Das 21. Jahrhundert wird nicht zu Unrecht als das Jahrhundert der Projekte bezeichnet. Und auch Fotografen sind immer wieder und zum Teil parallel mit verschiedenen Projekten beschäftigt. Diese entstehen häufig gleichzeitig mit Auftragsarbeiten. Der Unterschied zu den Aufträgen besteht meist darin, dass allein der Fotograf oder eine Fotografengruppe für das Projekt verantwortlich ist. So können Fotoarbeiten entstehen, die in Art und Inhalt zuvor nicht denkbar oder vorstellbar gewesen wären.
Viele dieser Projekte zielen auf Veränderung, andere entstehen scheinbar spielerisch. Aber auch Institutionen und Unternehmen nutzen die Kraft der Bilder zur Imagegestaltung oder um gesellschaftliches Engagement sichtbar zu machen. Auf einer anderen Ebene dienen Fotografien dazu, Ideen und Produkten ein Bild zu geben und diese gleichzeitig mit einer bestimmten Wertigkeit zu verknüpfen.
Allen gemein ist der Kampf um Aufmerksamkeit z.T. auch mit leisen Bildern!
Unter diesem Gedanken haben wir in diesem Jahr die bild.sprachen nach einer Forderung von Klaus Honnef an gute Fotografie „surprise me“ genannt – Plattform für Fotografie und Fotografieprojekte.
Und inzwischen, kurz vor Anmeldeschluss, bekommt die Plattform ihre Form.
Wir haben den Marktplatz, die Ausstellung und das Begleitprogramm.
Auf dem Marktplatz zeigen nicht nur die Fotografen ihre aktuellen Projekte, sondern in diesem Jahr auch so wichtige Institutionen wie die RWE-Stiftung, die Emschergenossenschaft, der Regionalverband Ruhr, die Ruhr Tourismus GmbH, ruhrcult oder publicity. Mit dabei selbstverständlich auch die DGPh, Freelens und Pixelprojekt_Ruhrgebiet, aber auch Reporter ohne Grenzen, Projektraum Fotografie und die Gesellschaft für humanistische Fotografie.
Die RWE Stiftung wird z.B. preisgekrönte Arbeiten aus dem Visit-Programm vorstellen, dazu gehören sowohl die Fotoserie „Tagebau“ von Sebastian Mölleken, in der sich dieser kritisch mit dem Braunkohletagebau in Garzweiler auseinandersetzt, als auch der Film „Nella Fantasia“ (mit vielen Langzeiteinstellungen) von Lukas Marxt über eine Erdölbohrinsel, als auch die jüngste Arbeit von Peter Miller „Photuris“, in welcher dieser Filme von Glühwürmchen belichten lässt. Parallel recherchiert die Stiftung nach neuen Serien zum Thema „Energie“. Jede Arbeit für sich liefert eine wunderbare Position zu diesem Thema. Und darum geht es dem Unternehmen – auch in seinem Kulturprogramm.
Oder die Emschergenossenschaft, die ihre Arbeiten und damit auch die Landschaft- und Stadtlandschaft in der Emscherregion schon von Anbeginn dokumentiert hat und über ein Archiv von mehr als 200.000 Negativen verfügt. Mit dem Fotoprojekt “Bridges” öffnet sich das Unternehmen auch künstlerischen Positionen und mit dem Wettbewerb “Fotostory Lippeland” bindet das Unternehmen ebenso die Amateurfotografie ein.
Mit dabei auch das von Walter G. Müller und der Arbeitsgruppe Foto-Historie entwickelte Projekt “FotografenWiki”, das mit dem Ziel entwickelt wurde, die Lebensdaten von Fotografen bzw. fotografisch wesentlich in Erscheinung getretenen Persönlichkeiten darzustellen. Der Verein hilft bei Fragen zum Eintrag von lebenden und verstorbenen Fotografen.
Bei den Fotografen zeigt z.B. Johannes Backes sein Langzeitprojekt: “Man muß sich beeilen, wenn man noch etwas sehen will. Alles verschwindet.” Paul Cézanne “Rückbau des Palastes der Republik”. Für eine Langzeitdokumentation installierte er in der Zeit von März 2006 – Mai 2009 an einem bestimmten Ort eine Kamera, die jede halbe Stunde ein Bild machte. So entstand eine elfminütige Fotodokumentation im Zeitraffer. Aktuell verfolgt Johannes im selben Stil den Aufbau des Stadtschlosses. Ein einzigartiges Projekt, das von Geduld und Weitsicht geprägt ist.
