie sprechen von der „Komplexität der Gebrauchsweisen“ von Fotografie. Wird die Fotografie heute nicht vor allem anders gebraucht, als jederzeit und massenhaft verfügbares und erweiterbares Reservoir an Bildern von der Welt?
Ebner: Es gibt viele neue Dinge im Reich der Bilder, die ich in meiner Ausstellungstätigkeit erforschen möchte. Die Autorenschaft des Bildes, bezeugt durch Abzüge auf Papier, durch eine Signatur für gut geheißen durch die Fotografin, den Fotografen – dieses Konzept gilt nicht mehr im digitalen Zeitalter.
Das Foto als gerahmtes Blatt an der Museumswand enthält diese versteckte Komplexität, eine Überlagerung von wandelbaren Intentionen von Autor und Betrachter, veränderter Materialität von Papier und Bildschirmoberfläche, nicht eindeutiger Autorenschaft. Museen können helfen, diese Komplexität zu entschlüsseln.
Die Fotografie spricht in verschiedenen Sprachen, hat verschiedene Gesichter. Man muss sie nebeneinander gelten lassen, ohne sie zu reduzieren.
Weitere Informationen:
Das Museum für Photographie Braunschweig zeigt noch bis 23. Dezember die Ausstellung „Kairo. Offene Stadt“, die Florian Ebner für das Ausstellungsprogramm 2013 des Museum Folkwang mit nach Essen bringen wird. Zu sehen sind Fotos und Videos von Fotojournalisten, von Aktivisten und „Bürgerjournalisten“, sowie Dokumente, die Künstlerinnen und Künstler während der andauernden ägyptischen Revolution gesammelt haben.
Interview: Martina Kötters
Foto: Ulrich von Born (freundliche Genehmigung durch WAZ-Fotopool)