Im Streifzug der Woche: Neue und erweiterte Online-Angebote
Reliquien werden abgestaubt, es gab das erste auĂerplanmĂ€Ăige Urbi et Orbi ĂŒberhaupt, statt der Frage, wie man Museumsbesuche ohne RĂŒckenschmerzen ĂŒbersteht, interessiert schlagartig jeden, wie man online an Stoff kommt und ihn verbreitet, Webcams sind ausverkauft, das ZKM postuliert bereits das Ende des Zeitalters der NĂ€he, und sogar Portfolio-Reviews sind plötzlich kostenlos – kurz, seit dem letzten Streifzug sieht die Welt sehr anders aus. Da Ăberwinterung noch keine Option ist, mĂŒssen wir da durch, und mit BrĂŒchen, Verschiebungen, LĂŒcken und KontinuitĂ€ten kennt man sich im Ruhrgebiet ja aus.
Die flĂ€chendeckenden Veranstaltungsabsagen, MuseumsschlieĂungen und Lehrbetriebseinstellungen versuchen viele Einrichtungen mit erweiterten Online-Angeboten zu beantworten: JSTOR bietet jetzt 100 statt sechs Artikel pro Monat kostenfrei an. Die University of California Press hat ihre Fachzeitschriften bis vorerst Juni frei zugĂ€nglich gemacht. Interessant sind hier besonders Afterimage und Representation. Vielleicht kommt ja sogar das Thema Open Access noch mal auf den Tisch. Das Schauspiel Dortmund lĂ€dt tĂ€glich eine Inszenierung als Video hoch. Alle Ausstellungen der eigentlich zur Zeit stattfindenden Mannheimer Biennale fĂŒr aktuelle Fotografie wurden in Windeseile digitalisiert und können virtuell besichtigt werden. Es gibt beschreibende Texte, Bildinformationen und ergĂ€nzende Tonspuren. Auch tatsĂ€chliche Besuche der Ausstellungen lieĂen sich damit gut vor- oder nachbereiten. Virtuell bewegen kann man sich auch in der Ausstellung Das Zeitalter der Kohle auf Zollverein, aber es bleibt bei Raumansichten. Anklicken lassen sich die Exponate und Texttafeln nicht.
Noch nicht von Absagen spricht die Ruhrtriennale. Die Ruhrgebiets-Fotoserie Pithead im frisch erschienenen Programmbuch 2020 stammt von Pixelprojekt-Fotograf Fatih Kurceren, der schon von Tobias Zielony fĂŒr das SCHAU-Festival vorgeschlagen worden war. In der Online-Version des Programmbuchs sind die Fotos drin, in der PDF-Version leider nicht. Gedruckte Exemplare können angefordert werden.

aus Jörg Keweloh/LWL: AbriĂ
Der LWL bietet seine Filme zum kostenlosen Download an. Drei Empfehlungen: 300 Tonnen MaĂarbeit, ein Rheinstahl-Werbefilm von 1965, AbriĂ aus dem Jahr 1992 zur permanenten Ruhrgebiets-Erfahrung von RĂŒckbau und Verschwinden am Beispiel der ungeliebten Gattung der Turmförderanlagen, und von 2019 Die Kamera im Arbeitskampf zu Streiks in Hattingen in den 1980ern. WĂ€hrend der Rheinstahl-Film ein durch und durch professionell produziertes Marketinginstrument war, der die besonderen FĂ€higkeiten der HenrichshĂŒtte anhand der Herstellung eines DruckbehĂ€lters zeigt, sieht der trockene AbriĂ-Film nicht ohne Grund nach Medienwerkstatt aus. Genau deren Rolle wird im Arbeitskampf-Film ausfĂŒhrlich beleuchtet. Exzellent ergĂ€nzen wĂŒrde diese Reihe Marco Kugels Film FlĂŒsse TĂ€ler Berge, der 2018 in der Situation Kunst in Bochum zu sehen war. Leider ist er bisher weder online noch als DVD verfĂŒgbar.
Und sonst?
Webcams in Italien. Das sind Live-Videos, keine Standbilder. // Die Nachbarn, jeden Nachmittag um FĂŒnf. // Graziano Panfili: Postcards from Italian webcams. // Und jetzt oder nie: 11 Photographers on How To Finish a Body of Work.
Text: Haiko Hebig
Titelbild: Jörg Keweloh/LWL