Klaus Honnef, Autor, Kurator und Prof. em. fĂŒr Theorie der Fotografie wird heute, am 14. Oktober 75 Jahre alt. Zu recht gilt er als eine der wichtigsten Persönlichkeiten in der Fotografie und wurde âChevalier de lâOrdre des Arts et des Lettresâ und TrĂ€ger des âKulturpreises der Deutschen Gesellschaft fĂŒr Photographieâ. Weltweites Aufsehen erregte seine Mitarbeit bei der documenta 1977 in Kassel, bei der zum ersten Mal die Fotografie auf einer documenta als eigenstĂ€ndiges kĂŒnstlerisches Ausdrucksmittel in Erscheinung trat. Wir wĂŒnschen Klaus Honnef alles Gute und der Fotografie, dass er sie noch lange begleiten wird.
ruhr.speak: Klaus Honnef, Sie werden heute 75 Jahre alt und gelten als eine der maĂgeblichsten Persönlichkeiten, die der Fotografie zur kĂŒnstlerischen Anerkennung verholfen haben.
Was waren rĂŒckblickend die wichtigsten Meilensteine in Ihrem Werdegang?
Klaus Honnef: Die Begegnung mit Karl Fred Dahmen fĂŒhrte mich in die Welt der Kunst, die Begegnung mit Bernd Becher in die Welt der Fotografie ein. Durch Dahmen und Becher sowie die vielen KĂŒnstlerinnen und KĂŒnstler, die Fotografinnen und Fotografen, die ich in meinem Leben traf, habe ich gelernt, die Welt der Bilder durch die Augen von KĂŒnstlern zu sehen. Ohne vorgeprĂ€gte Begrifflichkeit, mit Sinn fĂŒr ZusammenhĂ€nge, physische und emotionale QualitĂ€ten, und mit Empathie. Dabei den Eigenwillen der Bilder, ihr Vermögen, nicht nur die optische Wahrnehmung anzusprechen, zu erkennen. Kurzum: Zu fragen, was wollen die Bilder, statt zu fragen, was stellen die Bilder dar. Was mir auch bei meinem Beruf als Ausstellungskurator sehr geholfen hat. Lange bevor WTJ Mitchell die Frage ins Zentrum seiner âBildtheorieâ stellte.
ruhr.speak: Das Pixelprojekt_Ruhrgebiet beruft sich auf die Ideen der Autorenfotografie und stellt die Sichten der Bildautoren in den Vordergrund. Das Wort âAutorenfotografieâ wurde durch Sie geprĂ€gt.
Was sind die wichtigsten Merkmale der Autorenfotografie und glauben Sie, dass die Autorenfotografie heute noch gepflegt wird?
Klaus Honnef: Was die Autorenfotografie auszeichnet, ist ihre FĂ€higkeit, die Welt und die Dinge in einer Art und Weise wiederzugeben, die erstens prĂ€gnant und signifikant ist und zweitens das Wiedergegebene in einer Form zeigt, wie wir es zuvor noch nie betrachtet haben, und also mit dem Moment der Ăberraschung aufzuwarten. Konkret: In einer Form, die das Vertraute fremd erscheinen lĂ€sst. Autorenfotografie sollte eine unverwechselbare Ă€sthetische Haltung zum Ausdruck bringen. Insofern schwingt in der Autorenfotografie auch stets ein starkes StĂŒck SubjektivitĂ€t mit. In Gestalt von Obsessionen, Ăngsten, SehnsĂŒchten, WĂŒnschen, offen oder unterschwellig, vermittelt in einer spezifischen Sichtweise. Dabei spielen die Ă€uĂeren Bedingungen, unter denen Bilder gemacht werden, keine Rolle. Martin MunkcĂĄksi war professioneller Sport- und Modefotograf wie Alfred Hitchcock kommerzieller Filmer. In der so genannten Auftragsfotografie gibt es mehr genuine Autoren als in der modernen Kunstfotografie. Erst die profilierte Sicht âandererâ löst bei mir als Betrachter die Bereitschaft zu einem Dialog aus. Ob Autorenfotografie heute noch gepflegt wird, weiĂ ich nicht, dafĂŒr wird umso mehr ĂŒber sie geredet, untrĂŒgliches Zeichen ihrer Abwesenheit â oder anders ausgedrĂŒckt: Der Begriff wird fĂŒr Explorationen in Anspruch genommen, die mit ihr wenig zu tun haben. Zur Autorenfotografie gehört zweifellos ein kĂŒnstlerisches Gen. UnabhĂ€ngig von den vielen Motiven, die sie dargestellt haben, den Malweisen, die sie angewendet haben, erkennt man nach einiger Sehpraxis die GemĂ€lde von Leonardo, Tizian, El Greco, Rubens, Velaszques, Goya, Delacroix, Picasso, Matisse e tutti quanti ohne Probleme, auch wenn man sie nie zuvor gesehen hat.
ruhr.speak: Wir haben die bild.sprachen â Plattform fĂŒr Fotografie in diesem Jahr nach Ihrer Forderung an gute Fotografie âsurprise meâ genannt.Was macht fĂŒr Sie gute Fotografie aus und welche Entwicklung möchten Sie der Fotografie fĂŒr die Zukunft wĂŒnschen?
Klaus Honnef: Eine âguteâ Fotografie (wie jedes âguteâ Bild) nistet sich förmlich in meine optische Wahrnehmung ein, sodass sie meinen Blick auf die Welt (eingeschlossen die Welt der Kunst und der Fotografie) beeinflusst. Sie erweitert und bereichert ihn. Wobei ich den Grad der Beeinflussung nicht messen kann, weil er mir nicht richtig bewusst wird. Auch wenn sich eine âguteâ Fotografie mit anderen âgutenâ Fotografien in meinem Bewusstsein verbindet, und sie alle gemeinsam meine Wahrnehmung prĂ€gen â ich vergesse sie nicht. Deshalb wĂŒnsche ich der Fotografie natĂŒrlich noch viele âguteâ, unvergessliche Bilder und ihren Urhebern einen kĂŒhnen Blick.
Fragen: Peter Liedtke
Redaktion: Martina Kötters
ruhr.speak befragte in seiner Interviewreihe âDrei Fragen â drei Antwortenâ bisher AndrĂ©a Holzherr, Wolfgang Volz, Florian Ebner, Kerstin Meinecke, Fritz Pleitgen und Adolf Winkelmann.