Oder Susan Feind mit ihrem Projekt “Das Ei ist Kunst”. Susan fotografiert die ersten 365 Eier ihrer “glücklichen” Hühner und macht daraus ein Buch. Die Eier verkauft sie zu einem symbolischen Preis von 5,- Euro inklusive eines Zertifikats. Mit der Nummer des Zertifikats kann im Buch das Ei zugeordnet und dem Betrachter das verzehrte Ei wieder in Erinnerung gebracht werden.
Oder das Projekt “Mach dir ein Bild” von Marie Köhler, in dem diese afrikanische Kinder ihr Umfeld mit Einwegkameras selbst entdecken lässt.
Oder das Projekt von Thomas Roessler und André Mailänder „PixxelCult“ einer Adaption des Pixelprojekt_Ruhrgebiet in der Region Saar-Lor-Lux (Saarland, Luxenburg, Lorrain (Lothringen)) …
Oder das Projekt von Claudia Wiens „Künstler in Ägypten, Tunesien und Libyen“.
Oder das Projekt von Wolfgang Fröhling “Auf der Suche nach den verschwundenen Bilder”
Oder das Projekt von Hartmut Bühler “Die Rose, die Lilie, die Taube”.
Oder die Arbeiten von Markus Kratz, Emanuela Danielewicz, Jörg Hettmann, Robert Poorten, KNSY Christoph Kniel und Niko Synnatschke, Frank Schulz, Johannes Twielemeyer, Donja Nasseri …
Oder Projekte von Nachwuchsfotografen wie Hayley Austin, Pia Kintrup, Melanka Heims, Jasmine Shah, Yanik Weu …
Portfoliowalk und Preise
Unter allen Projekten wird eine hochkarätige ungefähr 100köpfige Jury (den sogenannten Portfoliowalkern) den mit 2.500,- Euro dotierten und von der Sparkasse Gelsenkirchen gestifteten bild.sprachen Preis vergeben. Jedes Jurymitglied hat eine Stimme und gibt diese dem aus seiner Sicht besten Projekt. Die drei besten Projekt der unter 35-jährigen erhalten den bild.sprachen Nachwuchspreis in Form von unterschiedlich umfangreichen Postkartenaktionen der Firma ruhrcult. Doch letztlich gewinnt jeder der Aussteller durch die Aufmerksamkeit der Jury. Die Namen der Portfoliowalker werden in den nächsten Tagen sukzessive auf der Internetseite bekannt gegeben.
Aber auch Hochschulen werden sich präsentieren:
Die Neue Schule für Fotografie, Berlin zeigt das Projekt der Klasse Eva Bertram “Sowieso” und die Uni Hildesheim ihr neues Projekt: “Editing the world”. Aber auch die Mediadesign Hochschule Düsseldorf präsentiert sich und ihr Angebot! Und aus Zlín in Tschechien ist die Faculty of Multimedia Communications mit dem Projekt “Gefesselte Landschaft” mit dabei.
Andere Hochschulen sind noch im Abstimmungsprozess.
Ein besonderes Highlight wird sicher der “Fluss der Bilder” des Pixelprojekt_Ruhrgebiet mit Bildern der Region von 1920 bis heute!
Für den Wohlfühlfaktor wird die Lounge der “ruhr.designer” sorgen und auch der Berufsverband “Kreative Klasse” lädt auf bunten Würfeln zum Verweilen ein.
Für das leibliche Wohl sorgt das Arkadenbistro.
Ausstellung
Parallel zur Plattform zeigen wir die Ausstellung “Projektzeit” mit aktuellen Projekten von Fotografen des Pixelprojekt_Ruhrgebiet, die nicht im Ruhrgebiet entstanden sein müssen. Bewerbungen liegen aktuell von Benito Barajas, Roland Berger, Thomas Bocian, Sabine Bungert und Stefan Dolfen, Norbert Enker, Guntram Walter, Dorothee Hörstgen, Carsten Klein, Brigitte Kraemer, Daniel Müller Jansen, Thomas Riehle, Georg Schreiber, Frank Schultze und Ralf-Dieter Wewel vor. (Wir hoffen, dass wir von allen etwas zeigen können).
