âWas ist ein gutes Bild?â war der Titel des DGPh-Symposiums der Sektion Wissenschaft & Technik und des Studiengangs âFotojournalismus und Dokumentarfotografieâ der Hochschule Hannover am 14. Juni. Im Untertitel hieĂ es noch: âDie Antwort auf die Frage hĂ€ngt von der Perspektive ab!â Peter Liedtke war fĂŒr ruhrspeak dabei.
Veranstaltungen wie das DGPh-Symposium, die aus einem heterogenen Bild von Referenten besteht, sind hĂ€ufig die interessantesten, denn neben dem, was man erwartet, wird man oftmals mit ganz anderen DenkansĂ€tzen konfrontiert und kehrt bereichert und gefĂŒllt mit vielen Informationen und Interpretationen inspiriert zurĂŒck zu den eigenen Projekten.
Die Frage nach guten Bildern zieht sich ja nahezu immer durch die Diskussion um QualitÀten; keine Jurysitzung, in der die Frage nicht kontrovers diskutiert wird, und keine Preisvergabe, in der nicht unterschiedlichste Menschen unterschiedlichste Meinungen kundtun. Und doch kann man in der Regel zwischen Geschmack und QualitÀt unterscheiden. Meistens sind sich die Experten einig und Ausnahmen bestÀtigen die Regel.
Einigkeit durch Expertenmeinungen?
Das DGPh-Symposium sollte aus Expertenmeinungen bestehen, also wĂŒrde sich wohl ein gewisses MaĂ an Einigkeit einstellen.
Zumindest die ersten beiden VortrĂ€ge erfĂŒllten meine Erwartungen voll und ganz, wenn ich auch in der Kaffeepause GesprĂ€chsfetzen wie: âAb jetzt werden die VortrĂ€ge wieder sachlicher und interessanter werdenâ hören konnte. FĂŒr mein GefĂŒhl waren die VortrĂ€ge von Elger Esser und Karen Fromm alles andere als unsachlich und uninteressant. Aber es ist ja alles eine Frage der Perspektive.
Elger Esser, BecherschĂŒler und TrĂ€ger des Rheinischen Kunstpreises, referierte zu âDie vergangene und die verlorene Zeitâ. Die vergangene Zeit ist vergangen und vorbei, die verlorene Zeit kann man wieder finden, so seine These, so seine Bilder. Innerhalb der Fotografie unterscheidet er zwischen Bildern und Fotografien. Das wichtige sind ihm (und auch mir) die Bilder. Bilder, die in uns etwas erzeugen. Der Hunger nach diesen sei so groĂ, weil man so selten welche bekommt. Wie wahr. Die Funktion der Bilder sind die Geschichten, die man erzĂ€hlen muss. Aber was ist eine gute Geschichte? Ăber die Fotografien – also die anderen 99,9 Prozent – sprach er wenig.
Karen Fromm, Kunsthistorikerin und Verwaltungs- bzw. Gastprofessorin fĂŒr Fotojournalismus und Dokumentarfotografie an der Hochschule Hannover, erklĂ€rte erst ein Mal, dass es in der Kunstgeschichte die Frage nach einem âgutenâ Bild ĂŒberhaupt nicht gibt. Danach zeigte sie Beispiele von guten Bildern, die an sich schlechte Fotografien sind. Bilder mit UnschĂ€rfen, Falschbelichtungen oder merkwĂŒrdigen Bildaufbau. Beispielsweise im Embedded Journalismus (eingebetteter bzw. kontrollierter Kriegsjournalismus) wird UnschĂ€rfe hĂ€ufig als Beleg einer scheinbaren Echtheit benutzt. Dazu zeigte sie ein Bild aus dem 2. Golfkrieg mit grĂŒn schimmernden Nachtsichtaufnahmen von RaketeneinschlĂ€gen, die ohne Unterschrift auch alles oder nichts hĂ€tten sein können.
Als besonderes Beispiel fĂŒr ein hohes MaĂ an QualitĂ€t bei gleichzeitiger Missachtung aller technischer Kriterien fĂŒr gute Fotografie diente ihr die Arbeit Richard Billinghams Arbeit âRays a laughâ von 1996. In dieser scheinbar amateurhaften Serie fotografiert Billingham seine eigene Familie rund um den alkoholkranken Vater, erzeugt mit seinem Stil einerseits eine hohe AuthentizitĂ€t und findet andererseits eine dem Thema angemessene Bildsprache der VernachlĂ€ssigung und des Desolaten. Wie merkwĂŒrdig und befremdlich wĂ€re hier Hochglanzfotografie. Und wie richtig sind oftmals die Bilder, in denen scheinbar alles falsch gemacht wurde.
