Mund und Münder sind zu sehen, links und rechts am Eingang der beiden Ausstellungssäle im NRW-Forum Kultur und Wirtschaft, Düsseldorf. Rot, verlockend und gephotoshopped bis zur Schmerzgrenze saugen die beiden Motive von Rankin den Betrachter ins Museum-Innere, wo ihn eine Überfülle zumeist knallbunter Fotos unterschiedlichster Formate erwartet. Jedoch gilt: Sängerin Beth Ditos Lippen und die züngelnden Frauenmünder gegenüber sind Augenknaller.
Im Ranking der weltweit am häufigsten gebuchten Beauty-, Portrait- und Werbefotografen steht John Rankin Waddell, bekannt als Rankin, ganz weit oben. Aber, sind seine mehr als 300 präsentierten Bilder tatsächlich qualitativ so hochwertig, um in einem Museum hängen zu dürfen? Sind sie ausdrucksstark genug, um parallel gezeigt und nur einen Steinwurf entfernt, den 60 Fotos der Andreas Gursky-Ausstellung im Kunstpalast Düsseldorf Paroli zu bieten? Es handelt sich hierbei um die erste museale Fotopräsentation in seiner Karriere.
Die meisten Motive sehen nach Auftragsfotos aus. Was nicht gegen den 1966 in Paisley bei Glasgow geborenen Schotten spricht. Waren doch auch die größten Maler der Kunstgeschichte Auftragsnehmer von Kirchenfürsten und anderen Herrschern.
Rankins Fotos bewegen sich zwischen Klischees, Kommerz und vielleicht Kunst, zwischen Porno und klassischen Schwarzweißportraits (die Schauspieler Daniel Craig und Terence Stamp, die Musiker Pete Doherty, Tori Amos, Björk, Radiohead). Banalitäten werden ebenso bemüht wie britischer Humor, z. B. Rankins Selbstportraits Me Me Me. Hier morpht er sich selbst zu Claudia Schiffer, Kate Moss, Blondie und Madonna oder ist fünffach zu sehen als die „Spice Girls“. Oder er zeigt sich als dicklicher Superman sowie als Vater und Sohn John Rankin gleichzeitig. Oder JR doppelköpfig – sich selbst küssend.
Sehr viele Fotos kommen schrill und bunt daher – die leisen sind akzentuierter. Zum Beispiel die alten dicken faltigen Männer der Serie „Archive“ oder die zarten kleinformatigen Motive von Ehefrau und Model Tuuli. Sie präsentiert ihr ausgeprägtes Zahnfleisch oder lächelt nur bezaubernd.
Photoshop pur die laszive Serie „Cats“ von 2002 – die Beinhärchen der abgelichteten und in Katzen verwandelten Models wurden so bearbeitet, dass sie wie Katzenhaare aussehen. Die Serie „Myths“ in Zusammenarbeit mit Künstler Damien Hirst ist Photoshop-Kitschkunst pur.
Die Serie „Sofa so sexy“ erinnert stark an Fotokollegen Juergen Teller. Doch Teller-Fotos von Teller sind einfach besser.
Rankin erzeugt täglich eine Fotoflut. Dabei hilft ihm ein Mitarbeiterstab von bis zu 50 Leuten. Diese und deren Familien gilt es zu ernähren. Das ist honorig, verpflichtet aber auch, viele Aufträge annehmen zu müssen und Gefahr zu laufen, auch Routine Rankins zu erstellen. Darüber hinaus dreht der fotografische Autodidakt Werbefilme, Musikvideos und verlegt Magazine („Hunger“, „Dazed&Confused“, „Rank“, „Another Magazie“). Sein Gangsterkinofilm „The Lives of the Saints“ (2006) mit Co-Regisseur Chris Cottam gewann den Jurypreis des Internationalen Filmfestivals von Salento/Italien.
Bleibt die Frage: sind Rankins Fotos museumswürdig? Diese Frage beantwortet der Kameratausendsassa am besten selbst. Zitate Rankin: „Digitales Arbeiten hat Fotografie noch mehr zu einer Kunstform gemacht.“ „Es geht nicht darum, ob ich ein Künstler bin. Ich hoffe und bete, dass manches von dem, was ich mache, vielleicht Kunst ist.“
Wie läßt sich feststellen, ob eine Arbeit Kunst ist? „Mir scheint, wenn man etwas an die Wand hängt, ist das schon Kunst.“
„Rankin – Show Off“ („eine Show abziehen“) noch zu sehen bis 13. Januar 2013 im NRW-Forum Düsseldorf.
Wer es noch nicht weiß: Das NRW-Forum in Düsseldorf steht vor dem Umbruch, vielleicht sogar vor dem Aus. Werner Lippert und Petra Wenzel, die das Haus vor 13 Jahren gründeten, verlassen es Ende 2013, das Land Nordrhein-Westfalen streicht seine Förderung. Werner Lippert zu Ruhrspeak:
„Ich bitte um Verständnis, dass ich weder etwas zur Zukunft des NRW-Forums Düsseldorf noch zur Zukunft von Frau Wenzel und mir etwas sagen möchte.“
Hartmut S. Bühler – Fotograf