Robert Frank muss diese Schau in Essen gefallen, hat er sie denn „abgesegnet“: es ist keine „schwere“ museale Schau, sondern eine, die ihn, den Künstler („Der liebe Gott unseres Berufes“ – Saul Steinfeld, Fotograf) wie vom Sockel hebt. Fotografien aus Robert Franks Büchern werden zusammen mit einer Auswahl von bislang noch nicht ausgestellten Kontaktabzügen per Acryl-Inkjetdruck auf bis zu vier Meter lange Zeitungspapierbahnen gedruckt und dann direkt an die Wände geklebt und gepinnt. Mit diesem Präsentationskonzept will Frank selber der Musealisierung seines Werks entgegentreten: „Cheap, quick, and dirty, that’s how I like it!“.
Darüber hinaus wird die Ausstellung in Essen durch die seltene Bromsilbergelatine-Serie From the Bus (1958) aus dem Bestand des Museum Folkwang ergänzt, die Franks Abschied von der Street Photography und seinen Übergang zum Film markiert.
Robert Frank, From the Bus, New York, 1958. Bromsilbergelantie, Museum Folkwang
Die nächste Stadt der Frank-Schau ist New York. 50 weitere Städte rund um den Globus sollen folgen. Ausdrücklicher Wunsch Franks ist es, ein junges Publikum weltweit zu erreichen. Als Ausstellungsorte kommen nur Kunstakademien, Fotohochschulen oder Museen in Betracht, keine kommerziellen Galerien. Frank der als Erfinder der Street Photography gilt, wünscht keine Leistungsschau von Kuratoren, Leihgebern, Sponsoren und millionenteuren Vintageprints mit extremen Versicherungssummen. Ihm wäre das ein Graus.
Die Ausstellungsidee stammt von (Foto-)Buchverleger Gerhard Steidl, der damit zusammen mit seinem Künstler Frank den Wahnsinn eines überhitzten Kunstmarktes unterläuft. Nach Beendigung jeder Frank-Ausstellung verbürgt sich Verleger Steidl, dass die Papierbahnen komplett vernichtet bzw. entsorgt werden.
Robert Frank prüft den Andruck der “Süddeutschen Zeitung”, Mabou/Kanada, September 2014. Photo: © 2015 Gerhard Steidl
Was in Essen nicht entzückt: die volle Nutzung der hohen Museumswände im Folkwang: die Motive der oberen dritten Papierbahnen sind nur mit Anstrengung und unter Nackenschmerzen zu betrachten – beispielsweise sind die Motive auf den präsentierten Kontaktbögen schwerlich erkennbar. Warum sind die Begleittexte zu den gezeigten Serien so klein gedruckt? Des weiteren beeinträchtigt der geforderte Mindestabstand vor den kleinformatigen Bildern der Serie „From the Bus“ die Magie der Bromsilbergelatine-Abzüge zu genießen.
Dennoch trumpft Essen: mit seinen 2000 Quadratmetern Ausstellungsfläche wird es kaum zu übertreffen sein Die künftigen Frank-Schauen werden aufgrund der Räumlichkeiten wohl weniger umfangreich.
Ebenso raffiniert wie die subversive Frank-Schau ist auch die Katalogidee konzipiert: es gibt keine. Stattdessen gibt es für € 2,60 eine für jedermann erschwingliche Extra-Zeitung, die einer Süddeutschen Zeitung-Ausgabe 1:1 entspricht. Diese Co-Produktion des Süddeutschen Verlags und dem Steidl Verlag über Robert Frank umfasst 64 Seiten *. Jedoch muss man sich „die Mühe machen“, nach Essen zu fahren: die Zeitung ist nur im Folkwang Museum erhältlich.
Robert Frank, Santa Fe, New Mexico. Aus dem Buch „The Americans“ (1959), Foto: © 2015 Robert Frank
Es ist nicht das erste Mal, dass Frank den Kunstmarkt konterkariert: 1985 gelangte der 20minütige Frank-Film „Home Improvement“ an die Öffentlichkeit. Neben persönlichen Schicksalsschlägen geht es darin auch um die Kommerzialisierung der Fotografie, das Rechteproblem und die Kontrolle über sein Werk. Zu sehen ist, wie ein Freund Löcher durch einen Stapel Frank Fotos bohrt. Weiter ist der Regisseur zu hören, wie er den Zerstörer seiner Kunst zu den Tiefenbohrungen anfeuert.
Unbedingt erhellend auf Seite 1 * des Extrablatts der Kommentar „Was sehen wir überhaupt?“ von Tobia Bezzola. Darin schreibt der Direktor des Folkwang Museums über den „reflexive Turn“ Franks ab etwa 1960. „… Franks Rückkehr zur Fotografie als Metafotografie markiert exemplarisch die Arbeit Words, Nova Scotia (1977), in der er eigene Abzüge, zum Trocknen an der Leine, abfotografiert. Nicht mehr die Welt ist das Thema, sondern die fotografischen Bilder der Welt werden befragt. … `Dokumentiert´ wird nur noch das Unvermögen der Fotografie, zu dokumentieren.“
Robert Frank, Street Line, New York 1952. Aus dem Buch “Black White Things (2009), Foto: © 2015 Robert Frank
Ist Robert Frank ein Künstler? „Ich habe das nie so empfunden. Aber wenn man älter wird, beginnt man darüber nachzudenken, weil die Leute dann so ein Theater um einen machen. Das ist der Moment, in dem man sich auch selbst fragt, ob es dafür nicht auch eine Berechtigung gibt. Gut ist das nicht, weil man besser ganz frei und ganz intuitiv arbeiten sollte.“ … (siehe Seite 64 * aus dem RF-Interview von Stefan Koldehoff).
Robert Frank (*1924 in Zürich, lebt in New York und Mabou, Kanada) gehört zu den einflussreichsten Fotografen des 20. Jahrhunderts. Das Museum Folkwang richtet in der Schau Robert Frank. Books,and Films, 1947–2014 den Blick auf die vielen publizierten Bücher und Manuskripte dieses Revolutionärs der subjektiven Dokumentarfotografie (RF: „Die Religion: kein künstliches Licht“); außerdem wird Franks filmisches Werk vollständig gezeigt.
Museum Folkwang
Robert Frank – Books and Films
noch bis 16. August 2015
Text: Hartmut Bühler, Fotograf, Düsseldorf
Fotos: Museum Folkwang, Essen
Foto: Museum Folkwang
Robert Frank, Welsh Miners, 1953. Aus dem Buch “London/Wales” (2007)
Foto: © 2015 Robert Frank
Foto: Museum Folkwang