Es ist immer eine Frage der Perspektive
So viel zum Beginn der Veranstaltung. Nach der Kaffeepause ging es weiter mit einem Vortrag von Dietmar WĂŒllner zu Kamera-Testmethoden der mich darĂŒber unterrichtete, dass alle Testverfahren inzwischen normiert sind nach DIN 15707 und ISO 12333, 14524, 15739, 17850, 17957, 18844 und 19084. Anhand dieser Testmethoden kann man Kameras und Objektive bewerten. Interessant fand ich die Bemerkung aus dem Publikum, dass es problematisch sei, dass immer mehr Bildbearbeitung schon in die Kameras eingebaut sei.
Es folgten zwei VortrĂ€ge von Dr. Volker Zimmer und Wanja Szypura von Leica, in denen der erste ĂŒber die Hard- und der zweite ĂŒber die Softwareentwicklungen im eigenen Haus sprachen. Interessant, dass sich zumindest Leica die Frage stellt, was das Unternehmen tun muss, aber auch was es lassen muss.
Dei beiden VortrĂ€ge von Sabine Thieme und Dr. Philipp Sandhaus von CEWE zu CEWE (CEWE ist wahrscheinlich der gröĂte Hersteller von FotobĂŒchern in Deutschland in Klein- und Kleinstauflagen) stellten deren automatische Bewertungssoftware fĂŒr gute Fotografien vor. Phantastisch, wie es durch Rechnerleistung gelingt, aus einem groĂen Konvolut von Fotografien automatisch eine der Seitenanzahl des zu erstellenden Buches fĂŒr viele zufriedenstellende Auswahl zu treffen.
Dem Einwand, dass es damit höchstens gelingen könne, Mittelmaà zu erzeugen, wurde nicht widersprochen und auch nicht der Kritik, dass keine solche Software dem Fotografen das Denken abnehmen könne. Zielgruppe von CEWE ist der Amateurmarkt. 30 Prozent der Kunden nutzen diese Software und sind mit den Ergebnissen (auch und gerade in Relation zum Zeitaufwand) wohl zufrieden.
Grenzen der Automatisierung
Es folgte ein unterhaltsamer Vortrag von Heinz-JĂŒrgen GroĂ zu ICC-Profilen und von Dr. Mathias Lehmann zu automatischer Bildverbesserungssoftware. Sympathisch, dass beide auch die Grenzen der Automatisierung zeigten, wie z.B. dass die automatische ârote Augen Korrekturâ auch zu schwarzen Tomaten auf einer Schinkenplatte fĂŒhren könne. Der Rechner nimmt die roten Tomaten als rote Augen wahr und korrigiert.
Schade, dass Wolfgang Behnken (ĂŒber 30 Jahre prĂ€gte er als Artdirektor und Mitglied der Chefredaktion die Optik des Stern) ĂŒberraschend aus persönlichen GrĂŒnden absagen musste. Er hĂ€tte sicherlich noch Mal die Verbindung zwischen gutem und technisch perfektem Bild ziehen können.
Schade auch, dass die Hochschule Hannover als Mitveranstalter so wenig prÀsent war. Deren Professoren Rolf Nobel und Lars Bauernschmitt fehlten und auch ihre Studenten. Es fehlte eine Vermittlung zwischen der Technik und dem Inhalt und es fehlte ein Austausch zwischen den Machern der Fotos und den Machern der Technik.
Schön war jedoch, dass die Auseinandersetzung der Sektion Wissenschaft und Technik weit ĂŒber das eigene Metier hinaus gegangen ist â schade aber, dass eine VerschrĂ€nkung mit den Sektionen Bild oder Bildung und Weiterbildung nicht funktioniert hat.
Das âgute Bildâ und der Diskurs darum hĂ€tten es alle Male verdient.
http://www.dgph.de/startseite/symposium-der-dgph-zum-thema-was-ist-ein-gutes-bild
Text: Peter Liedtke