Früher Nachmittag am zweiten Tag der Messe „bild.sprachen 2012“ in Gelsenkirchen. Von Gedränge oder Hektik in der wunderbaren Glashalle im Wissenschaftspark Gelsenkirchen kann nicht die Rede sein. Das war am Vortag kaum anders, als etwa 100 Portfoliowalker angereist waren. Sie suchten die beste Bildsprache unter den rund 40 vertretenen Fotografinnen und Fotografen. Die Sichter waren Agenturchefs, Marketingexperten, Pressevertreter, Museumsleiter und Medienprofis.
Fritz Pleitgen, Ex-WDR-Intendant und Kulturhauptstadt-Geschäftsführer sprach zum Auftakt über die Macht der Bilder – und die Herausforderung, neue Bilder im Bewusstsein zu verankern. Neue Bilder waren jedoch in Gelsenkirchen kaum oder nur ansatzweise zu finden. Anders gesagt: Die Gelegenheit, sich in Gelsenkirchen mit neuen spannenden Bildern und Sichtweisen zu präsentieren, wurde nur unzureichend genutzt.
Unverständlich auch die Tatsache, warum die zahlreichen Hochschulen für Fotografie in Nordrhein-Westfalen durch Abwesenheit glänzten. Nur die renommierte Essener Folkwang Universität der Künste war in Gelsenkirchen vertreten. Schade, alle Hochschulen sollten die „bild.sprachen”-Messe als Plattform nutzen und mit ihrem kreativen Nachwuchspotential vor Ort sein.
Woran also liegt es, dass die „bild.sprachen”-Messe für Fotografie, visuelle Kommunikation und Marketing noch zu wenig Strahlkraft besitzt? Ist es der Standort Gelsenkirchen? Ist die Messe zu regional konzipiert? Oder wollen die Veranstalter zu viel und dabei möglichst alles gleichzeitig?
An den guten Absichten der Veranstalter kann es nicht liegen, auch nicht an der Art der Ständepräsentation, die durch das modifizierte neue Ausstellungsdesign an Attraktivität und Übersicht gewonnen hat. In diesem Zusammenhang befremdet ein Detail: warum wurden die Peter Lindbergh-Filme auf einem digitalen Bilderrahmen gezeigt – auf demselben, mit dem „Die digitale StadtteilZeitung“ (für Gelsenkirchen-Südost) auf sich aufmerksam machte?

Peter Liedtke, Projektleiter bild.sprachen, Birgit Knappstein, Mode-Designerin und Start-up Unternehmen, Johannes Twielemeier, Fotograf und Preisträger, Michael Klotz, Sparkassendirektor

Peter Liedtke, Projektleiter bild.sprachen, Sabine Meier (in Vertretung für Marie Köhler) 3. Preis, Yannik Willing, 1. Preis, Paula Holtz, 2. Preis und Melanie Kemner, bild.sprachen
Möglich aber, dass Peter Liedtke und sein Team einfach etwas zu früh dran sind. Ein Indiz dafür gibt es: Denn die Hamburger Werbeagentur KNSK entdeckt nun das Ruhrgebiet. Sie gründet in Essen ihre erste hundertprozentige Agenturtochter. Diese wird zum 1. Januar 2013 an den Start gehen. „Mit unserer Agentur in Essen wollen wir unsere Affinität zur Region stärken, der als viertgrößter Ballungsraum Europas ein wichtiger Agentur-Standort mit viel Potential ist”, so die Geschäftsführung. KNSK ist für Evonik Industries und Vivawest bereits in der Region aktiv. Zudem verantworteten die Hamburger als Leadagentur die Kampagne zur Kulturhauptstadt Europas RUHR.2010. Das Ruhrgebiet gilt unter Werbern nicht eben als sexy. Doch die Entscheidung für die Ruhrgebietsstadt ist bewusst gefallen. Es gibt dort bislang kaum Anbieter mit anspruchsvoller kreativer Ausrichtung. Gleichzeitig haben die Gründer einen Bedarf dafür ausgemacht: „Die Kunden wollen ambitionierte Kreation aus der Region – und nicht von den Schickimicki-Agenturen in Düsseldorf.”
Text: Hartmut S. Bühler
Fotos: Diethelm Wulfert