Fotografie an Brennpunkten der Welt zeigt die aktuelle bild.sprachen-Ausstellung „The Critical Camera“ im Wissenschaftspark Gelsenkirchen. ruhr.speak gibt einen Einblick in die Ausstellung mit Arbeiten von fünf internationalen Fotografen.
Zu sehen sind Serien von Lela Ahmadzalti aus Deutschland/Afghanistan, Nina Bermann aus den USA, Enrico Fabian aus Deutschland/Indien, Robert Knoth aus den Niederlanden und Katharina Mouratidi aus Deutschland.
Lela Ahmadzai gibt mit ihrer Arbeit Frauen ein Forum, die in Afghanistan für die Gleichberechtigung von Mann und Frau kämpfen. Ihre Lage als Vertreterinnen eines liberalen und intellektuellen Afghanistans ist prekär. Nach dem Abzug der NATO-Trupppen sind sie letztlich schutzlos den Taliban ausgesetzt.
Die Arbeit von Nina Bermann über seelisch und körperlich gezeichnete ehemalige US-Soldaten nach ihrem Einsatz im Irak mag den überraschten Besucher schockieren, zeigt aber doch wie alle Serien der Ausstellung, einen Alltag in der Welt, von dem wir grundsätzlich wissen, der uns aber im Normalfall scheinbar nichts oder wenig angeht. Das jugendliche Alter der meisten Versehrten berüht den Betrachter zusätzlich. Die begleitenden Ausstellungstexte lassen ihre Verzweiflung ahnen.
Foto: Nina Berman (USA)
Robert Knoths Arbeit über Tschernobyl aus dem Jahr 2006 wurde bereits in 80 Ausstellungen weltweit gezeigt. Tschernobyl, die Stadt im Norden der Ukraine, in dem der größte anzunehmende atomare Unfall am 25./26 April 1986 geschah. Der Unfall, der endlos viel Leid zu Menschen gebracht hat, die versehrt wie sie sind, ein Leben am Existenzminimum führen.
Foto: Robert Knoth, Niederlande
Enrico Fabians Serie zeigt indische Müllsammler, die den Abfall der Stadt Neu-Dehli sortieren, verarbeiten, recyceln. Viele Kinder sind darunter, die statt in die Schule zu gehen, mit ihrer Arbeit zum Unterhalt der Familie beitragen müssen.
Foto: Enrico Fabian, Deutschland/Indien
Katharina Mouratidi zeigt schließlich mit ihrer Arbeit „Bescheidene Helden“ die Träger des alternativen Nobelpreises und präsentiert sie der Öffentlichkeit wie Königinnen und Könige – sitzend auf einem Thron.
Foto: Katharina Mouratidi, Deutschland
Jeder kann etwas tun.
Die kleinen Schritte sind es, die die Welt verändern und verbessern.
Die Ausstellung ist ein Projekt der Gesellschaft für Humanistische Fotografie und wird gefördert durch Brot der Welt – Evangelischer Entwicklungsdienst, Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Wissenschaftspark Gelsenkirchen und Förderverein Pixelprojekt_Ruhrgebiet.
Führung durch die Ausstellung mit Katharina Mouratidi, Foto: Susanne Mierzwiak
Serie “Certificate” von Robert Knoth, Foto: Susanne Mierzwiak
“Fotografie an Brennpunkten der Welt –
The Critical Camera”
Wissenschaftspark Gelsenkirchen
Munscheidstr. 14
45886 Gelsenkirchen
Öffnungszeiten
Montag bis Freitag 6 bis 19 Uhr
Samstag 7.30 bis 17 Uhr
Über humanistische Fotografie
Fotografie hat sich zu einem der beliebtesten Hobbys weitester Bevölkerungskreise entwickelt, nicht nur in Deutschland. Obwohl so viel Fotografie entsteht, ist die Anzahl der Arbeit mit gesellschaftlicher Relevanz eher weniger als mehr geworden. Die großen Magazine, die die Treiber des Bildjournalismus waren, beauftragen nur noch in Ausnahmefällen große Geschichten. In diese Lücke treten inzwischen verschiedene Stiftungen und Institutionen, die über Stipendien und Preise anspruchsvollen Bildjournalismus ermöglichen wollen. Die Gesellschaft für humanistische Fotografie sieht hier ihre Rolle, ebenso wie das Projekt bild.sprachen.
Fotografie als Teil der bildenden Kunst hat die Aufgabe, uns zu informieren und Zugänge zu unbekanntem Geschehen und in unbekannte Milieus zu eröffnen. Sie hat die Aufgabe, sich gegen Missstände zu engagieren und positive Beispiele zur Nachahmung aufzuzeigen. Obwohl die Aussage, ein Bild sagt mehr als tausend Worte, natürlich gilt, können reine Informationen besser über Sprache und Text vermittelt werden. Gute Bilder dagegen schaffen es, Geschichten im Kopf entstehen zu lassen, insbesondere durch fotografische Serien, in denen das nächste Bild dem vorheringen eine neue Geschichte hinzufügt. Serien erlauben so einen Einblick in den Erfahrungshorizont einer bestimmten Fotografin, eines konkreten Fotografen.
Text: Peter Liedtke
Redaktion: Martina Kötters