Die Ausstellung wird am 28. November um 19 Uhr eröffnet.
In unserem Programm nimmt neben der Ausstellungseröffnung die Preisvergabe am 29. November um 17 Uhr einen zentralen Platz ein.
Vorträge und Diskussionen
Inhaltlicher wird es bei der Vortrags- und Diskussionsveranstaltung der RWE Stiftung “Unternehmerische Ziele und gesellschaftlicher Dialog mit den Mitteln der Fotografie” Vertreter der Stiftung geben Einblick in das “Wie und Warum” ihres fotografischen Engagements. Ein Vertreter der Jury erzählt von den Beurteilungskriterien, ein Stipendiat von seinen Erfahrungen … und Platz für Fragen aus dem Publikum gibt es auch.
Weiter inhaltlich geht es zu bei den Vorträgen von Elisabeth Neudörfl (Professorin für Dokumentarfotografie an der Folkwang Universität der Künste) und Dirk Gebhard (Professor für Bildjournalismus an der Fachhochschule Dortmund) unter dem Titel “Fotografieren für die Ewigkeit” der Emschergenossenschaft zu. Im Anschluss besteht die Möglichkeit eigene Arbeiten in einer Art Workshop im Sinne der “Ewigkeitstauglichkeit” zu diskutieren. Die Fotos sollten dazu schon im Vorfeld digital zugeschickt werden.
In der Gesprächsreihe “ausgezeichnet” der DGPh geben ehemalige und aktuelle Preisträger Einblick in die Schaffensphase ihrer Arbeit, für die sie mit dem Otto-Steinert-Preis prämiert wurden. Ausgehend von diesem spezifischen Werk nähert man sich einem Eindruck ihrer künstlerischen Praxis.
Parallel aber verschränkt findet die 2. Hochschulkonferenz mit aktuellen Projekten von Lehrenden und Lernenden an deutschsprachigen Hochschulen statt.
Seminare und Workshops
Im Seminarprogramm widmen wir uns dem wichtigsten Thema der Fotoprojekte: dem Geld!
Katharina Mouratidi, Geschäftsführerin der Gesellschaft für humanistische Fotografie, hat langjährige Erfahrungen mit der Akquise von Fördergeldern und Sachleistungen. Hier hat sie nicht nur die allbekannten Foto- und Kunstförderprogramme vor Augen, sondern vor allem die inhaltlichen Bezüge zu ganz anderen Fördergebern. Am Freitag führt sie den Workshop “Das fotografische Projekt – von der Planung bis zur Durchführung” durch, am Samstag den Workshop “Fundraising für Fotografinnen und Fotografen”. Für beide Workshops gibt es noch die Möglichkeit der Anmeldung. Hier gilt: Man muss die “Denke” der Förderer verstehen, man muss seine Projekte qualifizieren und man muss die Projekte kommunizieren. Erfolg ist machbar!
Das aktuell an Bedeutung zunehmende Mittel zur Geldbeschaffung heißt “Crowdfunding”. Das Buch elfuhrelf von 9 Fotografinnen und Fotografen konnte mit 13.169 Euro finanziert werden (obwohl nur 11.111 Euro benötigt wurden). Das PhotoBookMuseum konnte 27.080 Euro für seine Realisierung einwerben (obwohl (zunächst) nur 25.000 nötig waren). Und c/o Berlin konnte gar 122.714 Euro für seinen Umbau akquirieren (obwohl nur 100.000,- angestrebt waren).
Die Wirtschaftsförderung der Stadt Gelsenkirchen hat Theresa Koppler von startnext – der größten deutschen Crowdfunding- Community für kreative Projekte eingeladen, das Prinzip zu erklären und Tipps für ein erfolgreiches “Geldsammeln” zu geben. Es finden zwei Workshops statt, einer mit allgemeinen Infos und einer zum Thema “Erfolgreiches Crowdfunding”.
Der Termin wird in den nächsten Tagen auf der Internetseite bekannt gegeben. Anmeldung unter: wirtschaftsfoerderung@gelsenkirchen.de bis zum 15.11.2014
Soviel zum aktuellen Stand der “surprise me”, die konsequent den Anregungen aus einem internen Workshop von Bild- und Medienfachleuten gefolgt ist und die nun nach und nach umgesetzt werden.
We surprise you!
Text: Peter Liedtke